ADB:Moritz (französischer Feldmarschall)

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Moritz, Graf von Sachsen“ von Heinrich Theodor Flathe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 305–307, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Moritz_(franz%C3%B6sischer_Feldmarschall)&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 06:11 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Moritz, Josef
Band 22 (1885), S. 305–307 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Moritz von Sachsen (1696–1750) in der Wikipedia
Moritz von Sachsen in Wikidata
GND-Nummer 118584146
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|22|305|307|Moritz, Graf von Sachsen|Heinrich Theodor Flathe|ADB:Moritz (französischer Feldmarschall)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118584146}}    

Moritz, Graf von Sachsen, Marschall von Frankreich, der natürliche Sohn des Kurfürsten von Sachsen und Königs von Polen, Augusts des Starken, von der schönen Aurora von Königsmark, geb. am 28. Oct. 1696 zu Goslar, als sich bereits das Herzensverhältniß des Kurfürsten zu seiner Mutter gelöst hatte. Seine ersten Jahre verlebte er theils in Hamburg und Berlin, theils in Breslau, in dessen Nähe seine Mutter sich angekauft hatte. 1704 schickte ihn sein Vater nach Holland. Als 13jährigen Knaben nahm er ihn in das sächsische Heer auf, welches Graf Schulenburg 1709 nach den Niederlanden führte; unter dessen Obhut wohnte er 1710 den Belagerungen von Douay, Bethune und Aire bei. Was französische Schriftsteller zu der Zeit, wo er der Held Frankreichs war, von Heldenthaten des Knaben berichten, gehört in das Bereich der Erfindung. Nach seiner Rückkehr aus diesem seinem ersten Feldzuge erkannte ihn der König auf Bitten Auroras als seinen legitimirten Sohn an und schenkte ihm das Rittergut Sköhlen, jedoch ist die Angabe, daß er anfänglich den Namen „Graf von der Raute“ erhalten, ebensowenig nachweisbar wie die Zeit, von wo an er den Namen „Graf von Sachsen“ geführt hat. 1711 begleitete er seinen Vater auf dem Feldzuge in Pommern, 1713 ging er mit dem ihm von demselben verliehenen Regimente nach Polen. Zur Verbesserung seiner Vermögensumstände wurde er am 12. März 1714 mit der reichen Erbin Johanna Victoria Tugendreich von Löben vermählt. die ihm am 12. Januar 1715 einen – bald wieder verstorbenen – Sohn gebar; doch wurde die durch beiderseitige Schuld unglückliche Ehe 1721 geschieden. Die Gräfin heirathete später einen Herrn v. Runkel. 1716 und 1717 nahm M. an dem Kriege gegen die Türken in Ungarn theil. Um ihm eine glänzendere Laufbahn zu eröffnen, bewog ihn sein Vater, 1720 [306] nach Frankreich zu gehen und von da an wurde er seinem Vaterlande entfremdet. Der Regent ernannte ihn am 7. August 1720 zum Maréchal du camp, M. kaufte sich ein Regiment, bald jedoch stürzte er sich in ein anderes Abenteuer. Er hoffte durch die Hand der verwittweten Herzogin Anna von Kurland, nach dem Erlöschen des Kettler’schen Stammes, dieses Herzogthum zu gewinnen. Unter dem Vorwande die Ansprüche seiner Mutter auf die Insel Moen geltend zu machen, begab er sich nach Mitau, Anna fand an dem schönen Manne Gefallen, seine pariser Geliebte, die Schauspielerin Adrienne Lecouvreur, opferte ihr Vermögen für ihn, auch andere Damen halfen, und am 28. Juni 1726 wurde er vom Landtage einstimmig zum Nachfolger des kinderlosen Herzogs Ferdinand gewählt. Allein Rußland erkannte die Wahl nicht an; Mentschikoff, der selbst nach dem kurischen Herzogshute strebte, kam persönlich mit bewaffneter Begleitung nach Mitau und suchte, wiewol vergeblich, M. zum Verzicht zu bewegen. Ebenso erklärte der polnische Reichstag, der Kurland als heimfallendes Lehen ansah, die Wahl für verfassungswidrig und ungiltig, Moritz’ eigner Vater mußte ihm den Befehl ertheilen, Kurland zu verlassen. Auch in Petersburg, wo Lefort nebenbei eine zweite Intrigue behufs Moritz’ Vermählung mit Peters des Großen Tochter Elisabeth eingefädelt hatte, trat plötzlich ein Umschwung zu seinen Ungunsten ein, wahrscheinlich, weil er Annas Eifersucht durch andere Liebesabentener erregt hatte. M. wurde durch den Einmarsch eines russischen Corps gezwungen, Kurland zu verlassen, und das ganze Ergebniß dieses Abenteuers bestand in einer Vermehrung seiner Schulden und späterhin in einer zeitweiligen Spannung mit seinem Halbbruder Friedrich August II., weil dieser bei seiner Bewerbung um die polnische Krone Moritz’ Ansprüche auf Kurland unbeachtet gelassen hatte. M. lebte seitdem abwechselnd in Paris und Dresden. In dieser Zeit, 1732, verfaßte er in dreizehn schlaflosen Nächten seine berühmte Schrift „Mes rèveries“, in der er neue und kühne Ansichten über die Kriegswissenschaft niederlegte. Der polnische Successionskrieg rief ihn wieder zum Waffendienst; er wurde dem Corps zugewiesen, das unter dem Marschall von Berwick über den Rhein ging und im August 1734 zum Generalleutnant ernannt. Der Ausbruch des österreichischen Erbfolgekriegs erfüllte ihn mit neuer Hoffnung, daß in dem allgemeinen Wirrwarr auch für ihn etwas abfallen werde. Nachdem Brühl sein Anerbieten, den Oberbefehl über das sächsische Heer zu übernehmen, zurückgewiesen hatte, betheiligte er sich an der Spitze seiner Division an dem Feldzuge des Kurfürsten von Baiern. Die unter seiner persönlichen Anführung vollbrachte Erstürmung von Prag war die erste große und glänzende Waffenthat, durch die er seinen Ruhm begründete. Im April 1742 nöthigte er an Stelle des erkrankten Leuville das belagerte Eger zur Ergebung. Die noch immer festgehaltene und von dem französischen Gesandten la Chetardie genährte Hoffnung auf Kurland, verlockte ihn zu einer vergeblichen Reise nach Rußland. Nach seiner Rückkehr befehligte er unter Maillebois, Broglie und Noailles mit solcher Auszeichnung, daß er, obgleich Ausländer und Protestant, am 26. März 1744 mit Ueberspringung von acht älteren Generalen zum Marschall von Frankreich ernannt wurde. Er führte als solcher einen Theil der in Flandern operirenden Armee, aber schon jetzt machten sich die Anzeichen der Wassersucht bei ihm bemerkbar. Der niederländische Feldzug von 1745–1747 gab ihm die Gelegenheit zur vollen Entfaltung seines Feldherrngenies. Er zuerst verstand es, das durch schlechte Führung und Mißerfolge herabgekommene Heer mit Selbstvertrauen und Begeisterung zu erfüllen und die dem französischen Soldaten eigenthümlichen Vorzüge zu wecken und zu benutzen. Friedrich der Große nannte ihn deshalb den Turenne des 18. Jahrhunderts. Die von Noailles bereits verloren gegebene Schlacht bei Fontenay, 11. Mai 1745, entschied er [307] in Gegenwart Ludwigs XV. zu Gunsten der Franzosen. Der Fall der meisten Festungen, welche die erste Vetrheidigungslinie der Niederlande bildeten, war der Preis des Sieges. Nach der Einnahme von Namur erfocht er, am 11. October 1746, über Karl von Lothringen den glänzenden Sieg bei Raucoux; den Abend vorher hatte er die Schlacht von dem Theater, das er sich unter Favarts Leitung im Lager eingerichtet hatte, ankündigen lassen. Hohe Ehren wurden dem Wiederhersteller der französischen Waffenehre zu theil. Der König schenkte ihm die Herrschaft Chambord. Aber mit der Gunst, die er bei diesem und dem Volke genoß, stiegen auch der Neid und die Cabalen seiner Gegner. Er erfuhr die Kränkung, daß sein persönlicher Feind, der unfähige Prinz von Conti, auf Betrieb des Kriegsministers d’Argenson, zum Oberbefehlshaber sämmtlicher königlicher Truppen ernannt wurde, doch versüßte ihm der König dieselbe durch seine Erhebung zur Würde eines Maréchal général, am 12. Jan. 1747, derselben, die Turenne bekleidet hatte, ohne daß M. sich, wie jener, dadurch zur Verleugnung seines Glaubens bestimmen ließ. Vor Erneuerung des Feldzugs hatte er die junge sächsische Prinzeß Marie Josephe zu empfangen, deren Bermählung mit dem verwittweten Dauphin hauptsächlich sein Werk war und der er sich als väterlicher Freund erwies. Bei Laffeld war Ludwig XV. am 2. Juli 1747 abermals Zeuge von Moritz’ Siege über den Herzog von Cumberland und nunmehr setzte M. seine Ernennung zum Statthalter der eroberten Niederlande durch. Der Vorwurf der Habsucht, mit der er dieses Land ausgesogen habe, traf ihn vielleicht mit mehr Grund als der, den Krieg durch unterlassene Benutzung seiner Siege absichtlich verlängert zu haben; vielmehr arbeitete er im Einverständniß mit Noailles an d’Argenson’s Sturz um den Frieden mit Oesterreich möglich zu machen; nur erfüllten ihn die für Frankreich unrühmlichen Bedingungen des Aachener Friedens, dessen Präliminarien unterzeichnet wurden, bevor sich ihm, am 7. Mai 1748, das belagerte Mastricht ergab, mit Schmerz und Unwillen. Mit diesem Frieden trat M. ins Privatleben zurück. Er hielt sich, umgeben von fürstlicher Pracht, größtentheils zu Chambord auf, wo auch das Ulanenregiment stand, zu dessen Errichtung ihm der König die Erlaubniß ertheilt hatte. Noch immer aber beschäftigten allerhand abenteuerliche Projecte, selbst eine Eroberung von Madagascar, seinen unruhigen Geist, bis ein durch Ausschweifungen beschleunigter Tod am 30. November 1750 seinem Leben ein Ende machte. Als Protestant erhielt er seine Ruhestätte nicht in Paris, sondern in der Thomaskirche zu Straßburg, wo ihm 1777 ein von Pigalle ausgeführtes Denkmal gesetzt wurde. „Lettres et mémoires choisis parmi les papiers originaux du Maréchal de Saxe“ erschienen 1794 zu Paris. Von der Sängerin Marie Rinteau (de Verrières) hinterließ er eine natürliche Tochter, Maria Aurora, die seit 1766 den Namen de Saxe führte und sich mit dem Grafen Horn, einem natürlichen Sohne Ludwigs XV., in zweiter Ehe mit Dupin de Francueil verheiratete; aus letzterer Ehe entsprang ein Sohn, der der Vater der Schriftstellerin George Sand wurde.

K. v. Weber, Moritz, Graf von Sachsen, Leipz. 1863, 2. Aufl. 1870. Ganz auf diesem beruht Taillandier, Maurice de Saxe, Paris 1865. – Vitzthum d’Eckstädt, Maurice, Comte de Saxe et Marie Josephe, Dauphine de France, Leipz., 1867, wo auch Moritz’ von 1696–1709 reichende Mémoires autographes abgedruckt sind. Pajol, Les guerres sous Louis XV., Tome II, (1883) und III. Den 1759 von der französischen Akademie für einen Eloge de Maurice ausgesetzten Preis gewann Thomas.