ADB:Meiern, Johann Gottfried von

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Meiern, Johann Gottfried von“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 211–213, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Meiern,_Johann_Gottfried_von&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 01:31 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Meier, Sebastian
Band 21 (1885), S. 211–213 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Gottfried von Meiern in der Wikipedia
Johann Gottfried von Meiern in Wikidata
GND-Nummer 100307671
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|21|211|213|Meiern, Johann Gottfried von|Ferdinand Frensdorff|ADB:Meiern, Johann Gottfried von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=100307671}}    

Meiern: Johann Gottfried v. M., am 1. Mai 1692 zu Baireuth geboren, war der zweite Sohn des markgräflichen Geheimen Kammerraths Johann Simon M., der 1715 nach dem Erwerb zweier zum fränkischen Ritterkreise gehöriger Güter von Kaiser Karl VI. in den Adelstand erhoben wurde. Auf dem fürstlichen Gymnasium seiner Vaterstadt vorbereitet, bezog M., fünfzehn Jahre alt, die Universität Halle und dann Leipzig. Nach vollendeten Studien beschäftigte er sich mehrere Jahre, um sich mit dem Reichsprocesse bekannt zu machen, bei dem reichsritterschaftlichen Directorialconsulenten Schober zu Nürnberg und führte in vielen Sachen unter dessen Aufsicht die Feder. In der Absicht, als Sachwalter beim Reichskammergerichte thätig zu werden, erwarb er in Gießen, nachdem er de conflictu statutorum eorumque in exteros valore disputirt hatte, 1715 die Doctorwürde. Bei dieser Gelegenheit hatte er sich aber dem Darmstädter Hofe so vortheilhaft bekannt gemacht, daß man ihm noch im nämlichen Jahre eine ordentliche Professur der Sittenlehre und bald darauf eine außerordentliche juristische Professur in Gießen übertrug. In dieser Stellung verblieb er jedoch nicht lange: als überzeugter Anhänger des Thomasius und Titius hielt er das Naturrecht sehr hoch und kam dadurch in mannigfache Streitigkeiten mit dem Kanzler Mollenbeck und dem Professor Grollmann. So entschloß er sich 1720 zur Rückkehr in die Heimath, wo ihn sein Landesherr erst zum Kammerconsulenten, dann zum Justizrath und Hofgerichtsassessor machte. Diese engen Verhältnisse mit einem größeren Schauplatz seiner Wirksamkeit vertauschen zu können, verdankte er seiner Feder. Der unterm 3. Sept. 1725 zu Hannover zwischen England, Preußen und Frankreich abgeschlossene Vertrag, mit dem man sich dem österreichisch-spanischen Bündniß entgegensetzte, hatte dem Franzosen Jean Dumont, dessen Name die völkerrechtliche Vertragssammlung des Corps universel vorzugsweise erhalten hat, Anlaß zu einer Analyse du traité de Hanovre gegeben, welche sich gegen die Vereinbarkeit eines solchen Tractats mit den Hannover obliegenden Vasallenpflichten richtet. Dem setzte M. „Remarques sur l’analyse du traité de Hanovre“ entgegen und übersandte sie dem Lord Townshend, dem geistigen Urheber des Vertrages von Hannover. König Georg I. ließ daraufhin dem Verfasser eine Anstellung im kurhannoverschen Staatsdienst antragen. So wurde M. Hof- und Kanzleirath in Hannover; 1729 erhielt er das Directorium des Archivs, dem er bis zu seinem Tode vorstand, und 1740 den Titel eines Geheimen Justizraths. In die Zeit seines hannoverschen Amtes fällt die Mehrzahl seiner Arbeiten. Unter allen werden die Acta pacis Westphalicae am längsten seinen Namen vor Vergessenheit bewahren. Die [212] Schätze des hannoverschen Archivs haben zu dem Werke nicht beigesteuert, wie denn auch der erste Anfang dazu schon in der Baireuther Dienstzeit gemacht war. Gelegentlich der Aufsetzung eines Bedenkens für den brandenburg-culmbachischen Comitialgesandten: wie weit ein katholischer Landesherr die jurisdictio ecclesiastica über die Augsburgischen Confessions-Verwandten seines Landes zu exerciren befugt sei? (1726 gedruckt) hatte er sich die Erlaubniß erwirkt, die westphälischen Friedensacta des fürstlichen Archivs einzusehen. Damit hatte sich dann anderes verbunden: die Durchsicht der im schwarzburg-rudolstädtischen Archiv aufbewahrten Originalacten des Dr. Heher, weimarschen Gesandten beim Friedenscongreß, der Relationen des mecklenburgischen Gesandten Dr. Abraham Kayser, die sich dazumal „in einer ansehnlichen Stadt des niedersächsischen Kreises“ befanden, der Berichte des braunschweig-lüneburgischen Vicekanzlers Jacob Lampadius (Bd. XVII S. 574), die ihm durch einen seiner Descendenten, der mit M. selbst verwandt war, zugänglich wurden. Außer diesen Relationen, zu denen noch manche werthvolle Einzelmittheilung aus Schweden, aus Venedig hinzukam, standen ihm die von beeidigten Protocollführern niedergeschriebenen Sessionsprotocolle, die nach jedesmaliger Collationirung gleichstimmig ausgefertigt wurden, zur Verfügung. Aus diesem Stoff hat er sein in 50 Bücher zerlegtes Werk aufgebaut, den Gegenstand in einer chronologisch-sachlichen Ordnung vortragend. Seine historische Erzählung, zur Verbindung der mitgetheilten Documente bestimmt, bedient sich möglichst der eigenen Worte der Relationen; er entschuldigt deshalb die Schreibart, die nicht so rein und pur, wie in den jetzigen Zeiten nicht nur unter denen Gelehrten, sondern auch an Höfen und Cantzleyen, vor allem in Wien, der höchsten Schule der Welt, üblich sei. In sechs starken Folianten, die auch typographisch von dem hannoverschen Verleger Gercken übrigens unter erheblicher finanzieller Beihülfe des Autors vortrefflich ausgestattet waren, erschien das Werk 1734–36. Sofort schlossen sich ihm noch zwei Bände „Acta pacis executionis publica oder Nürnbergische Friedens-Executionshandlungen“ (1736, 1737) und zwei Bände „Acta comitialia Ratisbonensia publica“ (1738–40) zur Geschichte des Reichstages der Jahre 1653 und 1654 an. Auf die beiden ersten Werke bezieht sich der 1740 erschienene Registerband, von dem hannoverschen Archivsecretär Joh. Ludolf Walther verfertigt, der aus Meiern’s Feder Biographien der westfälischen Friedensgesandten enthält und die von ihm veranstaltete Ausgabe der Instrumenta pacis wiederholt. Da Graf Stadion seine Zusage, M. das Original des Friedensvertrages aus dem Reichsarchiv zugänglich zu machen, unerfüllt gelassen hatte, so waren die Acta pacis Westph. nicht in der Lage gewesen, das abschließende Document mitzutheilen. 1738 holte das M. nach; ein schlanker, in Göttingen sehr sorgfältig gedruckter und G. A. v. Münchhausen gewidmeter, Folioband: „Instrumenta pacis Caesareo-Suecicum et Caesareo-Gallicum“ brachte die Osnabrücker Vertragsurkunde nach einer auf Grund des Stockholmer Originals hergestellten authentischen Abschrift, die von Münster nach einem 1648 unter Mainzer Privileg erschienenen Drucke. Demselben historischen Gebiete gehört die „Relatio historica de pacificatione Osnabrugo-Monasteriensi“ (1737) an, eine von M. besorgte Wiederveröffentlichung der Arcana pacis Westph. des Adamus Adami (Bd. I S. 46). Die Reichspublicisten des vorigen Jahrhunderts sind Meiern’s Hauptwerke gegenüber nicht ganz ohne Bedenken. Ein haushälterischer Mann wie J. J. Moser tadelt seine Kostbarkeit; er und andere nennen es nicht hinreichend vollständig, wobei sie übersehen, daß M. sich planmäßig auf die Mittheilung von ungedrucktem Material beschränkt. Aber bei alledem erkennen sie doch an, daß M. in seinem Buche dem deutschen Staatsrecht eine eigenartige, neue und stets ergiebige Quelle eröffnet hat. Auch für die Gegenwart ist es [213] das wichtigste Quellenwerk über den westfälischen Frieden geblieben, und sie steht nicht an, den Spruch, der über dem Bildniß des Autors zu Eingang der Acta stehet: ne inutilis vixisse videar zu unterschreiben. – Die übrigen Arbeiten bewegen sich in dem Gebiete der Deductionen: „Acta Hildesiensia“ (1730, 1731), den Streit zwischen Dompropstei und Neustadt Hildesheim betreffend; „Gründliche Nachricht von der Vogtei Möllen“ (1740); „Gedanken von der Rechtmäßigkeit des sechsten Zinsthalers in Deutschland“ (1732). Die letztere Schrift, die bekannteste dieser Gattung, knüpft an einen Rechtsstreit des Schatzraths Baron v. Knigge als Rechtsnachfolgers seines Schwiegervaters, des Geh. Kriegsraths Joh. Hattorf, gegen Sachsen-Eisenach an, weil bei Rückerstattung eines Darlehns von 25 000 Thlr. der sechste Zinsthaler (das sechste Procent), obschon ausbedungen und wirklich bezahlt, abgezogen worden war. In dieser Sache hatte M. die Feder geführt und ein Conclusum des Reichshofraths d. d. 5. Mai 1732 erlangt, worin das Versprechen derer Sechs pro centum vor ein im heil. röm. Reich zugelassenes Pactum declarirt wurde. Die Deduction setzte sich die Aufgabe, die historischen und rechtlichen Grundlagen jenes Urtheils darzulegen, theilte reiche Urkundenauszüge namentlich aus Stadtbüchern von Mölln mit, um das mittelalterliche Zinsennehmen zu beleuchten, brachte aber doch nur so viel zu Wege, daß der sechste Zinsthaler nicht als strafbarer Wucher betrachtet wurde, aber nach wie vor unerlaubt blieb, demnach nicht eingeklagt und, wenn gezahlt, zurückgefordert werden konnte. M. ist ein Glied in der Kette gelehrter Geschäftsmänner, die zu der Physiognomie Kurhannovers im 18. Jahrhundert gehören und der Regierung den Ruf eintrugen, daß sie sich auf das jus publicum verstehe. Nach Meiern’s Rathe hätte Münchhausen bei Begründung der Universität Göttingen der Jurisprudenz und dem jus publicum alle und der Theologie nur geringe Beachtung zuwenden dürfen.

Zedler, Univ.-Lexikon s. h. v. Rousset, Recueil historique d’actes t. II (1728) enthält S. 310 ff. Dumont’s und Meiern’s Schrift; in der letztern sind S. 338–343 nach einer Bemerkung bei Zedler Pariser Zusatz. Kurd v. Schlözer, Die Familie von Meyern, Berlin 1855. Pütter, Litt. des teutschen Staatsrechts Bd. I S. 433; Geist des westphäl. Friedens S. 79. Moser, Von Teutschland und dessen Staatsverf. überhaupt S. 389. Beseler, Deutsches Privatrecht § 109. Rößler, Die Gründung der Univ. Göttingen S. 20.