ADB:Müffling, Karl Freiherr von

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Artikel „Müffling, Karl Freiherr von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 451–454, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCffling,_Karl_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 23:14 Uhr UTC)
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Müffling: Friedrich Karl Ferdinand, Freiherr von M., genannt Weiß, preußischer Generalfeldmarschall, wurde am 12. Juni 1775 zu Halle, wo sein [452] Vater als Hauptmann in Garnison stand, geboren. Sein Jugendunterricht war hauptsächlich darauf gerichtet, ihn französisch sprechen zu lehren, um dadurch seine künftige militärische Laufbahn möglichst zu fördern. Uebrigens hatte er, wie er selbst sagt, sehr wenig gelernt, als er im J. 1790 beim Füsilierbataillon v. Schenck, später v. Wedell, in Halle Officier wurde, doch hatte er Sinn für Mathematik, war fleißig und besaß einen festen Willen. Der Feldzug in der Champagne von 1792 und die Rheincampagne von 1793, an denen sein Bataillon theilnahm, wurden eine gute Schule für ihn; sie gaben ihm Gelegenheit zu mehrfacher Auszeichnung, während das Kriegsjahr 1794 ihn kaum vor den Feind brachte. Nach dem Frieden von Basel befand er sich bei den Truppen, welche die Demarcationslinie besetzt hatten; hier wurde er dem Oberst v. Lecocq bekannt, welcher ihn bei den Vermessungsarbeiten beschäftigte, die er in Westfalen vornahm; für diesen Zweck mußte er fleißig studiren. Während dieser Zeit lernte er zu Osnabrück seine künftige Gattin kennen, ein Fräulein v. Schele[WS 1], mit welcher er sich 1799 vermählte. Auch fielen in diese Zeit seine ersten litterarischen Versuche, indem er Mitarbeiter an einem vom Lieutenant W. von Leipziger herausgegebenen militärischen Wörterbuche wurde. Als im Winter 1802/3 in Potsdam der neugeschaffene Generalstab eingerichtet wurde, fand er in demselben als Premierlieutenant und Quartiermeister-Lieutenant Aufnahme; in den nächsten Jahren fungierte er als preußischer Commissar bei der von dem Director der Seeberger Sternwarte, F. von Zach, geleiteten Gradmessung in Thüringen. Als im J. 1805 der Kampf mit Frankreich zu entbrennen drohte, war er als Capitän des Generalstabes zuerst beim Grafen Wartensleben, dann beim Fürsten Hohenlohe, dann bei Blücher thätig; als der Krieg von 1806 ausbrach, wurde er aus Tauentzien’s Hauptquartier in Franken wiederum zu Hohenlohe berufen, weil man von seiner Thüringer Terrainkenntniß Nutzen zu ziehen hoffte. Er gewann hier sofort eine gewichtige Stimme, wurde aber bald der Avantgarde unter dem Herzoge von Weimar zugetheilt, welcher an der Westseite des Thüringer Waldes den Franzosen entgegengesendet, an den unglücklichen Ereignissen des 14. October keinen Theil hatte, und machte dann Blücher’s Zug nach Lübeck mit. Durch die Capitulation von Ratkau, welche er abschließen mußte, in Gefangenschaft gerathen, folgte er einem Rufe des Herzogs nach Weimar, trat in dessen Civildienste und blieb dort bis zum Jahre 1813 als Mitglied des Geheimen Conseil; Chausseebauten, welche unter seiner Anweisung ausgeführt wurden, erinnern an seine damalige Thätigkeit. Während der Befreiungskriege von 1813 und 1814 war Oberstlieutenant (nach dem Treffen bei Haynau Oberst) von M., unter Gneisenau als Chef des Generalstabes, zunächst als Generalstabsoffizier, seit dem Waffenstillstande als Generalquartiermeister bei Blücher’s Schlesischer Armee. In dieser Stellung hat er ohne Zweifel Tüchtiges geleistet; seine durch Kürze und Knappheit im Schreiben und Sprechen unterstützte Geschäftskenntniß, seine Ordnungsliebe, sein methodischer Sinn ergänzten in glücklicher Weise, was seinen Oberen fehlte. In seinen Denkwürdigkeiten aber beansprucht er das Verdienst eines weit größeren Antheils an den Erfolgen; er will Gneisenau, welchem er Vortrag hielt, wie dieser wieder dem Feldmarschall Blücher vortrug, in ähnlicher Weise beeinflußt haben, wie Gneisenau es bei Blücher that. Die Rathschläge zu allen gelungenen Unternehmungen will er selbst gegeben, die Mißerfolge der fehlgeschlagenen Maßregeln will er vorausgesehen haben. Das Verhältniß zwischen M. und Gneisenau war kein erfreuliches; Letzterer nennt ihn in einem Briefe an Clausewitz aus späterer Zeit „übermüthig im Glück, verzagt im Unglück; wenn es gut ging, wollte er Alles an sich reißen, wenn es schlecht ging, ward er so hinfällig, daß er keine Arbeit mehr verrichten konnte.“ Der Grund zu dem Mißverhältniß [453] lag in den grundverschiedenen Naturen Beider und in ihren gänzlich abweichenden Ansichten über die Kriegführung. M. stand zum Theil noch auf dem Boden der veralteten Strategie seiner Jugend; nicht in dem feindlichen Heere allein erblickte er das Ziel, dessen Niederwerfung der Feldherr anzustreben hat, der Besitz von Stellungen und Terraintheilen galt ihm mitunter ebensoviel, wie ein taktischer Sieg. Auch Toll[WS 2] beurtheilt ihn wenig günstig. Als nach der Einnahme von Paris Blücher sein Commando an Barclay[WS 3] abgab, ward M. dessen Stabschef, dann fungirte er als solcher beim General v. Kleist, der am Niederrhein commandirte. Im Feldzuge von 1815 war er Wellington’s[WS 4] Stabe zugetheilt, um die Verbindung mit den preußischen Truppen zu vermitteln, er ist daher von der Mitschuld daran nicht freizusprechen, daß Gneisenau am 15. Juni die Sachlage bei den Engländern anders ansah, als sie in Wirklichkeit war. Nachdem er 41/2 Monate lang, als Generalmajor, Gouverneur von Paris gewesen war, wurde er wiederum Wellington beigegeben, der an die Spitze der in Frankreich bis zum Jahre 1818 verbliebenden Occupationstruppen trat. Er verlebte die Winter meist mit dem Herzoge in Paris, die Sommer in Coblenz, mit Vorarbeiten zu Dreiecksmessungen beschäftigt; 1818 wohnte er dem Aachener Congreß bei, im Winter 1818/19 wurde er mit einer Sendung zum König der Niederlande nach Brüssel betraut, um mit diesem wegen Stellung eines preußischen Hülfscorps für den Fall eines französischen Angriffs auf Belgien zu verhandeln. Gesandter in London zu werden, lehnte er 1819 ab. 1821 ward er Chef des Großen Generalstabes in Berlin, in dieser Stellung hatte er Gelegenheit, seiner Neigung für Terrainaufnahmen in weitem Umfange zu genügen; namentlich den Dreiecks- und den Gradmessungen widmete er seine Fürsorge. Nach dieser Richtung und in Beziehung auf die Organisation des Generalstabes erwarb er sich große Verdienste. Der letztere, bis dahin ein Theil des Kriegsministeriums, wurde unter ihm zuerst selbständig: er gab ihm diejenige innere Gestaltung, welche er im Wesentlichen noch jetzt hat. 1829 war er in Konstantinopel, um den Sultan zum Frieden mit Rußland zu bewegen; nachdem der Friede geschlossen war, ging er nach Petersburg, um Bericht zu erstatten. Von 1829–1838 war er commandirender General des VII. Armeecorps in Münster, dann wurde er Gouverneur von Berlin, eine Stellung, die er erst annahm, als der König ausgesprochen hatte, daß er als solcher die höchste Militärbehörde in Berlin sei, seine Ueberhebung den Civilbehörden gegenüber bereitete ihm in derselben manche Schwierigkeiten (Jahrbücher für die Armee und Marine, 8. Jahrgang, Berlin 1874). Daneben war er seit dem 2. April 1838 Präsident des Staatsrathes. Als solcher befürwortete er die Berufung allgemeiner Landstände; für die Beibehaltung gleicher Dienstpflicht für Alle und Nichtaufhebung des Instituts der Landwehr hatte er sich schon als Chef des Generalstabes, gelegentlich der um das Jahr 1821 über diesen Gegenstand gepflogenen Verhandlungen, erklärt. Schon 1827 hatte eine Art Lähmung seine beiden Füße befallen; zunehmende Schwäche, namentlich auch der Augen, zwang ihn 1847 seinen Abschied zu nehmen. Er lebte nun theils in Erfurt, theils auf seinem benachbarten Gute Ringhofen und starb am 16. Januar 1851. Sein späterer Nachfolger, Feldmarschall Moltke, hat ihn als eine Persönlichkeit gekennzeichnet, welcher man sein Lebelang die größte Hochachtung bewahre, wenn man das Glück gehabt habe in nähere Berührung mit ihr zu treten. Schriftstellerisch war M. besonders auf dem Gebiete der Kriegsgeschichte thätig. Bald nach der Katastrophe von 1806 schrieb er „Operationsplan der preußisch-sächsischen Armee im J. 1806. Schlacht bei Auerstädt und Rückzug bis Lübeck. Von C. v. W.“, Weimar 1807; auch erschienen in dieser Zeit von ihm in zwei Auflagen „Marginalien zu (des Erzherzogs Karl Grundsätzen der höheren Kriegskunst für die Generale der österreichischen Armee“, sowie eine „Recension über Rühle v. Lilienstern’s [454] „Bericht über die Vorgänge bei der Hohenlohe’schen Armee im Jahre 1806“; während des Waffenstillstandes von 1813 folgte „Die preußisch-russische Campagne von 1813 bis zum Waffenstillstande“, Berlin 1813; dann wurde ihm durch Cabinetsordre vom 16. August 1813 die Abfassung der amtlichen Kriegsberichte für die Oeffentlichkeit übertragen (York’s Leben von Droysen, 2. Bd., S. 156. 196). Nach Beendigung des Krieges erscheinen „Geschichte der Armeen unter Wellington und Blücher im Feldzuge von 1815“, Stuttgart 1817; „Zur Kriegsgeschichte der Jahre 1813 und 1814: die Feldzüge der schlesischen Armee unter dem Feldmarschall Blücher von der Beendigung des Waffenstillstandes bis zur Eroberung von Paris“, Berlin 1824, 2. Aufl. 1827; „Betrachtungen über die großen Operationen und Schlachten von 1813 und 1814“, Berlin 1825; „Napoleon’s[WS 5] Strategie im Jahre 1813“, Berlin 1827. Alle diese Schriften, welche auf dem Titel die Anfangsbuchstaben seines Namens C(arl) v(on) W(eiß) tragen, unterscheiden sich durch ruhige Obectivität vortheilhaft von seinen Denkwürdigkeiten, deren Mängel schon oben berührt wurden. Außerdem schrieb er „Marginalien zu den Grundsätzen der höheren Kriegskunst für die österreichischen Generale“, Weimar 1808, eine Abhandlung über „Die Römerstraßen am rechten Ufer des Niederrheins“, Berlin 1834, und schließlich 1848 eine „Denkschrift“, die Tagesfrage in Betreff der Wehrhaftmachung des Volkes behandelnd, alles ebenfalls unter der Chiffre C. v. W. Die nach ihm benannte „Müffling’sche Manier“ der Bergzeichnung auf Plänen, bei welcher die verschiedene Steilheit durch mehr oder weniger dicke und durch verschieden gestaltete Striche kenntlich gemacht wird, ist nicht sein geistiges Eigenthum, sondern eine geschickte Zusammenstellung aus verschiedenen Systemen. Weil sie eine große Geschicklichkeit erfordert um ihrem Zweck zu genügen, wird sie in neuerer Zeit nicht häufig mehr angewendet.

Aus meinem Leben von F. C. F. Frhrn. von M., Berlin 1851. – Beiheft zum Militär-Wochenblatt für Juli 1855, Berlin (eigene Aufzeichnungen über sein Leben bis zum Jahre 1806). Die Lebensbeschreibung im Neuen Nekrolog der Deutschen für 1851 stammt aus M.’s Verwandtenkreise.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Wilhelmine von Schele-Scheelenburg (1775–1836)
  2. Russischer General der Infanterie; Siehe Wikipedia: Karl Wilhelm von Toll (1777–1842)
  3. russischer General aus Livland; Siehe Wikipedia Barclay de Tolly (1761–1818)
  4. Britischer Militärführer, Außen- und Premierminister; Siehe Wikipedia: Arthur Wellesley (1769–1852)
  5. Französischer Kaiser; Siehe Wikipedia: Napoleon, Bonaparte (1769–1821)