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Artikel „Mejer, Johannes“ von Georg Hille in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 200–202, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mejer,_Johannes&oldid=- (Version vom 20. April 2024, 14:03 Uhr UTC)
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Mejer: Johannes M., geb. im October 1606 zu Husum, war der Sohn eines gleichnamigen Pastors daselbst, welcher 1617 starb und seine Wittwe mit neun Kindern in bedrängten Umständen hinterließ. Ueber seine Jugend steht actenmäßig nichts fest. Es wird erzählt, er habe bei einem Bruder seiner Mutter, dem Hardesvogten Jüngling zu Kropp, das Vieh gehütet. Von dort sei er durch Vermittlung eines gelehrten vornehmen Mannes, der in ihm einen muntern Kopf erkannte, nach Kopenhagen gekommen, wo seines Vaters Bruder Bernhard M. als Prediger der deutschen Gemeinde lebte. Hier fand er Gelegenheit zu mathematischen und astrologischen Studien. Nach Husum heimgekehrt, unterrichtete er im Rechnen und Schreiben, schrieb Hochzeits-, Trauer- und andere Briefe und gab jährlich einen Kalender heraus, wodurch er die nöthigen Mittel für sich und seine Mutter gewann. Die Pflicht, für letztere zu sorgen, bestimmte ihn wohl dazu, ledigen Standes zu bleiben. Daß er wissenschaftlich etwas galt, beweist seine Ernennung zum Königlichen Mathematicus. Von seinen beiden Landesherrn, dem König Christian IV. von Dänemark und dem Herzog Friedrich III. von Gottorp ward ihm befohlen, die Herzogthümer Schleswig und Holstein zu vermessen und Karten über dieselben anzufertigen. Nach seiner eigenen Aussage reiste er von 1638 bis zu Ausgang des Jahres 1648 und wandte diese zehnjährige Zeit mit Besichtigung aller Orte also an, daß die Distancien der Oerter mit mathematischen Instrumenten abgemessen und daraus die Grundrisse formiret wurden. Als Honorar erhielt er von jeder Hufe aus den Aemtern und Städten 12 Schillinge Lübisch. Ebensoviel wurde auf dem Landtag zu Schleswig im September 1651 auch den Prälaten und der Ritterschaft abverlangt, aber ohne Erfolg. Sie erklärten, Johannes Mejer könne der verfertigten Landkarten halber ihrer allerunterthänigsten Meinung nach ohne das mit der allbereits empfangenen Gnade wohl zufrieden sein. – Zur Herausgabe seines Werkes verband sich M. mit seinem Bruder Samuel, Königlich Dänischem Hofapotheker, dem Kammermeister Joachim Danckwerth und mit dessen Bruder, dem Doctor der Medicin Caspar Danckwerth zu Husum. Der letztere, über den der Artikel von Ratjen im IV. Bande Seite 739 zu vergleichen ist, übernahm es, zu den Mejer’schen Karten einen Text zu liefern. Im J. 1652 erschien das Werk unter dem Titel: „Newe Landesbeschreibung der zwei Herzogthümer Schleswich und Holstein zusambt vielen dabei gehörigen newen Land Carten, die auf Ihr Königl. Maitt. zu Dennemark Norwegen etc. und Ihr Fürstl. Durchl. Beeder Regierenden Hertzogen zu Schleswich Holstein etc. Aller- und Gnädigsten Befehle von Dero Königl. Maitt. bestaltem Mathematico Johanne Mejero Hus. Cimbro. chorographice elaborirt, durch Casparum Danckwerth D. zusammengetragen und verfertigt, worin auch das Alte Teutschland kürzlich beschrieben mit begriffen ist“. – Dieses Werk enthält 37 von M. entworfene und von zwei Husumer Brüderpaaren, den Goldschmieden Mathias und Nicolaus Petersen und den Rothgießern Christian und Andreas Lorenzen in Kupfer gestochene Karten, welche den Danckwerth’schen Text weitaus an Werth überragen. Das Werk steht heutigen Tages noch in hohem Ansehen bei der Bevölkerung Schleswig-Holsteins. Da es in ziemlich vielen Exemplaren vorkommt, besitzt es mancher einfache Mann, der seinen jetzigen buchhändlerischen Werth gern um das zehnfache überschätzt. Mit dem Nachruhm ist es nicht nach Verdienst gegangen. Caspar Danckwerth kennt jeder auch nur halbwegs gebildete Schleswig-Holsteiner, während von Johann Mejer viele nichts wissen. – Nach dem Erscheinen des Werkes kamen seine Unternehmer bei der gegenseitigen Abrechnung in Differenzen, die noch nicht geschlichtet waren, als M. 1656 vom Könige nach Kopenhagen berufen wurde, wo er während der Dauer des damals ausbrechenden Krieges zwischen Dänemark und Schweden blieb. Nach Abschluß [201] des Friedens zu Roeskilde kehrte er im Mai 1658 in die Herzogthümer zurück. Hier war inzwischen Joachim Danckwerth gestorben. Bald darauf starb auch Samuel Mejer zu Kopenhagen. Durch diese Todesfälle und dadurch, daß der Krieg bald von neuem entbrannte, wurde die Auseinandersetzung mit Caspar D. und Clara D., Joachim’s Wittwe, außerordentlich erschwert. Noch Jahre lang processirte M. mit ihnen vor dem Gottorper Hofgericht, wobei es an gegenseitigen Bitterkeiten nicht fehlte. Es war doch wohl eine Denunciation der schlimmsten Art, wenn Clara D. in einer Eingabe vom 13. Juli 1660 bemerkte, daß M. „Zeit währenden Krieges bei theils alhier im Lande stehenden Armeen würkliche Dienste geleistet“ habe. Vielleicht ist in dieser Anklage der Ursprung zu erblicken für die Ansicht späterer Autoren, welche M. direct des Landesverraths beschuldigen. Uebrigens ist wohl nicht zu bezweifeln, daß die Schweden bei ihrem feindlichen Einbruch in die Herzogthümer sich der einige Jahre zuvor erschienenen Karten werden zu bedienen gewußt haben. – Da M. nicht zu seinem Gelde kommen konnte, war es ihm nicht möglich, seine Gläubiger zu befriedigen, welche mancherlei Schuldklagen gegen ihn beim Gottorper Hofgericht anhängig machten. Vom Gerichtsstand der Stadt Husum hatte ihn der Herzog schon 1655 eximirt, kein unwichtiges Privileg, ebenso wie die Befreiung von allen Lasten und Leistungen, die ihm der Herzog schon 1645 zugestanden hatte. – Wann und wie der Proceß wegen der „Newen Landesbeschreibung“ entschieden wurde, ist nicht ganz klar. Sicher ist, daß M. ein größerer Posten von Exemplaren derselben zugesprochen und auch ausgehändigt wurde. Die finanziellen Bedrängnisse nahmen aber kein Ende, wie die Bitten und Moratorien und Dilation zeigen, welche M. 1668 und 1669 an den Herzog und an den Präsidenten Kielmann richtete. Er klagt, daß seine Gläubiger von ihm Geld haben und keine Landesbeschreibungen nehmen wollen. Aus seinen Eingaben erfährt man, daß er vom Könige eine feste Besoldung erhielt, die aber nicht immer regelmäßig einging. Es hatte auch seine Schwierigkeiten, in den Besitz einer größeren ihm auf den Rieper Zoll verschriebenen Summe zu kommen. Er will Ruhe vor seinen Gläubigern haben, um die ihm vom Könige anbefohlenen Sachen desto besser anfertigen zu können. Im Juni 1669 erwähnt er, daß er damit beschäftigt sei, für den Herzog die durch Olearius bestellten Landkarten zu verfertigen, eine vom Herzogthum Schleswig, die andere von Holstein, die dritte ganz Jütland, die vierte von und bis nach Kopenhagen, worin vornehmlich Seeland, Fühnen, Laland, Falster und Mön beschrieben wird. Für das Stück seien ihm durch Olearius zwanzig Thaler zugesagt, die er auch wohl daran verdiene. Wolle der Herzog nachher auch Norwegen haben, könne es auch geschehen. Die Karten würden für Ihre Fürstliche Durchlaucht sehr nützlich sein, „daraus Sie stets alles für Augen haben können, was sie nur begehren“: – Mejer’s Todesjahr ist nicht bekannt. Der Husumer Pastor Primarius J. M. Krafft erzählt in seiner 1723 erschienenen Husumischen zweihundertjährigen kurzen Kirchenhistorie, M. sei in hohem Alter zu Husum eines plötzlichen Todes verschieden. – Ein Verzeichniß seiner Werke gibt Johann Moller in der Cimbria Litterata. – Ueber den Werth der Mejer’schen Karten urtheilt Geerz in seiner Geschichte der geographischen Vermessungen und der Landkarten Nordalbingiens. Er zeigt, daß es für M. unmöglich gewesen ist, Schleswig und Holstein in einem Zeitraum von zehn Jahren auch nur generell zu vermessen, und daß manche seiner Karten, besonders die historischen, nur fußen können auf oculärer Schätzung, Abschreitung, eingezogenen Erkundigungen oder älteren Handzeichnungen, deren es zu Mejer’s Zeit nachweislich gab. Geerz erkennt aber zugleich an, daß M. die Meerbusen, Landseen, größeren Flüsse und manche Districte, wie das Amt Husum, Eiderstedt, die [202] Wilstermarsch u. a. wirklich geometrisch, wenn auch mit unvollkommenen Instrumenten, vermessen hat. – Durch die Mejer’schen Karten hat die Kartographie Nordalbingiens so große Fortschritte gemacht, daß kein anderes Land in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Karten von gleichem Werthe aufweisen konnte. Bald nach ihrem Erscheinen wurden sie dem berühmten Atlas von Johann Blaeu (vgl. Bd. II, S. 687) orginaliter einverleibt, und etwa 150 Jahre lang dienten sie fast als die einzige Basis aller über Schleswig-Holstein erscheinenden Karten.

Außer den citirten Schriften die im Staatsarchiv zu Schleswig befindlichen Acten des Herzoglich Gottorp’schen Hofgerichts.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 202. Z. 10 v. o.: In Historisk Tidsskrift, sjette Raekke. I. Bind, S. 239 bis 402 (Kopenhagen 1888) hat P. Lauridsen das Leben und die kartographische Thätigkeit des Johannes Mejer auf Grund eines reichen, bisher unbenutzten Materials ausführlich behandelt. [Bd. 28, S. 807]