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Artikel „Lettou, Johannes“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 462–465, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lettou,_Johannes&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 11:14 Uhr UTC)
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Letzner, Johannes
Band 18 (1883), S. 462–465 (Quelle).
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Lettou: Johannes (John) L., deutscher Drucker zu London im 15. Jahrhundert. Seiner Heimath nach ein Belgier, war er zuerst einer der Gehülfen William Caxton’s in dessen Officin und später selbständiger Drucker. Es ist erforderlich, vorerst Caxton einige Worte zu widmen, nicht blos weil die Druckerei desselben ausschließlich Deutschen zur Leitung und Oberaufsicht anvertraut war, sondern auch nach seinem Tode als Eigenthum eines dieser Gehülfen fortgeführt wurde, dann auch, weil Caxton nach den bisherigen Annahmen auch zu Köln die Buchdruckerkunst betrieben haben soll. Der Vater der englischen Typographie, W. Caxton, ein Londoner Bürger und Kaufmann, geb. 1412 zu Weald in Kent, † zu Ende des J. 1491 zu London, war wegen Handelstractate zwischen England und Burgund von Eduard IV. als einer der Abgeordneten nach Brügge gesendet worden. Hier, sowie in Niederdeutschland, lebte er als Geschäftsmann und Agent (Resident, etwa Consul) 35 Jahre. Während dieser Zeit beschäftigte er sich auch mit litterarischen Arbeiten, begann 1469 die Uebersetzung des Werkes des Hofcaplans Raoul le Fèvres: Recueil des histoires de Troyes ins Englische, und da diese Uebersetzung großen Beifall fand, so faßte er den Entschluß, sie durch den Druck vervielfältigen zu lassen. Die Schlußschrift dieser Uebersetzung aber lautet: „Therfor i have practysed et [463] lerned at my grote charge and dispense this book in printe afte the maner et forme as ye may here see, and is not wreton with penne and ynke as other bokes ben, to thende that every man may have attones, ffor all the books of this story, thus emprynted as ye here see were begonne in oon day, and also fynyshid in oon day“. Caxton beendigte diese Uebersetzung den 19. Sept. 1471 zu Köln und in den J. 1473–75 erschien als erstes englisch gedrucktes Buch: „The recuyell of the historyes of Troy“, 351 Folioseiten. Weil aber diese Schlußschrift zu Köln geschrieben wurde, so nahm man bis in die neueste Zeit ohne weitere Prüfung an, daß das Buch auch daselbst gedruckt und zwar der Presse des Ulrich Zell entstammt sei. Allein eingehende exacte Forschungen neuerer englischer Bibliographen (vgl. die unten angeführten Quellen) haben aus inneren und äußeren Merkmalen mit den überzeugendsten Gründen dargethan, daß es, wie auch noch weitere sieben Drucke, aus der Officin des Colard Mansion (vgl. den Art.) zu Brügge hervorgegangen ist; denn die bemerkenswerthesten Eigenthümlichkeiten, welche die gedruckten Erzeugnisse des letzteren so sehr kennzeichnen, können auch in den sämmtlichen Caxton’schen Drucken des Festlandes verfolgt werden. Zu dieser falschen Annahme glaubte man sich auch deshalb berechtigt, weil man (Madden, Lettres d’un bibliographe, Paris 1875, IV. 232) seine durch in einander verschlungene Buchstaben mit Ziffern gebildete Devise: S. W. 74. C. C. in die Worte auflösen zu können meinte: William Caxton. 1474. Sancta Colonia. Ein weiterer, angeblich zu Köln hergestellter und datirter Druck, von dem bis jetzt jedoch kein einziges Exemplar aufgefunden wurde, ist: „Bartholomeus de Proprietatibus rerum“, dessen Existenz der Gehülfe und Nachfolger des Caxton, Wynkin de Worde, in den Worten bezeugt (Herbert a. a. O. I. 2. 4. 199):

„And also of your charyte call to remembraunce
     The soule of William Caxton first printer of this boke
In laten tonge at Coleyn hyself to auaũce
     That euery well disposyd man may thereon loke“.

Doch müssen wir, wendet zur Entkräftigung dieses Zeugnisses Blades, S. 66 mit Recht ein, bedenken, daß W. de Worde damals noch allzu jung war, um irgend welche persönliche Kenntniß von Caxton’s frühesten Arbeiten zu haben; vielmehr haben wir diesen Bericht nicht als einen mit Bedacht und zu dem Zweck gemachten anzusehen, der Nachwelt etwas über seinen früheren Prinzipal mitzutheilen. Während des Druckes seiner erwähnten Uebersetzung aber scheint Caxton an der Ausübung der Buchdruckerkunst selbst Gefallen gefunden und dieselbe wenigstens im Allgemeinen kennen gelernt zu haben. Denn, als er endlich nach langer Abwesenheit in sein Vaterland zurückkehrte, führte er nicht nur die Einrichtung einer typographischen Officin mit sich, sondern was wichtiger war, es begleiteten ihn als technische Arbeiter und Gehülfen mehrere deutsche Drucker, zu denen Johannes L., Wilhelm von Mecheln und Wynkin von Worde und wahrscheinlich auch William Copland, sowie Petrus Treviris u. a. m. gehörten. Die Anzahl der durch dieses deutsche Personal hergestellten Druckwerke beläuft sich auf 94, wovon er sieben zu Brügge hatte ausführen lassen. Denn Caxton selbst beschäftigte sich als praktischer Engländer mehr mit dem merkantilen Theil seines Geschäftes, auf tüchtigen Absatz seiner Bücher und raschen Gewinn bedacht, den technischen Theil der Arbeit aber seinen Gehülfen überlassend. Eine facsimilirte Probe aus seinen „Canterbury Tales“, sowie eine Randleiste aus einem Gebetbuche des J. 1490 (The fifteen O’s), aus welch letzterer zu ersehen, wie roh und unpassend seine Randverzierungen noch beschaffen waren, finden sich bei Faulmann, S. 209. Seine Originaldrucke aber zählen zu den größten Seltenheiten, befinden sich meistens in englischen Händen und werden zu den [464] theuersten Preisen erstanden: für ein obendrein defektes Exemplar von The hystories of Troy wurden (Kölnische Zeitung, 1826, Nr. 63) in der Bücherversteigerung des Herzogs von Roxburgh 1060 Pfd. Sterling 10 Sch. (über 21000 Mark) gezahlt. Am 30. Juni 1877 wurde zur Feier des 400jährigen Jahrestags der Einführung der Buchdruckerkunst in England eine Ausstellung seltener Drucke in London eröffnet, deren Kern die Caxton’schen Werke bildeten und deren Zahl d. h. Exemplare auf 159 sich belief, welche von der Königin Victoria, dem Earl Spencer, dem Herzog von Devonshire u. a. hergeliehen waren. Es ist zu bedauern, daß wir über die äußeren Verhältnisse der Gehülfen, welche diese Werke druckten, so gut wie gar keine Nachrichten haben und daß selbst die bewährtesten englischen Forscher hierüber nur sehr wenig zu sagen wissen. Was zunächst L. betrifft, so war er von Geburt ein Niederländer und sehr wahrscheinlich aus Brügge selbst gebürtig, war aber nur bis zum J. 1479 oder 1480 in der Werkstätte Caxtons beschäftigt und druckte dann 1480–81 selbstständig zu London. In dieser Eigenschaft veröffentlichte er 1480 die zwei Bücher „Antonii Andreae Questiones super XII libros Metaphysicae“, Fol., und 1481: „Jacobi (Perez) de Valentia Expositiones Psalmorum XL“, Fol., beide auf Kosten des Wilhelm Wilcock. Hierauf verband er sich mit seinem Landsmann Wilhelm von Mecheln (W. de Machlinia) und beide ließen bis 1483 erscheinen des Thomas Lyttleton „Tenures“ (Statuta legum lingua veteri normannica) und dasselbe Buch nochmals, wobei die Statuta alphabetisch geordnet wurden, beide in Folio, Wilhelm aber für sich allein veranstaltete eine neue Ausgabe dieses vielbegehrten Buches, sowie eine „Expositio orationis Dominice et monita ex Isidoro“, 4°. Beide Drucker unterzeichneten „in Ciuitate Londoniarum iuxta ecclesiam omnium sanctorum“, dann Wilhelm für sich „iuxta pontem qui vulgariter dicitur Flete brigge“; als sein Verleger erscheint der deutsche Buchhändler Vrankenberg „mercator“. Beide aber wurden weit überflügelt von einem dritten Gehülfen Caxtons, Wynkin de Worde, als dessen Heimath von einigen Lothringen, von anderen Worth in Belgien genannt wird, und ebenso ungewiß ist, welches sein eigentlicher Name gewesen sei, denn wie Caxton’s Namen bald als Caxton, Caxston, Caston und Caxon erscheint, so der des Wynkin de Worde in 14 verschiedenen Variationen, unter denen jedoch der erste sowie in lateinischen Drucken Wynandus de Worde und Winandus Wordensis die häufigsten sind. Er war der ausgezeichnetste unter den deutschen Mitarbeitern Caxtons und verdient als einer der bedeutendsten Typographen seiner Zeit geschätzt zu werden. Wann er aber in die Dienste Caxton’s trat, ist unbekannt, wahrscheinlich geschah es schon in frühem Alter, da er 1535 noch lebte und kam zugleich mit Caxton nach England. Nach dem Ableben des letzteren gelangte er in den Besitz von dessen Officin, nachdem er bis dahin sein Gehülfe geblieben war. Sogleich nach demselben vollendete er noch drei von diesem begonnenen Werke, worunter die „Canterbury Tales“, setzte aber vor 1494 nicht seinen eigenen Namen unter seine Bücher. Auch in seines verstorbenen Meisters Wohnung verblieb er noch über sechs Jahre, bis er seine Druckerei nach Fleetstreet, noch gegenwärtig der Mittelpunkt der Londoner Druckindustrie, in ein Haus der Parochie St. Bride, geschildet „Zur Sonne“ (the signe of the sonne) verlegte und in einem Drucke von 1509, wo er sich auch „Bibliopola“ nennt, bezeichnet er seine Wohnung noch näher „Fleete strete vel in cimisterio sancti Pauli, ad intersignium divae Mariae pietatis“. Wie er als Drucker seinen Meister bedeutend übertraf, so war er wahrscheinlich auch Schriftgießer, denn seine Typen sind ganz verschieden von den bis dahin verwendeten und zeichnen sich durch Schönheit des Gusses und vorzügliche Zurichtung aus. Sein Druckerzeichen besteht aus einer Verbindung des Monogramms Caxton’s mit dem eigenen Namen. [465] Die Anzahl der Werke, welche aus seiner Presse hervorging, beläuft sich auf 410 und unter diesen ist eines der schönsten das Polychronicon in Folio aus dem J. 1495. Zu erwähnen ist auch sein Druck „The grote shyppe of fooles of this worlde“, 1517, 4°, worin gesagt wird, daß der Buchhändler „Henricum Watson, requirente magistro suo W. de W. et exhortante Margaretha, Henrici VIII. parentis, librum hunc per Jac. Locher ex germanico in latinum, et ex latino in gallicum versum, ex gallico in prosam anglicanam traduxisse“; vgl. auch C. Schmidt, Hist. littér. de l’Alsace, II. 344–45. Sein letzter Druck war der „Esop“ aus dem J. 1535. Auch Wilhelm Copland blieb noch einige Zeit nach dem Tode des Caxton in Wynkin’s Diensten und auch er sagt in seinem Prologe zum „Kynge Apolyne of Thyre“ von seinem ehemaligen Principale „mein Meister Caxton“. Ein Bruder oder Verwandter desselben scheint Robert Copland gewesen zu sein, der mehrere Werke aus dem Französischen ins Englische übersetzte und von 1510–30 auch als Buchhändler erscheint; in dem soeben erwähnten Buche Kynge Apolyne of Thyre 1510 nennt er sich „interpres ex gallico Robertus Coplandus, tunc temporis Winandi de Worde in arte typogr. discipulus“ und in einem solchen von 1515 unterzeichneter sich „in Flete strete, at the signe of the rose garland“. Peter Treviris (Trier) endlich erscheint als selbständiger Drucker in den J. 1514–30 „in suburbio Londoniensi vulgariter Southwarke nuncupato“. Ein anderer Gehülfe Caxton’s war Richard Pynson aus der Normandie, der 1493–1531 215 Werke veröffentlichte und von Heinrich VII. zum Hofbuchdrucker ernannt wurde. Auch er spricht höchst achtungsvoll von Caxton als seinem ehrwürdigen Meister, gebrauchte auch dessen Devise in seinen Büchern; sein Verleger war im J. 1499 ein Deutscher, der Buchhändler Friedrich Egmondt. Das Bildniß Caxton’s findet sich bei Herbert, I. XCIV, das des L. nebst Drucken I. 111–112, des Mechlin 112 bis 116, des Wynkin I. 117–237 und das Druckerzeichen des Peter Treviris aus dem J. 1526 III. 1441.

W. Blades, Biography and Typography of W. Caxton, Lond. 1882, 8° und dessen How to tell a Caxton, ibid. 1870, 12° mit der Devise Caxton’s und Schriftproben. W. Herbert, Typographical antiquities, Lond. 1785 bis 1819, 4 Thle., 4°. Le Bibliophile belge V. (1848) p. 214, 217–94. Caxton Celebration, 1877, Lond. 1877. Lorck, Gesch. der Buchdruckerkunst, I. 71–73, 258–59. Faulmann, Illustr. Geschichte der Buchdruckerkunst, S. 183–84. Panzer, A. T., I. 507. IV. 347. 496.