ADB:Osiander, Lucas (Professor der Theologie in Tübingen)

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Artikel „Osiander, Lucas II.“ von Theodor Schott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 495–496, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Osiander,_Lucas_(Professor_der_Theologie_in_T%C3%BCbingen)&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 17:14 Uhr UTC)
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Osiander: Lucas II. O., Sohn von Lucas I. O. und Tabitha Engel, geb. am 6. Mai 1571 in Stuttgart, † am 10. August 1638 in Tübingen, Doctor und Professor der Theologie, Kanzler der Universität Tübingen. Mit 15 Jahren wurde der begabte Jüngling Baccalaureus, mit 19 Jahren Repetent am evangelischen Seminar in Tübingen, von 1591–1594 war er Diakonus in Göppingen, wo auch sein Vater gewesen war, 1597 wurde er Pfarrer in Schwieberdingen, 1601 Dekan in Leonberg, 1606 in Schorndorf, 1612 Prälat in Bebenhausen, 1616 in Maulbronn, 1618 wurde er Doctor der Theologie und ordentlicher Professor in Tübingen, 1620 Kanzler. Seine Polemik wegen der Reichsreligionssache im 30jährigen Kriege führte beinahe zu seiner Versetzung auf eine Prälatur 1628, aber infolge einer beweglichen Vorstellung der Universität, in welcher neben seinen Verdiensten auch auf die Schadenfreude seiner Widersacher hingewiesen wurde, unterblieb die Versetzung. Er war dreimal verheirathet: 1) mit Elisabeth Rhiden, 2) mit Maria Jakobina Daser, 3) mit Barbara Schropp. Die Gelehrsamkeit, durch welche sich die ganze Familie auszeichnete, besaß auch er, und in ganz hervorragender Weise war bei ihm die polemische Gabe, die Schlagfertigkeit des Disputirens ausgebildet; in einer Reihe von Schriften gegen Calvinisten, Schwenkfelder, Wiedertäufer, Jesuiten etc. bewies sich dieselbe; an dem bekannten Streite der Tübinger und Gießner Theologen über die Person Christi nahm er sehr lebhaften Antheil, vor Arndt’s „wahres Christenthum“ warnte er in einer geharnischten Streitschrift „Theologisches Bedencken welcher Gestalt Joh. Arndten wahres Christenthum anzusehen sei“, 1623. Nicht ganz mit Unrecht hat man über ihn gesagt, daß er zu den Theologen gehöre, welchen der heilige Geist mehr in Gestalt eines Raben als einer Taube erschienen zu sein schiene. Seine unerschrockene Mannhaftigkeit, mit welcher er in den schwersten Zeiten, welche die würtembergische Kirche zu überstehen hatte, während des [496] 30jährigen Krieges seinen evangelischen Glauben bekannte, hat ihm ein dankbares Andenken bewahrt; erwähnenswerth ist, daß er 1636 von einem fanatischen Menschen (Ludwig Friedrich Giftheit?[1]) auf der Kanzel mit bloßem Schwerte angefallen wurde, nur seine Gewandtheit und die Kraft, womit er den Mörder zurückstieß, retteten ihn. Seine zahlreichen Schriften, hervorragend polemischer Natur, s. Fischlin; zu erwähnen sind: „Enchiridion controversiarum“, 1603, oft aufgelegt; „De omnipraesentia Christi hominis“, 1619; „De communicatione idiomatum“, 1619; „De enthusiasmo“, 1622.

Leichenrede von Melchior Nicolai. 1638. – Quellen für die Osiandrische Familie außer den Leichenpredigten, welche letztere den meisten Stoff geben: Stälin, Wirtembergische Geschichte, Bd. IV. – Sattler, Geschichte des Herzogth. Würtemberg. – Römer, Kirchliche Geschichte Würtembergs. – W. Spittler, Geschichte Würtemb. – Weizsäcker, Lehrer u. Unterricht an der evangel.-theolog. Facultät zu Tübingen.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 496. Z. 3 v. o. l.: Gifheil. [Bd. 28, S. 808]