ADB:Lutz, Samuel (evangelischer Theologe)

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Artikel „Lutz, Samuel (evangelischer Theologe)“ von Emil Blösch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 716–717, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lutz,_Samuel_(evangelischer_Theologe)&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 12:17 Uhr UTC)
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Lutz: Samuel L., Professor der Theologie in Bern 1785–1844. In der tiefsten Niedrigkeit, die sich denken läßt, wurde Johann Ludwig Samuel L. den 2. Octbr. 1785 in Bern geboren. Die Umstände waren der Art, daß die Behörden der Stadt das Knäblein schon 15 Wochen nach der Geburt den Eltern wegnehmen mußten. Der Vater war ein Flachmaler, starb aber schon nach wenigen Jahren. Das Kind wurde daher auf öffentliche Kosten zuerst auf dem Lande, dann im städtischen Waisenhause erzogen. Hier traf den zwölfjährigen Knaben die französische Invasion des Jahres 1798, die einen tiefen Eindruck auf sein lebhaftes Wesen hervorbrachte, und mit dazu beitrug, die anfänglich wenig hervortretende geistige Begabung zu wecken. Er entschloß sich zum Studium der Theologie und zeichnete, mehr durch eigenen Fleiß, als durch die Schulanstalten gefördert, bald vorzüglich durch seine Kenntniß des klassischen Alterthums und gewandte Handhabung der lateinischen Sprache sich aus. Im Jahre 1808, nachdem er schon einige Zeit als Lehrer thätig gewesen, wurde er ins Predigtamt aufgenommen. Noch erhielt er Gelegenheit und Mittel, um die Universitäten Tübingen und Göttingen zu besuchen, dort hörte er Schnurrer und Flatt, hier Eichhorn und den Philologen Heyne. Nach zwei Jahren kam er nach Bern zurück und wurde 1812 Lehrer der alten Sprachen und Rector des Gymnasiums daselbst. Seine imponirende und doch anziehende Persönlichkeit wirkte bezaubernd auf die studirenden Jünglinge; aber die von der herrschenden Orthodoxie abweichende theologische Ueberzeugung erregte mancherlei Mißtrauen, und Betheiligung an einer politischen Bewegung gegen die wiederhergestellte patrizische Regierung machte ihn mißliebig. Er wünschte seine Stelle zu verlassen, bewarb sich indessen längere Zeit umsonst um eine Pfarrstelle. Erst 1824 wurde ihm eine [717] solche zu Theil in dem Dörfchen Wynau an der Aare. Hier mit ganzer Kraft der Predigt und Seelsorge sich hingebend, wirkte er im Sinne des ernsten religiös-sittlichen Geistes, mit welchem 1828 das Jubelfest der Berner Reformation im ganzen Lande gefeiert wurde. Im J. 1830 wurde er der Nachfolger des als Theologen und Naturforscher ausgezeichneten Pfarrers Samuel Wyttenbach an der Kirche zum hl. Geist in Bern. Mit Entschiedenheit, doch ohne Leidenschaft trat er jetzt für die politische Umgestaltung ein, die sich im folgenden Jahre vollzog. Die neue Regierung, die sich bessere Volksbildung zur Hauptaufgabe machte, wählte ihn zum Mitgliede des Erziehungsdepartements und zum Präsidenten einer Volksschulcommission. Im Juli 1833 wurde er Professor der alt- und neutestamentlichen Exegese, erst an der Bernischen Akademie, vier Jahre später als College von Matthias Schneckenburger und Bernh. Hundeshagen an der neu errichteten Universität. Das war nun die Thätigkeit, zu welcher L. recht eigentlich berufen war. Gründliche Gelehrsamkeit, wissenschaftlicher Freimuth, religiöses Interesse und sittlicher Ernst waren aufs engste bei ihm verbunden und machten seinen Einfluß auf die Studirenden ebenso allseitig anregend als intensiv und nachhaltig; dies um so mehr, da er sich ganz seinem Lehramte hingab und auf schriftstellerische Arbeit verzichtete. Nur der Betheiligung am kirchlichen Leben konnte und wollte er sich nicht entziehen. Als Mitglied und nachmals Präsident der Landessynode verfaßte er 1836 ein berühmt gewordenes Gutachten über die Stellung der Kirche zu den Dissentern, die damals in Bern sich lebhaft regten. Er wurde Decan des hauptstädtischen Bezirks, Mitarbeiter an der Abfassung neuer Kirchengebete und fuhr fort von Zeit zu Zeit zu predigen. Den Ruf auf den Lehrstuhl der praktischen Theologie lehnte er dagegen ab und kurz nachher starb er, erst im 59. Altersjahre am 21. Septbr. 1844. – Seine Bedeutung liegt viel weniger in seinen einzelnen Leistungen, als in dem allgemeinen Einfluß seiner Persönlichkeit, welcher eine hochgewachsene, ebenso kräftige als würdige Gestalt durchaus entsprechenden Ausdruck gab. Nicht was er gethan oder was er geschrieben hat, sondern was er gewesen ist, machte ihn zu einer hervorragenden Erscheinung. Wie er selbst keiner theologischen Schule oder Richtung angehörte, so hat er auch keine eigentliche Schule begründet, aber auf Denkungsart und Haltung seiner Hörer hat er entscheidend eingewirkt. Auf etwas weitere Kreise wirkte er nur durch zwei, erst nach seinem Tode herausgegebene Werke: „Biblische Dogmatik“, herausgegeben 1847 von R. Rüetschi, und seine „Biblische Hermeneutik“, herausgegeben 1849 von Pfarrer Ad. Lutz, – die durch Gedankenreichthum, Unbefangenheit und anerkannte wissenschaftliche Tiefe, trotz einer gewissen Schwerfälligkeit der Behandlung sich große Achtung zu erringen wußten und dem vorher außerhalb seiner nächsten Umgebung fast unbekannten Manne nachträglich den wohlverdienten Namen verschafften.

Gedächtnißrede auf J. L. S. L. gehalten bei seiner Leichenfeier von Karl Baggesen, Bern 1844. – J. L. S. L., ein theol. Charakterbild von C. Hundeshagen, Bern 1844. – S. L. als Lehrer und Prediger, ein Vortrag von Prof. A. Immer, Bern 1861. – Der Gottesgelehrte J. L. S. L. mit einer Blüthenlese aus seinen Kanzelvorträgen von (seinem Sohne) Friedr. Lutz, Pfarrer in Wynau, Bern 1863.