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Artikel „Martin von Cochem“ von Franz Xaver Kraus in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 480–481, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Martin_von_Cochem&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 14:48 Uhr UTC)
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Martin: Pater M. von Cochem (Familienname Linius?), berühmter geistlicher Volksschriftsteller. Wann und wo er geboren ist, scheint nicht festzustellen zu sein; nach Cochem nannte er sich vielleicht nur, weil er in diesem Moselstädtchen den größeren Theil seines Lebens zubrachte; doch spricht für Cochem als Geburtsort der Umstand, daß bei Hierotheus (s. u.) alle Patres nach ihrem Geburtsort genannt werden. Pauly nennt ohne Quelle Cochem als Geburtsort und 1630 als Geburtsjahr. Er war Lector im Kapuzinerorden, als die 1666 am Rhein und der Mosel grassirende Pest die Schließung der Schulen und damit eine Unterbrechung seiner Lehrthätigkeit herbeiführte. Die ihm aufgedrungene Vacanz benutzte M. zur Ausarbeitung eines „Katechismus“ (Köln 1666), der so gut, so klar und volksthümlich ausfiel, daß ihn der Buchdrucker Frisem zu Köln aufforderte, mit Verzicht auf sein Lehramt sich ganz der Schriftstellerei hinzugeben. M. folgte dieser Aufforderung, insoferne er durch seinen ersten Erfolg ermuthigt, jetzt zur Abfassung einer großen Reihe von Gebet- und [481] Erbauungsbüchern schritt, deren Verzeichniß man bei Hierotheus, Provincia Rhenana Fratrum minorum Capucinorum (ed. alt. Heidelb. 1750), p. 120 ss. findet. Den höheren Klassen widmete er seine deutsche „Kirchenhistorie nach Baronius und Rainaldus“ (Dillingen 1693, 2 Foliobände); doch ging sein Hauptaugenmerk auf die Belehrung und Erbauung der Armen und Leidenden. Den Kranken widmete er sein Buch „Für Kranke“, den Soldaten sein „Gebetbuch für Soldaten“ (Augsburg 1698). Die „Meßerklärung, über Honig süß“ (ebd. 1698) ist jetzt noch eine der besten und jedenfalls die populärste Behandlung des Gegenstandes, in welcher neben der Volksthümlichkeit der Schreibweise auch ein solides theologisches Wissen hervortritt. Der „Liliengarten“ (1699), der „Kern der heiligen Messe“ (1699), das „Gebetbuch für die heiligen Zeiten“ (1704), der „geistliche Baumgarten“ (1709), das „Exempelbuch“ (1712) wurden alle mehrfach aufgelegt und sehr verbreitet. Am berühmtesten machte ihn aber sein „Leben Christi“ (zuerst 1689 Frankfurt und Augsburg 1708, 1710 und öfter), von dem W. Scherer (D. L.-G. 337) mit Recht sagen kann: „Hegte M. die Absicht den Stoff so zu gestalten, daß auch das stumpfste Herz des niedrigsten Sterblichen zu Gefühlen mitleidiger Frömmigkeit erregt wurde, so hat er diese Absicht vielleicht auf die denkbar vollkommenste Weise erreicht.“ Ein wahres Volksbuch wurde weiter sein „Auserlesenes History-Buch“ (Dillingen 1693), eine Sammlung biblischer und weltlicher Geschichten, welche hier mit großer Geschicklichkeit vorgetragen werden und von denen in besonderen Abdrücken drei, „Griseldis“, „Genovefa“ und „Hirlanda“, beide letztere aus der Erzählung eines französischen Jesuiten geschöpft, höchst populär wurden (Scherer a. a. O. S. 380). Als drittes Hauptwerk sind die „Legenden der Heiligen“ zu nennen (Augsb. 1705, 1715 u. ö.). M. ist aber nicht blos als religiöser Volksschriftsteller, als welcher er erst in unserer Zeit durch Alban Stolz wieder erreicht worden ist, hervorragend, sondern auch auf dem Gebiete des praktischen kirchlichen Lebens. Nach dieser Richtung hat er nicht nur als Prediger und Beichtvater, sondern namentlich als Visitator höchst erfolgreich gewirkt. Erzbischof Anselm Franz von Mainz und Erzbischof Johann Hugo von Trier verwandten ihn lange Jahre hindurch als solchen. In dieser Stellung eines erzbischöf1ichen Visitators hat M. einen großen, ja den größten Theil der beiden ausgedehnten Erzdiöcesen zu Fuß durchwandert und sowol durch Lehre als durch Beispiel segensreich für die Herstellung der Kirchenzucht und die Erhaltung echter Frömmigkeit gewirkt; die noch in der Stadtbibliothek zu Trier erhaltenen Visitationsprotokolle legen Zeugniß ab darüber, wie dieser einfache apostolische Mann seines Amtes waltete. Eine kräftige, auch den schwersten Strapazen und einer rücksichtslosen Aufopferung nicht erliegende Körperconstitution kam ihm dabei zu Gute. Ein Sturz, den er zu Waghäusel bei Bruchsal machte, scheint seine Kraft gebrochen zu haben; 80jährig verschied er daselbst am 10. September 1712: eine edle, große Seele, in der kein irdischer Gedanke gelebt, deren Reinheit durch nichts Weltliches getrübt war, an dem Alles echt und wahr gewesen – jene Unterschrift seines Namens ausgenommen, in der er sich in seiner Demuth gefiel: P. Martinus „unnützer Kapuziner“.

Vgl. Hierotheus a. a. O. – Trierische Kronik VII, 162 (1822). – Marx, Gesch. d. Erzstifts Trier IV, 393. – J. v. Görres in der Vorrede zu der Legende der h. Jungfrau und Märtyrin S. Katharina, 1837, S. 25 bis 36. – W. Scherer a. a. O. – Nik. Pauly, Stadt und Burg Cochem. Cochem 1883, S. 67 f.