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Artikel „Lirer, Thomas“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 746–748, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lirer,_Thomas&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 17:22 Uhr UTC)
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Band 18 (1883), S. 746–748 (Quelle).
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Lirer: Thomas (Thoman) L., schwäbischer Chronist, dessen Lebenszeit von einigen in das zwölfte, von anderen aber gar schon in das [747] zehnte Jahrhundert gesetzt wird. Ueber die äußeren Verhältnisse des Mannes, der aus Rankwyl, einem Flecken unweit Feldkirch in Tirol, gebürtig war, ist nichts weiter bekannt, als was er selbst zu Ende des ersten Theiles seiner Chronik von sich sagt: „Vnd ich Thoman Lirer gesessen zu Rankweil, das do gehört zu dem schloß vnn herrschafft Felltkirch, hab dise ding den merern tail gesehen vnd ... erfarn ... Dann ich mains gnädigen herren von Werdenberg Knecht bin gewesen vnd mit ym außgefaren gen Portigal, vnd mit ym wider haim kumen ...“ Seine Chronik besteht aus zwei Theilen, deren erster eine Anzahl unter einander gemischter Historien und Legenden enthält, welche mit einem römischen Kaiser Kurio beginnen, der mit seiner ganzen Familie und vielen edlen Römern im 2. Jahrhundert n. Chr. nach Rhätien und Schwaben gekommen sei. Diese Erzählungen, deren erste Niederschrift L. nicht abgesprochen werden kann, reichen bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts und bieten neben vielem Fabelhaften doch auch besonders über den Ursprung und die Herkunft der meisten schwäbischen Grafen und Freiherren nicht wenige Geschichten, denen historische Treue keineswegs fehlt, zumal betreffs solcher, die entweder in die Lebenszeit des Verfassers selbst oder seiner späteren Fortsetzer und Interpolatoren fallen, oder solcher, die kurz vor ihm und vor dem letzteren sich ereigneten; auch bezeugt er am Schlusse: „Ich hab dise ding den merern tail selbsten gesehen vnd auch vil an frumen leuten erfragt vnd erfahren, an warhafften herren, rittern vnd knechten die mich des gar warlich vnderricht habent“ – aber die ihm auch manche Fabel und manchen Bären mögen aufgebunden haben. Und solcher Fabeln und Märchen wegen fehlte es denn auch schon in früheren Zeiten nicht an ungünstigen und wegwerfenden Urtheilen wenigstens bezüglich einzelnder Theile dieser Geschichten. So äußert sich u. a. ein späterer schwäbischer Chronist, Hans Müller um 1566 (vgl. d. Art.) in seiner „Zimmer’schen Chronik“ (herausgegeben von Barack, vgl. das. III, 103 und 119): „Es fabulirt der Thoman von Rankweil wunderbarlich und ohne alle ordnung, iez von dem, dann von aim andern geschlecht, gleichwohl ohn alle grundt, das ain ieder, dem die alten geschichten onwißt, greiffen müssen, das er nur von hören sagen und wie von aim traum geschrieben hat, und wiewol er am ende selbiger cronica (Ausg. 1486. Bl. 6a) schöne historias geschrieben hat von dem graven von Montfort und auch den grafen von Werdenberg, so wurt es doch so einfeltiglich, als ob es ain gedicht und ain lauters mörlin wäre, beschriben“. Der zweite Theil unterscheidet sich von dem ersten gänzlich und enthält eine ganz kurze Chronik, die von der Erschaffung der Welt anhebt und sodann nach den Regierungsjahren der deutschen Kaiser von Karl d. Gr. an, in dem ersten Drucke bis auf das Jahr 1462 und in den späteren bis 1494 und 1500 fortgeführt ist. Ungeachtet des fabelhaften Inhaltes des ersten Theiles oder vielleicht gerade deshalb stand diese Chronik in den älteren Zeiten in großem Ansehen, wurde wiederholt gedruckt und ihr erstmaliger Druck zählt zu den Primitien der in Schwaben gedruckten deutschen Preßerzeugnisse. Derselbe erschien in Großquart mit dem Anfange (ein eigentlicher Titel fehlt): „IN gottes namen. In diser Cro- | nick würdet ... begriff | en gar vil mengerley schöner alter geschichten. so vor | mer dann tausend iaren geschehen zu den zeiten do die | schwäbischen land vnd andere land Haiden gewesen sind ...“, aus der Offizin des Konrad Dinckmut zu Ulm 1486 „an dem XII. tag des Jenners“ mit 63 unbez. Bl. und 21 rohen und ungeschickten Holzschnittfiguren. Dieser erste Druck bietet zugleich die Eigenthümlichkeit, daß alle Unterscheidungszeichen in lauter Punkten und meistens an unpassenden Orten bestehen und statt des Punktes auf dem i der griechische Acutus und auf dem Buchstaben u ein ganz geschlossenes, auf Diphthongen aber ein halbes Ringlein gesetzt ist; Abbreviaturen dagegen finden sich nur wenige. [748] Der ersten Auflage folgte noch im demselben Jahre und in demselben Formate und denselben Schriften und Figuren eine zweite „am dornstag nach vnser Frouwen himelfart“. Der dritte Druck geschah in Kleinquart und ohne Holzschnitte und ohne Jahr und Namen des Druckers zu Straßburg uff Grüneck (1494 durch Joh. Knoblauch) und der vierte, wiederum ohne Holzschnitte, 1500 „Zu Straßburg uff Grüneck durch Johannem Knobloch bey St. Barbaren Kapellen“. Eine Handschrift der Chronik aus dem 15. Jahrhundert (86 Bl. mit 20 illum. Zeichnungen) ist angezeigt in dem Catal. Cod. Monac I. N. 436. Proverbiale Ausdrücke (im zweiten Theile) enthält die Chronik etwa vierzig, worunter auch den bekannten Spruch über den Bischof Willegis zu Mainz nebst einer Erzählung über seinen Tod in einem Thurme des Rheins.

Fr. Irenicus, Exegesis Germ. Bl. 87. Stumpf, Schweizer-Chronik, Bd. 5. Cap. 19. Crusius, Ann. Suev. P. II. lib. IX. cap. 16. Goldast, Script. rer. Alemann. II. 142. J. J. Moser, Bibl. script. de reb. Suev. § 55. R. Wegelin, Anmerk. zu Th. L. Altschwäb. Geschichten, Lindau 1761. Leipziger Gel. Zeit. 1771. Nr. 31. Zapf, Buckdruckergesch. Schwabens S. 93–94. Panzer, Deutsche Annal. S. 160–161. Hain, Repert. 10116–10118.