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Artikel „Leisentritt, Johannes“ von Franz Schnorr von Carolsfeld in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 221–223, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Leisentritt,_Johannes&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 21:19 Uhr UTC)
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Leisentrit: Johann L. von Julisberg, Domdechant, geb. zu Olmütz wahrscheinlich 1527, † zu Bautzen im November 1586. Die Angabe, daß er am 18. April 1520 geboren sei, beruht auf einem Irrthume, der zuerst, wie es scheint, in Pelzel’s unten anzuführendem Buche begegnet. Daß er im November 1586 starb, ist durch Inschriften und durch die ihm gewidmete, im Druck erschienene Gedächtnißrede von Rupertus sicher bezeugt; zweifelhaft ist nur, ob sein Todestag der 23., 24. oder 25. November war. Denn die erwähnten Inschriften bieten den erstgenannten Tag, während nach den handschriftlichen Bautzener Annalen in dem Manuscript L 13e der königlichen öffentlichen Bibliothek zu Dresden er am 25. November, dem Tage Katharinae, Abends zwischen 6 und 7 Uhr gestorben sein soll und die angeführte Gedächtnißrede den 24. November als seinen Todestag bezeichnet, sowol in dem Datum VIII. Calend. Decemb., welches ihr Titel enthält, als in einem mit den Buchstaben C. L. unterzeichneten Chronostichon (Bl. Eiijverso), welches Tag, Monat und Jahr seines Todes folgendermaßen ausdrückt: „BIs ter qVarta DIes sVrgebat In aXe NoVeMbrIs, [222] PraesVL Ioannes regna beata petIt“. Ist nun die Angabe richtig, welche sich in Martin Meister’s Annales Gorlicenses (Scriptores rerum Lusaticarum, T. I., Lips. et Budiss. 1719, P. 2 S. 47) findet, daß er sein Alter auf 59 Jahre 6 Monate und 13 Tage gebracht habe, so ist auf Grund derselben seine Geburt in den Mai des Jahres 1527 zu setzen, wie man zu demselben Geburtsjahre übereinstimmend auch durch die Berechnung gelangen kann, welche durch die Umschriften einiger Porträts von ihm ermöglicht wird, die eine Jahreszahl und zugleich eine Bezeichnung seines Lebensalters enthalten. Ich kenne drei Porträts, welche das Jahr 1566 in Verbindung mit seinem 39., 1571 mit seinem 45. und 1578 mit seinem 51. Lebensjahre nennen (Unschuldige Nachrichten 1721, Kupfer vor dem 6. Beytrag; Leisentrit, Constitutio veteris apostolicae et orthodoxae ecclesiae, Budiss. 1572, Rückseite des Titelblattes; Catholisch Pfarbuch, Cöln 1578, S. 199). – Leisentrit’s Eltern, Jacob und Rosina, gehörten dem Handwerksstande an. Er studirte mehrere Jahre in Krakau gleichzeitig mit dem ihm befreundeten, nachmaligen Prager Erzbischof Antonius Brus und hielt sich dann, bis er die Priesterweihen empfangen hatte, an dem kaiserlichen Hofe zu Wien als Hofmeister vornehmer junger Leute auf. Im J. 1549 kam er als Domherr nach Bautzen und erhielt hier 1559 die Würde eines Dechanten, die er bis zu seinem Tode während einer für die Entwickelung der kirchlichen Verhältnisse in der Lausitz höchst wichtigen Zeit versah. Schon im J. 1560 übertrug ihm Johann IX., letzter Bischof von Meißen, das Amt eines Generalofficials über die Lausitz. Nachdem der genannte Bischof zum Protestantismus übergetreten war, wurde L. für die Lausitz nach deren Abtrennung von der geistlichen Jurisdiction des Bisthums Meißen im J. 1561 als Administrator ecclesiasticus mit bischöflicher Gewalt eingesetzt. In Ausübung dieses Amtes wußte er durch Klugheit und Mäßigung ohne jede Gewaltthätigkeit die katholische Kirche der Lausitz vor drohenden Verlusten zu bewahren und der Ausbreitung des Protestantismus zu wehren. Er ließ die Anwendung der deutschen Sprache bei der Taufe zu und begegnete mit Vorsicht den Gefahren, mit welchen der deutsche Kirchengesang der Protestanten den Katholicismus bedrohte; mit seiner Zustimmung wurden sogar Bestimmungen vereinbart, welche das Bestehen einer für den Gottesdienst der Katholiken und Protestanten gemeinsamen Simultankirche in Bautzen ermöglichten. Der Erfüllung seiner kirchenpolitischen Aufgabe dienten auch die meisten seiner im Druck erschienenen Schriften, unter denen die beiden wichtigsten sind seine „Geistlichen Lieder und Psalmen“ (2 Theile, zuerst Budissin 1567), das zweite deutsche Gesangbuch katholischen Ursprungs, und sein „Catholisch Pfarbuch“ (Cöln 1577). Durch seine Mäßigung setzte er sich bei katholischen Eiferern dem Verdachte aus, daß es ihm mit der Erhaltung der katholischen Kirche nicht Ernst sei. Mehrfach gerieth er mit seinen Canonici in Mißhelligkeiten. Ein Verzeichniß von Beschwerdepunkten, welches von diesen im J. 1573 aufgestellt wurde, enthielt unter Nr. XXX gegen ihn auch die folgende Anklage: „Edidit libellum contra Annam, Caipham, Herodem et Judam Iscariothen canonicos et confratres suos insimulando“; das Vorhandensein einer solchen von ihm herrührenden Schrift ist bis jetzt noch nicht nachgewiesen worden.

Gregor. Rupertus, Oratio funebris in obitum Joannis Leisentritii a Julisberg, Budiss. o. J. 4°. (Jo. Ch. Wagner), Epitaphia Budissinensia, Budiss. 1696, 8°, S. 4, 6, 7. Chrn. Schöttgen und Ge. Ch. Kreysig, Nachlese der Historie von Ober-Sachsen, Thl. 6, Dreßd. u. Leipz. 1731, 8°, S. 306–334. Universallexikon, Bd. XVII, Halle u. Leipz., Zedler, 1738, fol., Sp. 2–4. (Fr. M. Pelzel), Abbildungen böhmischer und mährischer Gelehrten, Thl. 4, Prag 1782. 8°, S. 28–35. G. F. Otto, Lexikon der Oberlausitzischen Schriftsteller, Bd. II, Abth. 2, Görlitz 1803, 8°, S. 430–433. Joh. Dan. [223] Schulze, Supplementband zu Otto’s Lexikon, Görlitz 1821, 8°, S. 238 f. Adelung-Rotermund, Fortsetzung zu Jöcher, Bd. III, Delmenhorst 1810, 4°, Sp. 1546 ff. Neues Lausitzisches Magazin, Bd. XXXIII, Görlitz 1857, 8°, S. 164–185, 209 ff.; Bd. XXXVI S. 382–407; Bd. XLVIII S. 8–27. Archiv für die Geschichte deutscher Sprache und Dichtung, herausgeg. von J. M. Wagner, Bd. I, Wien 1874, 8°, S. 337–354.