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Artikel „Milde, Vinzenz Eduard“ von Karl Werner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 741–742, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Milde,_Vinzenz_Eduard&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 06:16 Uhr UTC)
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Milde: Vincenz Eduard M., geb. zu Brünn am 17. Mai 1777, † zu Wien am 14. März 1853, besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt, legte sodann die dem Gymnasialstudium folgenden philosophischen Jahrgänge in Wien und Olmütz zurück; in diesen fesselten insbesondere Mathematik und Physik sein Interesse. Der damalige Landescommandirende von Mähren und Schlesien, Marquis von Botta, der auf die Fähigkeiten des jungen Mannes aufmerksam geworden war, forderte ihn auf, sich um das in der Wiener Ingenieur-Akademie erledigte Amt eines Lehrers der Mathematik zu bewerben; M. aber hatte bereits für einen anderen Beruf sich entschieden, und trat in das fürsterzbischöfliche Alumnat zu Wien ein. Im J. 1800 zum Priester geweiht, wurde er 1802 Katechet an der Wiener Normalhauptschule zu St. Anna und im Civilwaisenmädchenpensionat, 1804 Religionslehrer an der Wiener Realakademie (technologische Schule, aus welcher später das polytechnische Institut erwuchs); im J. 1805 wurde er an der Universität zum Lehrer der Pädagogik bestellt und gleichzeitig zum k. k. Hofkaplan ernannt. Kaiser Franz, der ihm sehr gewogen war, verlieh ihm auf seinen Wunsch die Pfarre Wolfpassing (1810), später die Stadtpfarre Krems zusammt dem Directorate über die daselbst bestehende philosophische Lehranstalt; den 28. December 1831 wurde er vom Kaiser zum Bischof von Leitmeritz ernannt, 1834 hielt er seinen feierlichen Einzug in Wien als Fürsterzbischof der Wiener Diöcese. Milde’s Erhebung auf den Wiener Bischofsstuhl, welchen durch anderthalb Jahrhunderte nur Männer von hochadeliger Herkunft eingenommen hatten, erregte nicht geringes Aufsehen; er rechtfertigte die auf ihn gefallene Wahl durch eifriges Wirken und sorgsame Ueberwachung des ihm untergebenen Clerus. Das Revolutionsjahr 1848 war für ihn ein Leidensjahr; der kirchenfeindliche Haß der aufgestachelten Massen gefiel sich alsbald in rohen Excessen vor der erzbischöflichen Residenz, und veranlaßte den greisen Oberhirten, sich zeitweilig auf einem zum Erzbisthum gehörigen Landgute aufzuhalten. Die Wiener Presse fand ein Wort des Tadels über die ihm zugefügten Insulten erst spät, und auch da großentheils nur darum, weil er als Träger von kirchenpolitischen Anschauungen galt, welche im vormärzlichen Oesterreich aus der josephinischen Zeit her Geltung hatten, obwol sie im Laufe der Zeit bedeutend gemildert worden waren, und soweit sie nicht ohnedies schon veraltet und unpractisch geworden waren, ohne Neubelebung des religiösen und wissenschaftlichen Geistes innerhalb der Kirche auch durch neue Ordnungen des kirchlichen Lebens nicht völlig überwunden werden konnten. Daß er der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse Oesterreichs abgeneigt gewesen wäre, ist leere, [742] unbegründete Vermuthung; seine kirchliche Stellung legte ihm die Verpflichtung auf, erste einleitende Schritte für die Anbahnung derselben zu thun; die unter dem Präsidium des Cardinals Schwarzenberg 1849 vorgenommenen Berathungen der österreichischen Bischöfe hatten im Wiener erzbischöflichen Palais statt. M. erlebte übrigens die definitive Neuregelung der österreichischen Kirchenverhältnisse nicht mehr; der Abschluß des Concordates der österreichischen Regierung mit Rom wurde erst durch seinen Nachfolger, Cardinal Rauscher, vermittelt. Im J. 1850 feierte M. in stiller ascetischer Zurückgezogenheit sein fünfzigjähriges Priesterjubiläum; sein letztes Wort an die Gläubigen seiner Diöcese war ein Hirtenbrief aus Anlaß des am 18. Februar 1853 stattgehabten Attentates auf den jugendlichen Kaiser Franz Joseph; wenige Wochen später verschied M. in seiner Residenz zu Wien. Zu seinen Universalerben hatte er in seinem Testamente arme würdige Priester des Säcularclerus und die dürftig besoldeten Schullehrer der Wiener Erzdiöcese bestimmt. Wohlthätiger Sinn gegen Dürftige war von jeher ein charakteristischer Zug seines Wirkens gewesen; er hatte jedes Jahr einen beträchtlichen Theil der Einkünfte des Erzbisthums zu Spenden an Arme verwendet. Mit bedürfnißloser Einfachheit des Lebens verband M. einen klaren besonnenen Sinn und entschiedenes kräftiges Wollen. Obschon größtentheils praktischen und administrativen Aufgaben zugewendet, bewahrte er doch lebenslang ein reges Interesse für wissenschaftliche Thätigkeit; ein von ihm verfaßtes „Handbuch der Erziehungskunde“ (erste Aufl. Wien 1811–13, 2 Bde.; 3. Aufl. 1843) gehört zu den achtenswerthesten Erzeugnissen der damaligen österreichischen Litteratur, und läßt in ihm einen Mann voll klarer Verständigkeit und von durchgebildeter praktischer Seelenkunde erkennen. Ein Auszug aus diesem Werke war durch Decennien an den österreichischen Lehranstalten als Lehrbuch vorgeschrieben. Als Kanzelredner zog er in der besten Zeit seines Lebens von Nah und Fern Zuhörer herbei; und auch im höheren Lebensalter wußte er in den durch seine berufliche Stellung herbeigeführten Anlässen durch taktvoll bemessene Rede stets die günstigsten Eindrücke zu erzielen, wobei er durch seine äußere würdevolle Erscheinung nicht wenig unterstützt wurde. Da seine wissenschaftliche Bildung in den Anschauungen einer Zeit wurzelte, welche den Bemühungen um eine speculative Vertiefung des Katholicismus vorausging, so vermochte er den hierauf gerichteten geistigen Bestrebungen kaum mehr ein tiefergehendes Interesse abzugewinnen, trat ihnen indeß auch nicht feindselig hemmend entgegen. Aus seinem schriftlichen Nachlasse wurde Einiges durch den Leitmeritzer Domherrn August Ginzel (Bd. IX, S. 179) veröffentlicht unter dem Titel: „Reliquien von V. E. Milde etc. nebst einem Lebensabrisse desselben“ (Wien, 2. Ausg. 1859).

Ueber das nach der Zeichnung des Architekten Sitte ausgeführte Grabdenkmal Milde’s im Stephansdom zu Wien vgl. Wurzbach, Lex., 18. Bd., S. 307 f.