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Artikel „Netscher, Kaspar“ von Joseph Eduard Wessely in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 456–457, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Netscher,_Kaspar&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 00:18 Uhr UTC)
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Netscher: Kaspar N., ein geschätzter Genre- und Bildnißmaler, geb. zu Heidelberg 1639, † im Haag am 15. Januar 1684. Seine Mutter war die Tochter des Heidelberger Bürgermeisters Vetter, welche den Bildhauer Joh. Netscher aus Stuttgart gegen den Willen der Eltern ehelichte, der sie nach einigen Jahren als Wittwe mit vier Kindern zurückließ. Von diesen war Kaspar das jüngste. Da sie die Gunst der Eltern verloren hatte und auch der Krieg ausbrach, verließ sie Heidelberg und floh in ein Schloß, in dem sie eine Belagerung und deren Gräuel aushielt. In der entstandenen Hungersnoth verlor sie zwei Kinder, mit den andern floh sie glücklich nach Arnheim, wo sich der reiche Dr. Tullekens des Kaspar annahm, ihn später studiren ließ, damit er sich zum Arzt heranbilde. Aber Kaspar hatte nur Sinn für Zeichnen und Malen, weshalb ihn Tullekens zuerst in die Schule des Koster, der todte Natur malte, gab; später war er so glücklich, zum berühmten Terborch in die Lehre zu kommen, der zugleich Bürgermeister in Deventer war. Er machte erstaunliche Fortschritte bei diesem Meister, und Houbraken bemerkt insbesondere, daß er diesem die Kunst, den Seidenstoff dünn und hell zu malen, abgesehen habe. Als er auf eigenen Füßen stand, ging er nach Holland, wo er den erhofften Gewinn für seine Bilder nicht fand. Er schob die Schuld auf die Kunsthändler (Houbraken nennt sie „Keelbeulen“, Kehlabschneider), die billig kaufen und theuer verkaufen wollen. Der Meister faßte deshalb den Entschluß, Rom zu besuchen. Er reiste über Frankreich und kam nach Bordeaux, wo er 1659 die Tochter des Mechanikers Godyn aus Lüttich heirathete und sich daselbst niederließ. So wurde die italienische Reise zu Wasser. Da in Bordeaux die Protestanten verfolgt wurden, so kehrte N. nach Holland zurück und ließ sich im Haag häuslich nieder. Hier malte er verschiedene bedeutende Bilder. Da er aber sah, daß sich durch reichen Kindersegen die Bedürfnisse der Familie mehrten und die Genremalerei nicht viel abwarf, verlegte er sich aufs Porträtiren. Er malte im Haag, wie Houbraken sagt, alle Potentaten, die dahin kamen, was seine Börse füllte und den Ruhm seines Namens ausbreitete. In Folge dessen wünschte ihn Karl II. von England an seinen Hof zu ziehen, aber vergeblich. N. liebte die Ruhe und scheute sich vor dem Hofleben. Im Genre- und Porträtfache lehnt sich N. an seine nächsten ruhmvollen Vorgänger Terborch, Metsu und Mieris würdig an; er ist der zuletzt leuchtende Stern dieses Kreises, denn nach seinem Tode verfiel die Kunst immer mehr. Im Genre bewegte sich der Künstler vorzüglich in eleganten Kreisen, und selbst die Stoffe, die er dem Landleben entlehnt, verklärt er zu idealen Pastoralen. Letzteres ist an dem fein gemalten Bilde des Museums zu Braunschweig (Schäfer und Schäferin, vom J. 1683), am Schäferstück in München, am Vertumnus und Pomona in Berlin (beide von 1681) u. a. m. wahrzunehmen. Auch einige mythologische oder historische Bilder [457] sind nachzuweisen, wie Bathseba, Kleopatra, Nymphen etc. Neue Richtungen hat N. in der Kunst nicht eingeschlagen, aber die gewählte ruhmvoll ausgefüllt und der Glanz, der seinen Farben innewohnt (angeblich ein Geheimmittel seines Firnisses) wird seine Bilder stets frisch erhalten und sich Freunde erwerben. Smith beschreibt an 81 Bilder von ihm, die in den verschiedensten Sammlungen zerstreut sind. Die meisten (10 Stück) besitzt das Museum zu Dresden, mit Ausnahme eines Porträts (der Montespan) durchweg fleißig durchgeführte Conversationsstücke, vielfach Musikunterhaltungen. Bei dem geschilderten Charakter der Bilder ist es nicht zu verwundern, daß diese von den besten Kupferstechern zur Wiedergabe auf der Kupferplatte gewählt wurden. Außer den Genrebildern, wie sie P. Audouin, J. Bernard, Chereau, Dugoure, Krüger, J. Verkolje, J. Watson, J. G. Wille geschaffen haben, sind auch einzelne Bildnisse hervorzuheben, so des Künstlers Familienbild von F. A. David, Const. Hughens von A. Blooteling, Jakob v. Monmouth zu Pferde von Capt. Baillie, Eigenbildniß des Meisters mit der Palette von W. Vaillant u. a. In gestochenen oder lithographirten Galeriewerken kommen auch Blätter nach N. vor. Zwei Söhne, von neun Kindern des Meisters, wurden auch Maler: Theodor, geb. in Bordeaux 1661, und Constantin, geb. im Haag 1670. Sie traten in die Fußstapfen ihres Vaters, ohne ihn jedoch zu erreichen.

Houbraken. – J. Smith, A Catalogue. – Kramm.