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Artikel „Oppermann, Heinrich Albert“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 400–404, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Oppermann,_Albert&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 19:15 Uhr UTC)
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Oppermann: Heinrich Albert O. wurde am 22. Juli 1812 zu Göttingen, wo der Vater ein kleines Buchbindergewerbe betrieb, geboren, besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt und ließ sich Ostern 1831 ebenda immatriculiren, schwankend, ob er Jurisprudenz, Staatswissenschaften oder Philosophie als sein Studium bezeichnen solle. Doch gewann die erstere die Oberhand, wenngleich die beiden andern nicht vernachlässigt wurden. Schon als Primaner hatte er an Vorträgen Theil genommen, die ihm und einem Freunde ein begeisterter Anhänger Krause’s, Schliephake, über dessen Philosophie hielt. Konnte er auch Krause, der Pfingsten 1831 Göttingen verließ, nicht mehr hören, so bildeten doch dessen Schüler und Anhänger, wie Herm. v. Leonhardi, Schliephake, Karl Volckmar, Georg Schumacher den Kreis, zu dem sich O. am meisten hingezogen fühlte. Dahlmann’s und Albrecht’s Vorlesungen folgte er mit großem Fleiße, und in seinen litterarischen Arbeiten kommt er gern auf Anregungen zurück, die er ihnen verdankt. Noch in einer Schrift des Jahres 1869 citirt er einen Ausspruch Albrecht’s nach dessen Heft über deutsches Staatsrecht. Früh greift er zur Feder; die studentischen Verbindungen in ihren inneren [401] Gegensätzen, wie ihre Bedrohung durch die damals versammelten Wiener Ministerialconferenzen veranlassen die anonyme Flugschrift: „Worte eines Studirenden über die Reform der Universitäten“ (Leipzig 1834) und den Roman: „Hermann Forsch, Studentenbilder oder Deutschlands Arminen und Germanen“ (Hamburg 1835), dessen Werth allein in der Schilderung der Göttinger Revolution vom Januar 1831 und der Spaltungen des burschenschaftlichen Lebens von der Hand eines Augenzeugen besteht. Ueber der jugendlichen Schriftstellerei wurden aber die Fachstudien nicht vernachlässigt; denn um die gleiche Zeit gewann er mit seiner Schrift: „An en quatenus absolutio ab instantia in causis criminalibus locum habeat“ (1836) den von der Göttinger juristischen Facultät ausgesetzten Preis. Im Januar 1836 bestand er das erste, im Januar 1838 das zweite juristische Examen. In der Zwischenzeit wie nachher arbeitete er bei Dr. Grefe, einem sehr geachteten und durch sein hannoversches Privatrecht auch litterarisch bekannten Rechtsanwalte Göttingens, nebenbei journalistisch thätig, auch jetzt wieder studentische Zustände mit Eifer verfolgend, was ihm eine von Karl Braun besorgte und später ergötzlich geschilderte Coramirung des Seniorenconvents zuzog. Weniger harmlos war die aus den politischen Vorgängen des Jahres 1837 erwachsende litterarische Thätigkeit. Wiederholt hat O. geschildert, wie unter seiner Leitung der Protest der Sieben, von dem er am 19. November, dem Tage nach der Absendung, eine Abschrift erhalten hatte, vervielfältigt und nach allen Richtungen verbreitet wurde. In Gutzkow’s Telegraphen für Deutschland veröffentlichte er zu Anfang des Jahres 1838 Biographien und Skizzen der Göttinger Sieben und begleitete den ganzen Verlauf des hannoverschen Verfassungskampfes in Correspondenzen des deutschen Couriers, der Augsburger allgemeinen Zeitung und anderer Blätter, beständig in Fühlung mit Hermann Detmold in Hannover (A. D. B. V, 82), dem journalistischen Stimmführer der staatsgrundgesetzlichen Opposition. Daß diese litterarische Thätigkeit dem jungen auf Zulassung zur Advocatur harrenden Juristen nicht eben förderlich war, lag auf der Hand. Sein Gesuch, in Göttingen sich niederlassen zu dürfen, wurde mit dem Hinweis auf die dort schon vorhandene große Zahl von Anwälten abgeschlagen. Als sich dann Dr. Grefe zum Verzicht auf die Advocatur bereit erklärte und O. seinen Wunsch in Göttingen zu bleiben mit dem Unvermögen seiner Eltern motivirte, ihn anderswo während der ersten Jahre zu unterhalten, fragte ihn der Cabinetsminister v. Schele in einer Audienz nach dem Stande seines Vaters und erwiderte auf die Antwort: dann hätten Sie auch Buchbinder werden sollen. Ein in den Hallischen Jahrbüchern Frühjahr 1842 von O. gemeinsam mit Adolf Bock (von Gotha) veröffentlichter Aufsatz: „Die Universität Göttingen“, der eine scharfe Kritik an Personen und Zuständen übte, das junge Göttingen auf Kosten des alten erhob, die Leistungen wissenschaftlicher Männer nach ihrer politischen Haltung abschätzte und, mochte er auch manchen vorhandenen Schaden berühren, nach Form und Inhalt von arger Ueberhebung zeugte und die damals schwer genug leidende Universität, der die Verfasser Dank schuldeten, vor dem großen Publicum herabwürdigte, zog den Verfassern einen persönlichen Conflict, die Ausstoßung aus dem Göttinger Litterarischen Museum, zu, verhalf aber O. zu der gewünschten Advocatur, wenn auch an einem nicht gerade erwünschten Orte: der Justizminister wies ihm die kleine Stadt Hoya an der Weser zum Wohnsitze an. Dem Berufe des Anwalts ist O. sein Lebelang treu geblieben. Mit der Justizorganisation von 1852 verlegte er seinen Wohnort nach dem benachbarten Nienburg, das Sitz eines Obergerichtes geworden war. Seiner anwaltlichen Thätigkeit wird Fleiß, juristische Tüchtigkeit, insbesondere Kenntniß der bäuerlichen Verhältnisse, große Rechtlichkeit und [402] Fähigkeit mit dem ländlichen Publicum zu verkehren nachgerühmt. Einen bekannten Namen hat er sich durch seine litterarische Wirksamkeit und seine Theilnahme am öffentlichen Leben gemacht. In der vormärzlichen Zeit konnte nur von der ersteren die Rede sein. Nachklänge der Göttinger Zeit und Studien sind: „Die Göttinger gelehrten Anzeigen während einer hundertjährigen Wirksamkeit für Philosophie, schöne Litteratur, Politik und Geschichte“ (Hannov. 1844), „Encyklopädie der Philosophie“ (das. 1844), eine Uebersicht nach Heften Krause’scher Vorlesungen, „Pombal und die Jesuiten“ (das. 1845), aus Anregungen Dahlmann’scher Vorträge hervorgegangen, während eine kritisch-historische Schrift: „Zur Geschichte der Entwickelung und Thätigkeit der allgemeinen Stände des Königreichs Hannover. Erste Hälfte 1803–1832“ (Leipzig 1842), zu den Arbeiten hinüber leitet, die O. nach 1848 beschäftigt und ihm verdiente Anerkennung verschafft haben. Der Eintritt in das praktische politische Leben wollte ihm anfangs nicht gelingen. Bei den Wahlen zur Ständeversammlung im November 1847 hatten die Hoyaischen Flecken ihn zum Deputirten gewählt, die Wahlmänner auf Frage des Commissars aber hinterdrein seine Qualification verneint; bei den Wahlen zum deutschen Parlament im Mai 1848 soll, wie man sich erzählte, der Wahlcommissar durch die glänzende Rede bei Einleitung des Wahlacts die Stimmen der Nienburger Wahlmänner, die O. zugedacht waren, für sich gewonnen haben. Dagegen nahm O. in der populären Bewegung der Zeit einen hervorragenden Platz ein; er gehörte zu den sog. Condeputirten, leitete einen Volksverein, wirkte aber in dieser Umgebung zur Mäßigung und stets im nationalen Sinn. Mit dem Herbst 1849 gelangte er in die zweite Kammer, und hat ihr, ein treues und consequentes Mitglied der liberalen Partei, bis zum Jahre 1866 angehört, die Zeit von 1857–62 ausgenommen. In seiner Partei hielt man große Stücke auf ihn, und er verdiente das Vertrauen durch seine große Sachkenntniß, sein ehrliches gerades Wesen und seine uneigennützige Vaterlandsliebe. Für öffentliches Auftreten war er wenig geeignet. Eine äußerst markante Erscheinung mit energischen, fast wilden Gesichtsügen, die ihm den Spitznamen der Universitätsjahre Holofernes sein ganzes Leben hindurch wahrten, entbehrte er doch aller Rednergabe. In die Debatten griff er selten ein und wenn, nur zu kurzen Bemerkungen, die er derb, oft polternd hervorbrachte. Auf äußere Formen legte er wenig Werth und stieß dadurch häufig genug an, aber seine Wahrheitsliebe und sein der Sache geltendes Streben verschafften ihm auch unter den Gegnern Anerkennung. Ein sehr fleißiger und rascher Arbeiter, war er in den Commissionen besonders geschätzt. Neben seiner Thätigkeit als Abgeordneter wirkte er ununterbrochen als historisch-politischer Schriftsteller. „Hannoversche Zustände seit 1848“ (Bremen 1849); „Zur Geschichte des hannoverschen Verfassungsgesetzes vom 5. Septbr. 1848“ (Leipzig 1855); der umfassende Artikel: „Hannover“ in der dritten Auflage des Rotteck-Welcker’schen Staatslexikons (Leipzig 1862); der Aufsatz über den Grafen Münster in Bluntschli und Brater’s Staatswörterbuch (Leipzig 1862); „Zur Geschichte des Königreichs Hannover von 1832–60“ (2 Bände, Leipzig 1860 bis 1862) sind Arbeiten reich an Stoff und für die Geschichte des Landes unentbehrlich. Rasch entstanden, lassen sie oft die rechte verarbeitende und zusammenfassende Kraft vermissen und sind nicht überall von gleicher Zuverlässigkeit. Aber Niemand war so bereit seine Fehler einzusehen und zu berichtigen als ihr Verfasser. Dies Lob verdient er auch noch in einem anderen Sinne. Die werthvollste und bekannteste unter seinen Arbeiten ist das letztgenannte Buch. Seine Bedeutung liegt namentlich in der Benutzung der ständischen Acten, die er während seiner Deputirtenzeit fleißig excerpirt hat. Eine Geschichte des ständischen Wesens ist das Buch deshalb auch vorwiegend, die [403] übrigen Seiten des öffentlichen Lebens kommen lange nicht in gleichem Maße zur Geltung. Die letzten Jahre sind nur flüchtig skizzirt; durch überflüssiges Heranziehen von allgemein Bekanntem und Zugänglichem und mangelndes Zusammenfassen der Dinge vorübergehender Bedeutung hat der Verfasser sich selbst den Raum verengt. Aber es bedarf der besonderen Hervorhebung, wie er bei aller Schärfe, mit der er den Gegnern ihre Sünden vorrückt, niemals versäumt, der eigenen Partei den Spiegel vorzuhalten und die Fehler nachzuweisen, deren sie sich schuldig gemacht hat. Nach dem Verfassungsbruch von 1837, den er als Jüngling erlebt und bekämpft hatte, ist er als Mann Zeuge des Verfassungsumsturzes von 1855 gewesen. Eine kampffrohe Natur, hat er es auch jetzt an unermüdlicher Befehdung der neuen Zustände nicht fehlen lassen. Seine Flugschrift: „Hie Welf!“ (Hamburg 1861), mag sie auch manches bloße Tagesgerücht in sich aufgenommen haben, hat den Uebermuth jener Jahre am schärfsten gegeißelt. Der von Rudolf v. Bennigsen geführten Partei, ihrer Erklärung vom 19. Juli 1859 für die preußische Hegemonie hat er sich von Anfang an angeschlossen und im Vorwort seines Buches: „Zur Geschichte des Königreichs Hannover“ (Bd. I. 1860) an die Worte Bülow-Cummerow’s erinnert, daß wenn die deutschen Staaten die freiwillige Verbindung mit Preußen versäumten, Umstände eintreten könnten, die Preußen zur zwangsweisen Herbeiführung einer Vereinigung nöthigten. Nach oben hin hat ihm solche Gesinnung keine Gunst eingetragen und König Georg V. ihm bei einem Feste, das er den Kammermitgliedern gab, den Titel eines schlechten Hannoveraners und schlechten Logenbruders nicht vorenthalten. Wie O. alle Phasen des vielgestaltigen hannoverschen Verfassungslebens litterarisch begleitet hatte, so ist seine Feder dann auch der Katastrophe von 1866 gefolgt. Die schon früher für die von Lammers redigirte „Zeit“ geschriebenen Hannoverschen Staatsbriefe wurden als „Trostbriefe für Hannover“ wiederabgedruckt und mit acht Postscripten, die neuesten Zustände betreffend, versehen (Hamburg 1867); Auerbach’s Volkskalender für 1868 veröffentlichte das „Tagebuch eines Annectirten“. Seinen letzten Lebensjahren fällt außer den Flugschriften: „Der Weg zum Jahre 1866“ und „Onno Klopps Auslegung des nicht angenommenen Briefes König Georgs V. an den König von Preußen“ (beides Berlin 1869) die Arbeit an dem neunbändigen Roman: „Hundert Jahre 1770–1870. Zeit- und Lebensbilder aus drei Generationen“ (Leipzig 1870) zu. Das Buch will die moderne Zeit- und Culturentwicklung an den Schicksalen einer Familie des hannoverschen Landes schildern, verbindet aber aus guten Quellen Geschöpftes und Selbsterlebtes mit erfundenen Elementen dergestalt, daß das Resultat weder Roman noch Geschichte ist und nur Verwirrung anrichten kann, wie denn in einer neueren Schrift über den Philosophen Krause der Göttinger Privatdocent Schulze des Romans bereits als eine historische Persönlichkeit figurirt. Oppermann’s große Arbeitskraft und Arbeitslust hat sich an dieser litterarisch-politischen Wirksamkeit nicht genügen lassen, ein von ihm redigirtes und geschriebenes Nienburger Wochenblatt und mannigfache juristische Schriftstellerei ist noch nebenher gegangen: für den praktischen Gebrauch hat er Ausgaben neuer Gesetze wie der bürgerlichen Proceßordnung von 1850 veranstaltet oder Verordnungen über das Meierrecht gesammelt oder für rechtshistorische Zwecke Mittheilungen aus Quellen gemacht, die ihm durch seinen Beruf zugänglich geworden waren, wie die Entscheidungen der Gogerichte und des Landgerichts Hoya, die in der Zeitschrift für deutsches Recht Bd. XI (Tüb. 1847) veröffentlicht worden sind. – Seit dem Herbst 1867 dem preußischen Abgeordnetenhause als Vertreter des Wahlkreises Dannenberg angehörig, hat er dieser neuen Thätigkeit mit altem Eifer obgelegen und zugleich von Berlin aus [404] seine umfangreiche Anwaltspraxis in der Heimath versorgt. Krank aus dem Abgeordnetenhause zurückgekehrt, starb O. zu Nienburg am 16. Febr. 1870.

Oppermann, Zur Gesch. des Königr. Hannover I, 138, 146, 222. 237; II, 8, 113, 243. – Zeitung für Norddeutschland, 1870, Nr. 6435 u. 6436. – K. Braun, Zur Erinnerung an den Abgeordneten Albert Oppermann (Preuß. Jahrb. XXV, 309.) – Unsere Zeit, N. F. Jg. VI (1870), 571 (viel Irrthümliches).