ADB:Liebenstein, Ludwig August Friedrich Freiherr

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Artikel „Liebenstein, Ludwig August Friedrich Freiherr von“ von Friedrich von Weech in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 564–565, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Liebenstein,_Ludwig_August_Friedrich_Freiherr&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 01:53 Uhr UTC)
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Liebenstein: Ludwig August Friedrich Freiherr von L., badischer Staatsmann, geb. zu Birkenfeld am 27. November. 1781, † zu Durlach am 26. März 1824. Der Sohn eines (aus einer schwäbischen, der Reichsritterschaft angehörigen Familie stammenden) höheren Beamten des den Markgrafen von Baden zugehörigen Theiles der Grafschaft Sponheim, kam L. in frühen Jahren nach Emmendingen im Breisgau, wo sein Vater Obervogt der Grafschaft Hochberg geworden war und von da zur Fortsetzung seiner Ausbildung nach Karlsruhe auf das Gymnasium illustre. Nachdem er dieses durchlaufen, machte er seine Universitätsstudien in Jena, Göttingen und Heidelberg, um nach deren Vollendung am Oberamt zu Emmendingen, unter seines Vaters Leitung, in die juristische Praxis einzutreten. Seine erste Anstellung erhielt L. 1807 als Hofgerichts-Assessor, 1808 wurde er Hofgerichtsrath in Mannheim. 1809 als Kreisrath nach Wertheim versetzt, verließ L. den Staatsdienst, in welchen er jedoch schon 1811 als Oberamtmann zu Hornberg wieder eintrat, 1812 wurde er als Oberamtmann nach Lahr versetzt. In dieser Eigenschaft betheiligte er sich eifrig an der Organisation des Landsturms im J. 1813 und übernahm selbst den Oberbefehl über eine Abtheilung, die indeß nicht in kriegerische Wirksamkeit trat. Als 1819 die ersten Wahlen zum badischen Landtag stattfanden, fiel die Wahl des Amtsbezirks Emmendingen auf L., dessen warmer Patriotismus eben so bekannt war wie seine hohe Begabung, seine vielseitige Bildung, seine glänzende Beredsamkeit. Von letzterer hatte er ganz hervorragende Proben in den Festreden geliefert, welche er in den Jahren 1814, 1815 und 1818 auf dem Schutterlindenberg bei Lahr zur Erinnerungsfeier der Schlacht bei Leipzig gehalten hatte. Bei den Berathungen des Landtages im J. 1819 entwickelte L. eine umfassende und einflußreiche Thätigkeit. Er selbst brachte – dies war der Ersatz für die den Kammern versagte Initiative – Motionen ein auf Trennung der Justiz von der Verwaltung, auf Einführung des öffentlichen und mündlichen Verfahrens in bürgerlichen und peinlichen Rechtssachen, er sprach für Geschworenengerichte und Preßfreiheit, in denen er die zwei Hauptpfeiler eines Verfassungsstaates erblicke, für den freien Verkehr zwischen den Bundesstaaten, er befürwortete die Abschaffung der Zehnten und deren Verwandlung in eine ihrem Reinertrag etwa entsprechende Grundabgabe. Als anerkannter Führer der dem Fortschritt huldigenden Abgeordneten – organisirte Parteien kannten jene Flittermonde des süddeutschen Constitutionalismus noch nicht – ragte er nicht nur als glänzender Redner bei Vertheidigung seiner und seiner Genossen Anträge, sondern insbesondere auch durch die Schlagfertigkeit hervor, die er in der Debatte bewies. Sein heftigster Angriff war gegen das sog. Adelsedict vom 16. April gerichtet, das dem grundherrlichen Adel Vorrechte einräumen sollte, durch welche die Beamten des absolutistischen Staates die Landeshoheit des Souveräns und die Liberalen des constitutionellen [565] Staates die verfassungsmäßige Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz bedroht sahen. Nach der Verhandlung über das Adelsedict wurde die Kammer ungnädig vertagt und L. zum Oberhofgerichtsrath in Mannheim ernannt. Als im J. 1820 die Kammer wieder zusammentrat, wurde ihm Anfangs der Urlaub zum Eintritt in dieselbe versagt. Nachdem diese Maßregel wieder zurückgenommen war, nahm L. hervorragenden Antheil an den Landtagsverhandlungen, insbesondere als Berichterstatter über das Conscriptionsgesetz und das Gesetz über Aufhebung der aus der Leibeigenschaft herrührenden Abgaben. Seine die Gegensätze zwischen Regierung und Kammer vielfach vermittelnde Thätigkeit veranlaßte den Minister v. Berstett, L. in das Ministerium zu berufen. 1821 wurde er zum Geheimen Referendär im Ministerium des Innern ernannt. In dieser Eigenschaft arbeitete er den Entwurf einer Gemeindeordnung aus, welchen er im Jahre 1822 als Regierungscommissär in der II. Kammer vertrat, der er nach wie vor als Abgeordneter angehörte. Vergebens versuchte L. seine Doppelstellung zur Ausgleichung und Versöhnung der immer mehr hervortretenden Gegensätze zwischen der Regierung und den entschiedenen Liberalen der II. Kammer zu verwenden, die jetzt eben an v. Itzstein einen begabten und entschlossenen Führer gewonnen hatten. Wie hoch ihn die Kammer schätzte, beweist seine Ernennung zum Vicepräsidenten. Solche Ovation trieb ihn indeß nicht wieder in die Reihen der Opposition, ebensowenig als die Täuschung, die er erfuhr, da er im Herbst 1822 nicht zum Justizminister ernannt wurde, wie er und seine Freunde erwartet hatten. Er trat vielmehr, als Itzstein und seine Anhänger bei Berathung des Militärbudgets den bis dahin chronischen Conflict mit der Regierung zu einem acuten machten, indem sie die von der Regierung mit Berufung auf ihre Bundespflicht verlangte Summe abzumindern beantragten, sehr entschieden für die Regierungsforderung ein, unter scharfer Betonung der Gefahren, mit welchen eine Ablehnung das constitutionelle Wesen bedrohen werde. Mit der Mehrheit von nur einer Stimme erfolgte trotzdem die Ablehnung, und wie L. vorausgewußt, begann nun eine der Verfassung feindliche Reaction. Die herrschende Strömung konnte einen Mann wie L. nicht länger im Ministerium dulden. Unter dem Vorwand einer Beförderung wurde er als Kreisdirector nach Durlach versetzt[WS 1]. Dort erlag er im kräftigsten Mannesalter einer Lungenentzündung. Varnhagen von Ense, der seine Thätigkeit auf dem ersten Landtag beobachtet hatte, war der Meinung (s. Denkwürdigkeiten 9, 522), daß L. in größere Verhältnisse versetzt, den größten Angelegenheiten vorzustehen fähig gewesen wäre. Litterarisch war L. auf dem militärischen Gebiete, zu dem ihn seine Neigung frühzeitig hinzog, mehrfach thätig. Er veröffentlichte in den von Rotteck redigirten „Teutschen Blättern“ (1814) den Plan zu einer „Befestigung der Grenzen Teutschlands“, sodann (1817) eine Schrift „Ueber stehende Heere und Landwehr“, endlich (1819) ein zweibändiges Werk: „Der Krieg Napoleons gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813“. Auch seine Festreden zum Gedächtniß der Leipziger Schlacht sind im Druck erschienen. Seinen Vorsatz, mit Rotteck eine historisch-politische Zeitschrift „Klio“ zu gründen, konnte er nicht ausführen, da ihn von 1819 an die Pflichten des Staatsmannes ausschließlich in Anspruch nahmen.

Badische Biographien, 2, 23.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: verletzt