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Artikel „Osiander, Johann Ernst“ von Theodor Schott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 492–493, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Osiander,_Johann_Ernst&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 05:34 Uhr UTC)
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Osiander: Johann Ernst O., evangelischer Theologe, geb. am 23. Juni 1792 zu Stuttgart, † am 3. April 1870 in Göppingen als Prälat, war der Sohn von Johann Eberhard O., Stiftsoberhelfer in Stuttgart, und Dorothea Friederike geb. Walz. Bis ins 18. Jahr besuchte der Knabe, der seinen Vater frühe verlor, das Stuttgarter Gymnasium, eine entschiedene Neigung zum Studium der Theologie machte sich auch bei ihm geltend, doch zeigte er daneben große Vorliebe für sprachliche Studien, speciell der classischen und orientalischen Sprachen. Im J. 1809 bezog er die Universität Tübingen, wo besonders der ältere Flatt bestimmenden Einfluß auf seine theologische Richtung ausübte. Von Jugend auf positiv gerichtet, mit den religiös angeregten Kreisen Württembergs in Verbindung stehend, gehört O. zu den supranaturalistischen Theologen, die Starrheit des Standpunktes wurde durch biblisch-theologische Studien sowie durch den Einfluß Schleiermacher’s gemildert. Nach beendigten Studien übernahm er eine Hauslehrerstelle in Bremen, wurde 1817–1819 Repetent am theologischen Seminar in Tübingen und 1820 Diakonus in Metzingen, OA. Urach, 1824 wurde er Professor am niederen Seminar in Maulbronn und 1840 erhielt er die Stelle eines Dekans in Göppingen, der freundlichen, in der Geschichte der O. so häufig vorkommenden Landstadt in der Nähe des Staufen, welches Amt er bis zu seinem Tode bekleidete. Sein reiches theologisches Wissen, ein außerordentlich glückliches Gedächtniß begünstigte den in ihm liegenden Zug, eine rein wissenschaftliche Thätigkeit einzuschlagen; 1826 wurde er von der theologischen Facultät in Tübingen zu einer Professur vorgeschlagen, aber ohne Erfolg, doch war es O. auch in seinem praktischen Kirchenamte möglich, seinem wissenschaftlichen Triebe zu genügen; die Commentare über die beiden Briefe Pauli an die Korinther I, 1847, II, 1858 legen durch ihre Verbindung theologischer und philologischer Gelehrsamkeit, durch die ruhige besonnene Auslegung vollgültiges Zeugniß ab von seinem genauen soliden Arbeiten. 1860, am Todestage Melanchthons, wurde er von den Facultäten zu Göttingen und Tübingen zum Ehrendoctor der Theologie creirt. In seiner kirchlichen Thätigkeit war der einfache, bescheidene, leidenschaftslose, etwas trockene Mann, der von der Streitsucht der früheren Osiander nur auch gar nichts geerbt hatte, dem dagegen ein gewisser mystischer, jener Familie sonst unbekannter Zug anhaftete, treu für seine Gemeinde besorgt, gründete eine Kinderrettungsanstalt, nahm auch an den Geschicken der Gesammtkirche regen Antheil (bei der Commission für die Herausgabe eines neuen Kirchen- und Gesangbuchs mitwirkend). 1820 hatte er sich mit Wilhelmine Camerer, der Tochter seines geliebten Stuttgarter Lehrers, verheirathet, am 23. Januar 1823 wurde sie ihm durch den Tod entrissen, 1824 vermählte er sich mit ihrer Schwester Henriette. Von den fünf Kindern aus beiden Ehen überlebte die Eltern nur eine Tochter, ein talentvoller Sohn Johann Ernst, der eine theologische Preisaufgabe mit Erfolg gelöst hatte, orientalischen Sprachstudien mit Eifer sich hingab und seit 1861 der Amtsgenosse des Vaters in Göppingen war, starb am 21. März 1864 (s. o. S. 484), am 7. April 1864 folgte die Mutter im Tode nach. Sein 50jähriges Amtsjubiläum, wobei er mit Titel [493] und Rang eines Prälaten ausgezeichnet wurde, überlebte O. nur wenige Wochen. Außer den erwähnten Werken finden sich einige Abhandlungen von ihm in der Tübinger Zeitschrift, Jahrg. 1832, 1833, 1834; ein gedankenreiches, aber trockenes und wenig anregendes Lehrbuch zum christlichen Religionsunterricht erschien 1839.