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Artikel „Neugeboren, Daniel Georg“ von Georg Daniel Teutsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 494–497, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Neugeboren,_Daniel&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 08:05 Uhr UTC)
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Neugeboren: Daniel Georg N., geb. in Hermannstadt am 21. September 1759, † am 11. Februar 1822 in Birthälm als Superintendent oder, nach der Sprache des Gesetzes, Bischof der evangelischen Landeskirche A. C. in Siebenbürgen. Sein Vater Kaspar Heinrich N. war in Quedlinburg geboren und hatte, auf der Wanderschaft nach Hermannstadt gekommen, als Gürtler hier Bürgerrecht erhalten und eine neue Heimath gefunden. Der Sohn, ursprünglich demselben Gewerbe bestimmt, kehrte, dem eigenen Zug seines Geistes und der dringenden Aufforderung seiner Lehrer folgend, bald an das Gymnasium seiner Vaterstadt zurück, wo er, von dem trefflichen Rector Jakob Aurelius Müller (s. A. D. B. XXII, 517) liebevoll gefördert, durch ausgezeichnete Anlagen und unermüdlichen Fleiß „selbst des höchsten Lobes nicht unwerth“ im April 1778 absolvirte. Der unmittelbar an seine Gymnasialstudien sich anschließende, bis December 1781 dauernde Aufenthalt Neugeboren’s im Hause des Oberstlieutenants v. Chernell in Bellovar in Kroatien, der ihm die Erziehung seines Sohnes übertragen, vertiefte die außergewöhnliche geistige und sittliche Reife des jungen Mannes, der zu Anfang des Jahre 1782 nach einem vierwöchentlichen Aufenthalt in Wien voll ernster Studienpläne die Universität Leipzig bezog. Hier, am 3. April 1782 immatriculirt, weilte er bis Februar 1784, insbesondere philologischen und theologischen Studien hingegeben und die Universitätsbibliothek eifrigst benützend, zugleich in persönlichem Verkehr mit bedeutenden Männern der Hochschule wachsend. Diese Lehr- und Lernjahre Neugeboren’s seit seinem Abgang vom Gymnasium sind zunächst bezeichnet durch die von ihm besorgte Herausgabe von Johann Bethlen’s Commentarii de rebus Transsilvanicis, proximis ab obitu Gabrielis Bethlenii triginta quatuor annis gestis, deren zwei Theile 1779 und 1780 bei Joseph v. Kurzböck in Wien erschienen. Die ursprünglichen Auflagen des genannten Werkes, das unter dem Titel: Rerum Transsilvanicarum libri quatuor (1629–63) in Hermannstadt 1663, in Amsterdam 1664 gedruckt worden, waren vollständig vergriffen; die neue Ausgabe des auf amtlichen Quellen [495] und eigenen Erlebnissen des hochgestellten Verfassers beruhenden Geschichtsbuches leitete N. mit einem biographischen und litterarhistorischen Vorwort ein – d. d. Bellovar, 1. Juni 1778, mit der Widmung des Werkes an Jakob Aurelius Müller – fügte an geeigneten Stellen ergänzende oder berichtigende Noten hinzu und vermehrte seine Brauchbarkeit durch eine eingehende Inhaltsanzeige. Während seiner Studienzeit in Leipzig erwarb N. mit seiner Arbeit „De gente Bathorea“ (Lipsjae 1783) den von der Jablonowsky’schen Gesellschaft hiefür ausgeschriebenen Preis; das 1829 in neuer Auflage erschienene Büchlein (35 S. in Quart) enthält die nach den damals zugänglichen Quellen dargestellte Genealogie des Hauses Bathori, dem u. a. mehrere siebenbürgische Fürsten entstammen. Am Schluß des Winters 1784 folgte N. dem Rufe, der von Hermannstadt an ihn ergangen und war vom November an als Lehrer am Gymnasium thätig, abwechselnd in den Fächern der Religion, der lateinischen und deutschen Sprache, der Mathematik und Philosophie verwendet. Vom November 1790 an leitete er als Rector die seit längerer Zeit in fröhlichem Aufstreben begriffene Anstalt, die seit dem Anfang der achtziger Jahre in dem neuen, eruditioni virtuti exemplis geweihten Schutzgebäude ein würdiges Heim gefunden hatte. Von Anfang an in jenem trefflichen Männerkreis, welchen Freiherr Samuel v. Brukenthal (s. A. D. B. III, 395) durch die Macht seiner edeln Persönlichkeit und seine reichen wissenschaftlichen Sammlungen um sich vereinigte, gehörte N. zur Zahl jener Muthigen, welche auch nach der mit Joseph II. beginnenden, die politisch-staatsrechtliche Stellung der sächsischen Nation zerschlagenden Revolution von oben das Vertrauen auf die Wiedergewinnung des alten Rechtes und die Zukunft dieses deutschen Volkes nicht verloren. Wie dieses in dem schweren Kampfe unverzagt mit den leuchtenden Waffen des Geistes stritt, so sahen sie in der auf dem Boden der deutschen Pädagogik stehenden Schule, in der Pflege der deutschen Wissenschaft unzerstörbare Grundlagen ihres weiteren nationalen Bestandes. Mit aus solchem Geiste ist die „Erste Anleitung zu der grammatikalischen Kenntniß der deutschen und der lateinischen Sprache“ (Donatus latino-germanicus) entstanden, welche N. zum Gebrauch der untersten Klassen des Hermannstädter Gymnasiums 1795 drucken ließ; die Anleitung zu der bei dem Unterricht zu befolgenden Methode, der gesammte weitere grammatikalische Stoff aus dem Gebiet der deutschen, dann der lateinischen Sprache steht auf der Höhe der damaligen deutschen Schulkunde und zeigt durchweg den denkenden erprobten praktischen Lehrer. Es ist an den siebenbürgisch-sächsischen Schulen zwei Menschenalter lang erfolgreich im Gebrauch gewesen. In dem Dienst desselben unterrichtlichen und erziehenden Gedankens stehen die von N. selbst, oder auf seine Veranlassung und unter seiner Mitwirkung verbessert herausgegebenen Langianischen Gespräche, ein neues A-B-C-Buch, ein kleineres und größeres Lesebuch, ein Büchlein für den Religionsunterricht, eine kürzere Bearbeitung des alten Orbis pictus, allerdings ohne Bilder, lateinisch, deutsch, magyarisch. Es sind Basedow-Rousseau’sche Gedanken, die in der sächsischen Schule Raum erhalten. Für die Wissenschaft war N. nicht nur dadurch thätig, daß er die reichen Schätze der Brukenthal’schen Sammlungen ordnen half und insbesondere in vortrefflicher Weise den Grund legte zu einem beschreibenden Katalog der ausgezeichneten Münzsammlung: er gehört auch zu den Gründern der ersten deutschen wissenschaftlichen Zeitschrift im Lande, der „Siebenbürgischen Quartalschrift“, deren erster Band 1790 bei Hochmeister in Hermannstadt erschien. Die einleitende Abhandlung „Ueber die Lage und Hindernisse der Schriftstellerei in Siebenbürgen“, Verhältnisse beleuchtend, die zum Theil heute noch drückend fortdauern, ist eine Arbeit seiner Hand. Anderes, so die „Uebersicht über die neueste Literatur“ (1, 82), der Auszug aus d’Anville’s Abhandlung „Von den Völkern, welche heutzutag das Trajanische Dacien bewohnen“ [496] zeigt nicht nur, wie heimisch N. auf jenen Gebieten war, in welch’ innigem Zusammenhang er namentlich mit dem geistigen Leben Deutschlands stand, sondern auch welch’ eine Freiheit und Tiefe des Urtheils ihm eigen. Auch an der 1790 nach Josephs II. Restitutionsedict bei der „Auflebung der für erloschen erklärten (sächsischen) Nation“ erschienenen Volksschrift „Die Siebenbürger Sachsen“, die in großen Zügen einer ernst ergreifenden geschichtlichen Darstellung das diesem zugefügte Unrecht darlegt und durch die reinigende Freude: „Heil uns, wir sind wieder ein Volk; die Auferstehung verherrlicht jedes Samenkorn, das in der Erde erstorben war, möchte auch unser Volk herrlicher wieder aufleben, als es erloschen“, die Volksseele für alle Zukunft kräftigen will, hat N. seinen Antheil. Bei der Drucklegung des neuen Hermannstädter Gesangbuches (1791–93) half N. gleichfalls mit; nach Einigen soll die mit demselben herausgegebene Sammlung von Gebeten ihn zum Verfasser haben. Nach fast neunjährigem, überaus fruchtbarem Rectorat, unter dem die Gymnasialbibliothek in neue Ordnung gebracht, das Münz- und Naturaliencabinet, sowie die Sammlung der mathematischen Instrumente vermehrt, eine eingehende Anweisung für Gang und Methode des Unterrichts und die disciplinarisch-erziehliche Behandlung der Schulen gegeben, für die künftigen Dorfschullehrer und Prediger eine eigene grammatikalische und homiletische Classe, schon mit dem Gedanken zugleich einer Art Uebungsschule, errichtet worden war, – alles wesentlich aus der Initiative und durch den zielbewußten Eifer Neugeboren’s, folgte der 40jährige Mann dem an ihn ergangenen Ruf in die Pfarre nach Reußmarkt (August 1799), woher ihn im October 1805 Mühlbach zum Stadtpfarrer berief; nach dem Tod seines geliebten Lehrers Jakob Aurelius Müller wählte ihn die Synode zum Superintendenten (17. Decimber 1806) und damit die Marktgemeinde Birthälm zum Pfarrer. Hier erwarteten ihn neue große Aufgaben. Trotz des 13. siebenbürgischen Gesetzartikels von 1791, welcher die alt-gesetzliche Verfassung der sächsischen Nation auch für die Zukunft gewährleistete und in dem, mit dem Leopoldinischen Diplom übereinstimmenden Stand aufrecht erhielt, änderte die ganz absolutistisch verfahrende Regierung durch die sogenannten Regulativpunkte eigenmächtig dieselbe, wodurch auch die kirchliche Ordnung vielfach ins Schwanken kam. Nach mehrseitigem Anstoß legte das evangelische Oberconsistorium im December 1800 den Entwurf einer Verfassungsacte vor, an dessen Abfassung N. im Auftrag des Superintendenten Müller wesentlichen Antheil gewonnen hatte; daraus ist die „Allerhöchst genehmigte Vorschrift für die Consistorien der Augsburgischen Confessionsverwandten in Siebenbürgen“ erwachsen, welche 1817 von Wien für diese herabgegeben wurde. Die auf dem Boden derselben 1818 vom Oberconsistorium herausgegebenen Instructionen für die Domestical- und Localconsistorien sind das Werk Neugeboren’s, ebenso die 1818 erlassene Kirchenvisitationsordnung. Die im Anschluß an diese in demselben Jahr veröffentlichten Visitationsartikel, welche nach dem Vorbild der ähnlichen Artikel aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert, doch dem geänderten Bedürfniß entsprechend, zur Erhaltung der guten Ordnung in allen Stücken eine ausführliche Belehrung über die Rechte und Pflichten des Lehrstandes und der Verwalter des Kirchengutes, dann über die Ordnung des öffentlichen Lebenswandels enthalten, verdankt die Kirche gleichfalls wesentlich seiner ernsten pflichttreuen Arbeit; die kirchliche Oberbehörde hat an allen diesen Acten bei der endgültigen Schlußfassung darüber im Ganzen wenig Aenderungen vorgenommen. In seine Amtsverwaltung fällt endlich die neue „Candidations- und Wahlnorm für die Pfarrerswahlen“, welche mit Hofdecret vom 4. September 1818 nicht ohne mannigfache Aenderungen der Vorlage genehmigt wurde, Aenderungen, deren Vornahme allerdings mit den alten Religionargesetzen des Landes nicht im Einklang stand, über die aber die [497] Regierung sich damals allen Kirchen gegenüber ohne Bedenken hinaussetzte. Eine der letzten Arbeiten Neugeboren’s war der Plan zur gleichmäßigen Einrichtung der evangelischen Dorfschulen (1821); er ist fast zwei Menschenalter lang in Geltung und Wirksamkeit geblieben. In Birthälm gestaltete er opferwillig den Pfarrhof zu einem würdigen Sitz der Superintendentur um, führte ein neues Archivgebäude auf und legte den Grund zur besseren Ordnung der reichen, dahin gehörigen Schätze. Auch für die Erhaltung der Pfarrarchive wurde ernste Sorge getragen; für die Regelung des Eheproceßverfahrens ist N. organisatorisch thätig gewesen. Die würdige Feier des dritten Säcularfestes der Reformation (1817) in der gesammten Landeskirche ist gleichfalls sein großes Verdienst; die Erlaubniß dazu hatte er von dem in jenem Jahr das Land bereisenden Kaiser Franz in besonderer Audienz erwirkt. Eine ganze reiche Lebensarbeit auf dem Gebiet der Schule, der Wissenschaft, der Kirche, die den Besten ihrer Zeit genug gethan, sichert so der Persönlichkeit Neugeboren’s in allen Kreisen, die am deutschen Leid und Streben im fernen Südostkarpatenlande Antheil nehmen, auch heute noch dauernde Theilnahme.

Jos. Trausch, Schriftstellerlexikon der Siebenbürger Deutschen, III, Kronstadt 1871. – H. Neugeboren, Daniel Georg Neugeboren im Archiv des Vereins für siebenb. Landeskunde, IV, 296 – Fr. Teutsch, Geschichte des evang. Gymn. A. B. in Hermannstadt im Archiv des Vereins für siebenb. Landeskunde, XV, 364 ff. Dazu noch benützt das Archiv der evang. Landeskirche.