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Artikel „Muskatblut“ von Karl Bartsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 99–101, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Muskatbl%C3%BCt&oldid=- (Version vom 15. Oktober 2024, 03:20 Uhr UTC)
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Muskatblut, Meistersänger des 15. Jahrhunderts; die späteren Meistersänger geben ihm den Vornamen Hans, was jedoch durch die Handschriften keine Begründung findet. Die Sprache seiner Gedichte weist auf Baiern als seine Heimath hin. Er scheint sich an den Höfen verschiedener Fürsten aufgehalten zu haben, wenigstens deutet der etwas spätere Michel Beheim an, daß von Fürsten und Herren seine Gedichte geschätzt worden seien. Die ältesten datirbaren Gedichte fallen in das Jahr 1415, das späteste, in welchem er sich auf die Wahl Albrechts II. zum deutschen König bezieht, ist nach 1437 entstanden. Ein beträchtlicher Theil seiner Gedichte ist geistlichen Inhalts, hauptsächlich dem Lobe [100] der Jungfrau Maria gewidmet, wobei er in künstlicher Form die im Mittelalter üblichen mystischen und allegorischen Bilder braucht, wie er auch dem Geheimniß der Dreieinigkeit in ähnlicher Weise beizukommen sucht. Das seit dem 14. Jahrhundert in Poesie und darstellender Kunst beliebte Bild von der geistlichen Mühle hat er ebenfalls angewendet. Der Zusammenhang zwischen geistlicher und weltlicher Lyrik bekundet sich in seinen geistlichen Liedern darin, daß er im Eingang derselben oft mit Naturschilderungen beginnt, was von Alters her im weltlichen Liede gebräuchlich war. Manche zeugen von inniger Empfindung wie Nr. 18 der Grooteschen Ausgabe, worin er einen Rückblick auf sein hinter ihm liegendes Leben wirft, die Vergeudung seiner Tage beklagt und sich dem Schutze der heil. Jungfrau anempfiehlt, die an ihrer Hand ihn auf der Fahrt in das fremde Land, dessen Wege ihm unbekannt sind, geleiten möge. Da er in diesem vor 1433 entstandenen Liede sich schon als einen Mann mit grauem Haar und gebogenem Rücken bezeichnet, so werden wir seine Geburtszeit etwa um 1370 und den Anfang seiner dichterischen Thätigkeit spätestens um 1400 zu setzen haben. Seine Minnelieder sind, wie dies bei den Meistersängern fast immer der Fall, dem Lobe der Frauen und der Verherrlichung der Minne im allgemeinen gewidmet und drücken kein persönliches Liebesgefühl aus. Seine Hochachtung vor dem weiblichen Geschlechte verdient hervorgehoben zu werden. Von besonderem Interesse sind die zahlreichen auf geschichtliche und culturhistorische Verhältnisse der Zeit sich beziehenden Gedichte. Hier tritt ein muthiger unerschrockener Sinn zu Tage, indem er auch die Fürsten und Adligen wegen ihres lasterhaften und sündigen Lebens nicht schont. Ebenso sagt er der Geistlichkeit derb die Wahrheit und warnt die Frauen und Mädchen davor, sich mit Pfaffen einzulassen. Mitunter, doch nicht häufig, zeigt sich eine humoristische Ader; so wenn er in einem Liede die Zustände der Welt als vortrefflich schildert: man findet keinen Wucher mehr, die Mönche sind halbe Heilige, die Fürsten und Herren hören nicht auf Lügner und Schmeichler, Ritter und Knechte halten ihren Orden ein, aller Straßenraub ist abgethan, man hört nicht mehr von Ehebruch, die Richter lassen sich nicht bestechen, alle Handwerker sind treu und zuverlässig - bis die Schlußworte „O Muscatblut, wie sehr hast du gelogen!“ den wahren Sinn der Schilderung lehren, zu welcher ein anderes Lied mit dem Schlusse „Ach Muscatblut, wie wahr hast du gesungen!“ den Gegensatz bietet. In mehreren Liedern beschäftigt er sich mit den hussitischen Streitigkeiten und zeigt hier eine streng orthodoxe Gesinnung, infolge deren er mit der Verbrennung Hussens ganz einverstanden ist und den Wunsch ausspricht, auch seine Anhänger, die ungebratenen Gänslein (wortspielend mit Huß = Gans) möchten gebraten werden. Bei den Meistersängern späterer Zeit war er hoch geschätzt, und schon Michel Beheim wünscht sich nichts höheres, als die gleiche Anerkennung mit seinen Gedichten zu finden. Auch Cyr. Spangenberg (von der Musica S. 134,) gefiel M. unter allen Meistersängern am besten. M. hat die Eigenthümlichkeit, daß er in der Schlußstrophe immer seinen Namen nennt, wodurch die Echtheit seiner Lieder gesichert ist, und Nachahmungen späterer Meistersänger in Muskatblut’s Tönen können dadurch als solche erkannt werden. Die von ihm hauptsächlich gebrauchten Töne sind der Hofton, auch der alte Ton genannt, und der neue Ton; beide sind sehr künstlich in der Form und daraus erklärt sich die zum Theil recht gekünstelte und gezierte Ausdrucksweise seiner Gedichte.

Eine (jedoch nicht vollständige) Ausgabe seiner Werke lieferte E. v. Groote: „Lieder Muscatblut’s, erster Druck“ (Köln 1852), nach einer in seinem Besitz befindlichen Handschrift in trierischem Dialect, die daher die ursprüngliche Sprache des Dichters nicht darstellt. Zahlreiche Lieder von ihm enthält auch die Kolmarer Handschrift (Bartsch S. 185) und andere Handschriften von Meisterliedern. [101] Seine geistlichen Gedichte stehen bei Ph. Wackernagel, Das deutsche Kirchenlied 2, 487 ff. Eine Darstellung von Muskatblut’s Sprache lieferte A. Puls: „Untersuchung über die Lautlere der Lieder Muscatblüt’s“ (Kieler Dissert.), Hirschberg i. Schl. 1881, der auch eine Uebersicht sämmtlicher Handschriften und Drucke giebt.