ADB:Natzmer, Dubislaw Gneomar von

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Artikel „Natzmer, Dubislaw Gneomar von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 288–290, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Natzmer,_Dubislaw_Gneomar_von&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 12:00 Uhr UTC)
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Natzmer: Dubislaw Gneomar v. N., preußischer Generalfeldmarschall, wurde am 14. September 1654 zu Gutzmin im pommerschen Kreise Schlawe geboren und im Hause des Generalfeldzeugmeisters Graf zu Dohna, welcher Gouverneur zu Küstrin war, mit dessen Söhnen erzogen. In Dohnas Gefolge machte er seinen ersten Feldzug, den von 1672 am Oberrhein, mit. Dadurch [289] bekam er Geschmack am Soldatenstande, für welchen bereits der ihm gewordene Unterricht ihn vorbereitet hatte. Er ließ sich 1673 für holländische Dienste anwerben, gerieth aber schon 1674 in französische Gefangenschaft und trat, um sich aus dieser zu befreien, als Reiter in ein dortiges Cavallerieregiment, nahm bald wieder seinen Abschied und kehrte nach Holland zurück, wo er als Pikenier beim Regiment Nassau eintrat, aber bald Officier wurde. 1676 wurde er bei der Belagerung von Mastricht als Ingenieur gebraucht. Noch in demselben Jahre ging er auf Urlaub nach Deutschland, nahm in Holland seinen Abschied und ward als Lieutenant beim Grumbkow’schen Dragonerregiment angestellt. Der Krieg mit Schweden gab ihm bald Gelegenheit sich auszuzeichnen. Bei der Landung auf Rügen im J. 1678 zog er Derfflinger’s Aufmerksamkeit auf sich, welcher ihn als Ordonnanzofficier zu sich befahl, dann nahm er an dem Winterfeldzuge in Preußen theil. Auch der Große Kurfürst war ihm gewogen, 1680 ernannte er ihn bei der Musterung zum Stabshauptmann, 1682 zum Kammerjunker, zugleich gab er ihm Erlaubniß auf Reisen zu gehen, von denen ihn 1683 die Nachricht zurückrief, daß er zum Compagniechef befördert sei. 1685 machte er als Volontär den Türkenkrieg in Ungarn mit und wohnte den Belagerungen von Gran und Neuhäusel bei, 1686 focht er auf demselben Kriegsschauplatze mit den brandenburgischen Truppen, unter Schöning half er Ofen stürmen. Nach der Rückkehr ernannte der Große Kurfürst ihn zum Generaladjutanten. Der Nachfolger desselben, Kurfürst Friedrich III., der nachmalige erste König von Preußen, bewies N. die gleiche Gunst wie sein Vater. Zunächst ertheilte er ihm den Auftrag, aus deutschen Edelleuten eine Compagnie deutscher Grands-Mousquetaires zu errichten, zu deren Commandeur er ihn ernannte. Dann gab er ihn dem Obermarschall von Grumbkow bei, welchen er aus Anlaß der Thronbesteigung König Wilhelm’s III. nach England sandte. Auf der Fahrt dahin ward er von einem französischen Kaper aufgegriffen, entwischte aus der Gefangenschaft zu Dünkirchen und konnte noch in demselben Jahre den Kurfürsten in den Feldzug am Rhein begleiten, wo er die Belagerungen von Kaiserswerth und von Bonn mitmachte; bei ersterer Gelegenheit sowol, wie beim Sturme auf letztere Stadt wurde er verwundet; bald nachher, am 10. October 1689, wurde er Oberst. An den nachfolgenden Feldzügen des dritten Raubkrieges nahm er in verschiedenen Stellungen, als Generaladjutant, als Freiwilliger und an der Spitze seiner Grands-Mousquetaires oder der laut Capitulation vom 10. December 1691 von ihm errichteten Gensd’armes, sowie der 1695 ihm gleichfalls unterste1lten, aus adeligen Flüchtlingen gebildeten französischen Grands-Mousquetaires und der Grenadiere zu Pferde theil. Die Formation einer Schwadron Gensd’armes war ihm aufgetragen, als er nicht vermochte seine deutschen Grands-Mousquetaires, welche große Verluste erlitten hatten, vollzählig zu erhalten. Die bald vermehrten Gensd’armes waren das später so bekannt gewordene Reiterregiment dieses Namens; die französischen Grands-Mousquetaires wurden bald nach Friedensschluß aufgelöst, weil sie sich der von N. geforderten Disciplin nicht fügen wollten. Wie sehr er bei seinem Fürsten in Gnaden stand, beweist die Verleihung eines Canonicats und verschiedener Amtshauptmannschaften, seit 1696 war er General. Am spanischen Erbfolgekriege war R. zunächst wieder als Freiwilliger betheiligt, 1703 aber erhielt er das Commando der Reiterei bei den 6000 Preußen, welche Leopold von Dessau an die Donau führte. Er gerieth hier bei einem Gefechte am Schwemminger Bache in baierische Gefangenschaft, aus welcher er indeß bald wieder entlassen wurde. Vor der Schlacht bei Höchstädt am 13. August des folgenden Jahres begleitete er die beiden Feldherren, Eugen von Savoyen und Marlborough, bei der Recognoscirung des Schlachtfeldes; er commandirte 23 Schwadronen Reservecavallerie; [290] beim ersten Angriff derselben, wo Marlborough selbst sich an die Spitze stellte, wurde er durch die Brust geschossen, konnte aber noch im Herbst an der Belagerung von Landau theilnehmen. 1705 diente er im Elsaß, 1707 befehligte er ein preußisches Corps am Rhein und 1708 focht er bei Oudenarde, wo seine ungestüme Tapferkeit ihm an der Spitze seiner Gensd’armen zu einer glücklichen Attacke verhalf, ihn aber auch in große Gefahr brachte; mehrfach verwundet entging er mit genauer Noth der Gefangenschaft. – 1709 führte er in Abwesenheit des Grafen Lottum das Commando über die preußischen Truppen in den Niederlanden und wohnte der Schlacht bei Malplaquet bei. Auch während der letzten drei Feldzüge von 1710–1712, wo der Krieg immer lahmer geführt wurde, befand er sich bei der Armee. Bei den organisatorischen Aenderungen, welche nach Friedensschluß im Heerwesen vorgenommen wurden, war sein Hauptbestreben dahin gerichtet, daß seine Gensd’armen bestehen blieben; es gelang ihm dies so sehr, daß sie endlich, nachdem die Garde du Corps dazu gestoßen war, 1714 zu einem vollständigen Regimente wurden; N. verwendete auf dasselbe große Summen. Im nämlichen Jahre erhielt er den Schwarzen Adlerorden. Der pommersche Krieg vom Jahre 1715 war der letzte von den vielen Feldzügen, welche N. mitgemacht hat; von seinen 66 Dienstjahren hat er 31 im Felde verlebt. König Friedrich Wilhelm I. erwies sich N. als ebenso wohl gewogen wie seine beiden Vorgänger ihm gewesen waren und zeitlebens stand er bei diesem in hoher Gunst und Ansehen. Als „der entlaufene Oberstlieutenant Fritz“ des Königs ganzen Zorn erregt hatte und es sich darum handelte, ob der Thronerbe wie ein einfacher Soldat kriegsgerichtlich abgeurtheilt und abgestraft werden solle, war N. einer von den hohen Generalen, welche sich für diesen verwandten und deren eindringlichen Vorstellungen es zu danken war, daß der Kriegsherr der Stimme des Königs und des Vaters Gehör gab; als der Kronprinz in Küstrin lebte, war einer von Natzmer’s beiden Söhnen, welcher damals bei der dortigen Kammer angestellt war, sein Kavalier und Gesellschafter, an ihn ist Friedrich’s Aufsatz über Preußens Lage in Europa gerichtet. – Auf die Weiterentwicke1ung und die Ausbildung der Waffe, welcher er selbst angehörte, einzuwirken vermochte N. nicht; die preußische Reiterei verfiel; der Einfluß des alten Dessauer, welcher nur den Infanteristen als Soldaten gelten lassen mochte, war zu mächtig und eine dienstliche Stellung, welche ihm eine Handhabe hätte bieten können, nahm N. nicht ein. – Er war ein frommer, biederer Mann, der das Wohlthun liebte, ein Freund von Canstein, Francke und Spener; durch seine Ehe mit einer Gräfin Zinzendorf ward er Stiefvater des Stifters der Herrenhuter; seine eigenen Söhne starben vor ihm. Sein Biograph Schöning sagt mit Recht, daß er sein Aufsteigen zu den höchsten Ehrenstellen und seinen Ruhm nicht großen, von ihm selbst geleiteten Operationen zu danken gehabt habe, sondern seiner treuen Hingebung an seine Pflicht und seiner unerschütterlichen Tapferkeit; seinem Monarchen sei er in Krieg und Frieden eine stets zuverlässige und hülfreiche Stütze gewesen. Vor dem Könige starb er am 15. Mai 1739 zu Berlin. „Des Generalfeldmarschalls Dubislaw Gneomar von Natzmer Leben und Kriegsthaten mit den Hauptbegebenheiten des von ihm errichteten und 48 Jahre als Commandeur en Chef geführten Garde-Reuter-Regiments Gensd’armes“ gab auf Grund eines von N. geführten Tagebuches K. W. von Schöning, Berlin 1838, heraus. Dieses Tagebuch, welches N. als 68jähriger Mann niedergeschrieben hat, ist von Gräfin Eufemia Ballestrem in der ursprünglichen Fassung unter dem Titel „Memoiren etc.“, mit „Erläuterungen“ versehen (Berlin 1881), veröffentlicht worden; es reicht bis zum Jahre 1713.