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Artikel „Martens, Franz Heinrich“ von Franz von Winckel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 460–461, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Martens,_Franz_Heinrich&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 14:18 Uhr UTC)
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Martens: Franz Heinrich M. wurde den 4. November 1778 zu Wismar geboren, erhielt den ersten Unterricht in seiner Vaterstadt, studirte später in Leipzig und Jena und wurde auf letzterer Universität am 5. Juli 1800 promovirt. Von Jena kehrte er nach Leipzig zurück, wo er sich als praktischer Arzt niederließ und 1803 als Privatdocent habilitirte. 1804 ward er als außerordentlicher Professor der Heilkunde und Unterdirector der herzoglich älteren oder der Starke’schen klinischen Anstalten nach Jena berufen. Etwa ein halbes Jahr später soll er nach Angabe des Jöcher’schen Allgemeinen Gelehrten-Lexikons, Fortsetzung, 4. Band, Bremen 1815 S. 814, was indeß von anderen Autoren ebensowenig wie auf dem Titel seiner letzten Schriften erwähnt wird, zum ordentlichen Professor ernannt worden sein, starb jedoch bereits am 11. Mai 1805 im 27. Jahre seines Lebens. Kaum fünf Jahre waren seit seiner Promotion vergangen, gleichwol hatte M. eine ganz erstaunliche Thätigkeit entwickelt und im In- und Auslande ob seiner zahlreichen Schriften, deren Vielseitigkeit auffallend ist, Anerkennung gefunden. Nach seiner „Dissertatio inauguralis, sistens criticen forcipum nonnullarum in arte obstetricia usitatarum“, welche er auch deutsch erscheinen ließ, gab er allein folgende größere Werke und Zeitschriften heraus: 1801 „Paradoxien“, eine Zeitschrift zur Kritik wichtiger Meinungen und Lehrsätze aus allen Fächern der theoretischen und praktischen Medicin, von welcher 3 Bände zu zwei Heften bis 1803 erschienen sind. 1802 publicirte er ein „Kritisches Jahrbuch zur Verbreitung der neuesten Entdeckungen in der Geburtshülfe“ und noch in demselben Jahre sein umfangreichstes Werk: „Versuch eines vollständigen Systems der theoretischen und praktischen Geburtshülfe“. 1803 ff. erschienen von ihm und G. Th. Tilesius: „Tableaux des symptomes de la maladie vénérienne avec 24 planches ombrées d’après nature“. Sowol in diesem wie in seinen übrigen Werken hat M. fast alle beigegebenen Kupfertafeln selbst gezeichnet und gestochen. Er hatte außerdem eine bequem transportable Volta’sche Säule construirt, zum Gebrauch in Privathäusern. Eine große Anzahl fremder Werke übersetzte er ins Deutsche, z. B. Guyton Morveau’s Abhandlung über die Reinigung der Luft; Scarpa’s Augenkrankheiten; Aldini’s theoretisch-praktischer Versuch über den Galvanismus und P. Maygrier’s neue Methode der praktischen Entbindungskunst und versah alle diese Schriften mit Anmerkungen, mit Tabellen und Kupfern. 1803 war er bereits Mitglied vieler [461] gelehrter Gesellschaften, namentlich der Société médicale d’émulation und der Société galvanique in Paris; in demselben Jahre verlieh ihm der Herzog von Mecklenburg-Schwerin die große goldene Medaille für Wissenschaft und Kunst. – Wenn nun auch E. v. Siebold mit Recht Martens’ Werk: „Versuch eines vollständigen Systems der theoretischen und praktischen Geburtshülfe“ für eine Compilation aus anderen Schriften erklärt und hinzusetzt, daß der Verfasser den Mittelweg zwischen Boër und Osiander zu halten suche, sich aber oft in Widersprüche verwickele, manche höchst wichtige Gegenstände zu kurz, andere wieder zu weitläufig behandle, so daß sein Versuch als ein verunglückter bezeichnet werden müsse (Geschichte der Geburtshülfe II S. 656), so zeigt doch die Lectüre seiner Schriften, daß M. auf dem rechten Wege war und die Gerechtigkeit erfordert die Anerkennung, daß er bereits zu einer Zeit, wo die Abhandlungen von Boër noch keineswegs allgemeinen Beifall fanden und im Herzen Deutschlands F. B. Osiander der Vertreter der aktivsten Geburtshülfe war und mehr als die Hälfte aller klinischen Entbindungen (beispielsweise 1802 von 96 : 66) operativ beendigte, daß, sage ich, M. schon 1802 den einzig richtigen Standpunkt vertrat und das Verfahren der damaligen Geburtshelfer streng verurtheilte. Statt einer möglichst großen Einfachheit und Vermeidung aller unnöthigen Handgriffe und statt einer gelinden Behandlung der Gebärenden, so sagte er, fände man blos darin Ruhm, oft die Zange zu gebrauchen, oft zu perforiren und keine sich irgend bietende Gelegenheit zum Kaiserschnitt unbenützt vorbeigehen zu lassen! (Kritisches Jahrbuch etc., Einleitung). Bei seinem erstaunlichen Fleiß, seinen vielfachen Anlagen und der richtigen Erkenntniß des Weges, auf dem der wahre Fortschritt der Geburtshülfe zu erreichen war, unterliegt es keinem Zweifel, daß sein früher Tod sehr zu beklagen bleibt, und daß, wäre ihm ein längeres Leben beschieden gewesen, er gewiß in mancher Beziehung segensreich für die Gynaekologie geworden wäre.

Vgl. Jöcher und Meusel, G. T.