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Artikel „Osiander, Johann Adam“ von Theodor Schott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 488–489, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Osiander,_Johann_Adam&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 08:02 Uhr UTC)
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Osiander: Johann Adam O., geb. am 3. December 1622 zu Vaihingen a. d. Enz (Würtemberg), † am 26. October 1697 in Tübingen als Kanzler der Universität. Sein Vater war Johann Balthasar O., Urenkel von Lucas I. O. (s. u.), damals Diakonus in Vaihingen, seine Mutter Katharina geb. Hartmann. Begabung und Familientradition führten ihn der theologischen Laufbahn zu, in welcher er dieselben hohen Würden erreichte wie seine beiden Großonkel Andreas und Lucas II. Die Schrecknisse des 30jährigen Krieges warfen einen düsteren Schatten in seine Jugend, nach der Schlacht bei Nördlingen, als Würtemberg von den kaiserlichen Truppen überschwemmt und grausam verheert wurde, mußte er zu Verwandten auf die Festung Neuffen flüchten und die harte Belagerung derselben mit aushalten. Die Festung erlag dem feindlichen Angriffe nicht, aber O. verlor während derselben fast all sein irdisch Hab und Gut, auch waren beinahe alle seine Freunde gestorben. 1639 wurde er in das herzogliche Stipendium (evangelisch-theologisches Seminar) zu Tübingen aufgenommen, wo er sich bald durch Fleiß und Talent hervorthat. 1642 magistrirte er, 1647 wurde er Repetent, in welcher Stellung er schon theologische und philosophische Vorlesungen hielt; 1648 erhielt er das Diakonat in Göppingen, dieselbe Stelle, welche ein Jahrhundert zuvor sein Urgroßvater bekleidet hatte; 1653 nach Tübingen als Diakonus berufen, wurde er am 24. November 1656 Doctor der Theologie, bald außerordentlicher, 1660 ordentlicher Professor, 1662 zugleich Stiftsprediger, 1680 Kanzler, welche Stellung er bis zu seinem Tode einnahm. Dreimal (1662, 1668, 1682) war er Rector, 1677 bei der zweiten großartigen Säcularfeier der Gründung der Universität Prorector, auch andere akademische Würden und Aemter fielen ihm reichlich zu. Während seiner langen akademischen Thätigkeit hielt er gegen 270 Vorlesungen über theologische und philosophische Materien, speciell war ihm das Fach des Griechischen, der neutestamentlichen Exegese anvertraut. Von seinen Zeitgenossen wurde O. als einer der ersten Theologen des Jahrhunderts gepriesen, ja das Auge der lutherischen Kirche genannt; um seinen Katheder drängten sich die Studirenden aus allen Ländern, besonders aus Schweden kamen sie sehr zahlreich, indessen hat er doch in keiner Weise schöpferisch gewirkt, dagegen den alten Stolz der Tübinger, den Kampf gegen die Irrlehren mit allen Waffen der Gelehrsamkeit und mit allen Künsten der Dialektik und des Disputirens zu treiben hielt er treulich aufrecht, er war trotz seiner Freundschaft mit Spener ein Vertreter [489] der alten Zeit, die das Hauptgewicht der akademisch-theologischen Lehrthätigkeit in die Polemik, die Controversen legte. So las O. meistens nicht über einzelne Bücher des Neuen Testaments, sondern nur über einzelne Stellen, loca difficiliora, mit welchen man die Gegner am besten schlagen könne; seine Weitläufigkeit wurde ihm einmal ausdrücklich vorgehalten. Daß er sich gegen das Eindringen der cartesianischen Philosophie, sowie gegen die immer wiederkehrenden unionistischen Bestrebungen zwischen Protestanten und Katholiken ablehnend verhielt, war die nothwendige Folge seiner ganzen Richtung. – Beim zweiten französischen Einfall 1693 floh er in das sechs Stunden entfernte Balingen; als treuer Hirte kehrte er indessen zur sonntäglichen Predigt zurück. Verheirathet war er dreimal, erstens 1650 mit Anna Magdalena Schüpper, die zweite Ehe schloß er am 18. April 1689 mit Anna Maria, Wittwe des Hofgerichtsadvocaten Johann Georg Behr, nach ihrem Tode 1696 ging er am 8. April 1697 eine dritte Ehe ein mit Agathe Christiane, Wittwe des in der französischen Gefangenschaft als Geisel zu Metz gestorbenen Prälaten Johann Ludwig Dreher von Hirsau. Von der ersten Frau hatte er acht Kinder, darunter zwei Söhne, den Professor der Medicin Johann Adam O. und den späteren geheimen Rath Johannes O. (s. d. Art.). Seine sehr zahlreichen Schriften führt Fischlin, Memoria theol. Wirt. II, 292 ff. sowie Hochstetter (s. u.) an, sie erstrecken sich auf alle Gebiete der Theologie, erwähnt seien: „Theologia moralis“, 1671; „Theologia casualis“, 1682; „Collegium systematicum theologiae universae“, 1686; „Commentarius in Pentateuchum“, 1676; „C. in libros Josue-Samuelis“, 1682 etc. „Collegium Anti-Cartesianum“, 1684.

Leichenrede von Andr. Adam Hochstetter. Tüb. 1698.