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Artikel „Magnus, Ludwig Immanuel“ von Moritz Cantor in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 91–92, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Magnus,_Ludwig_Immanuel&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 09:11 Uhr UTC)
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Magnus: Ludwig Immanuel M., Mathematiker, geb. am 15. März 1790 in Berlin, † ebenda am 25. Septbr. 1861. Er war der um 12 Jahre ältere Vetter des Technologen und Physikers Heinr. Gust. M. (s. d.). Als sein Vater früh verstorben war, bestimmte ihn mehr die Mutter als eigene Neigung zum Kaufmann. Auf der Handelsschule in Berlin vorbereitet, trat er in das Bankiergeschäft seines Oheims, wo er stark arbeiten mußte, daneben aber meist in nächtlichen Stunden Euklid genau kennen lernte. Der kaufmännischen wie der mathematischen Thätigkeit setzte der Krieg ein Ziel. M. trat 1813 in Breslau freiwillig zur Artillerie und wurde bald zum Feuerwerker befördert. Beim Friedensschluß nahm er neuerdings in einem Berliner Bankhause Beschäftigung, die ihm zugleich etwas mehr Muße ließ, durch private Studien, welche nur ganz vorübergehend an dem Gymnasialprofessor Lubbe (der später, 1825, ein damals geschätztes Lehrbuch des höheren Calcüls herausgab) einen Leiter fanden, in den höheren Theilen der Mathematik sich zu vervollkommnen. Fast gleichzeitig mit dem Erlernen war für M. auch das Lehren mathematischer Dinge eine Zeitfrage geworden. Cauer[WS 1], ein älterer Bruder des bekannten Bildhauers (Bd. IV, S. 76) gründete 1816 mit anderen für Volkserziehung begeisterten jungen Leuten eine Erziehungsanstalt, an welcher M. den mathematischen Unterricht erst nebenbei ertheilte, bis er 1826 bei Verlegung der Anstalt nach Charlottenburg förmlich in deren Lehrercolleg eintrat und diesem bis zu Cauer’s Tod 1834 angehörte. M. hatte sich inzwischen wissenschaftlich bekannt gemacht. Geometrische Aufsätze in Gergonne’s Annales des mathématiques T. XI und XVI (1820 und 1825) und in Crelle’s Journal Bd. V, VII, VIII, IX (1830–1832), dann ganz besonders die Sammlung von Aufgaben und Lehrsätzen aus der analytischen Geometrie, 1833 als 3. Theil von Meier Hirsch’s Sammlung geometrischer Aufgaben veröffentlicht, hatten dem Verfasser einen wohlverdienten rühmlichen Namen erworben. Ernannte doch die Universität Bonn später auf das Buch ihn zum Ehrendoctor. Die „Aufgaben“ sind als für die damalige Zeit vollständigstes Handbuch der analytischen Geometrie der Ebene zu betrachten und zerfallen in drei Abtheilungen, deren Trennungsgrund allerdings ein sehr äußerlicher ist, je nachdem überhaupt keine Infinitesimalrechnung, oder Differentialrechnung allein, oder auch Integralrechnung zur Anwendung kommt. Da aber die Untersuchungen über gerade Linien, über Kreise und über Kegelschnitte überhaupt, wie sie in den zwanziger Jahren ganz besonders in Schwung waren, Infinitesimalrechnung nicht bedürfen, so ist gleich die erste 20 Druckbogen starke Abtheilung ein ziemlich abgeschlossenes Ganzes und enthält neben Aelterem bereits die Entdeckungen der Poncelet, Möbius, Plücker, mit welchem Letzteren M. dadurch in persönliche Beziehungen[WS 2] kam, enthält auch eigene Ergänzungen und Fortsetzungen dieser Untersuchungen in nicht geringer Zahl. Dort findet sich auch, beiläufig bemerkt, wohl zuerst das Identitätszeichen (S. 26). Die beiden folgenden Abtheilungen, zusammen der ersten an Umfang gleich, sind weniger zusammenhängend und entsprechen mehr dem, was man als geometrische Anwendungen in den Lehrbüchern der Infinitesimalrechnung angegeben findet, auch dürfte in ihnen das Neue weniger Bedeutung besitzen. Es ist auffallend genug, daß man M., der sich in Charlottenburg auch als Lehrer bewährt haben soll, nachdem die dortigen Verhältnisse ihm nicht mehr zusagten, nicht dem Unterrichtsfache zu erhalten suchte. Alles, was von anderer Seite in dieser Richtung geschah, scheint darauf hinauszulaufen, daß man M. eine Stellung an einem öffentlichen [92] Institute in Aussicht stellte, um welche er jedoch nicht glaubte sich bewerben zu sollen. Er suchte und fand vielmehr wieder eine Stellung im Bankfache. Er wurde oberster Kassenbeamter bei dem damals neuentstandenen Berliner Kassenverein. Von da an hörte seine wissenschaftliche Thätigkeit auf. Außer der ersten Abtheilung einer „Sammlung von Aufgaben und Lehrsätzen aus der analytischen Geometrie des Raumes“, welche 1837 im Druck erschien, deren Material aber längst vorbereitet war, ist nur noch eine kurze Notiz von M. im XXVI. Bande von Crelle’s Journal der Oeffentlichkeit übergeben worden. Der der Raumgeometrie, soweit sie Infinitesimalrechnung nicht erfordert, gewidmete Band entspricht ungefähr der ersten Abtheilung des früheren Werkes. Auch hier sind die Untersuchungen von Poncelet und Möbius mit als Grundlage benutzt und auf sie weitergehende Theorien aufgebaut. Nach neunjähriger angestrengter Arbeit kam 1843 M. in die Lage, seine Stellung als Kassenbeamter aufgeben zu können. Jetzt waren die äußeren Bedingungen vorhanden, daß er der Wissenschaft sich frei hingeben konnte, aber seine Kraft war gebrochen. Kränklich, später auch augenleidend, verlebte er noch 18 Jahre, ohne daß eine Leistung aus dieser ganzen Zeit bekannt geworden wäre.

Nekrolog in Crelle’s Journal LX, 379–381.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Jacob Ludwig Cauer (1792–1834), Pädagoge
  2. Vorlage: Beziehrungen