ADB:Leibrock, August
Theod. Schacht (s. A. D. B. XXX, 772 ff.) geschlossen haben wird; doch kann er die Prima dieses Gymnasiums nicht besucht haben, da er unter deren Schülern nicht aufgeführt wird. Im J. 1805 treffen wir ihn wieder in Blankenburg, das er im April 1806 verließ, um nach Braunschweig überzusiedeln. Hier ertheilte er Privatunterricht bis um die Mitte des Jahres 1810, wo er wieder nach Blankenburg zurückkehrte. Er vermählte sich hier am 8. September d. J. mit Johanne Aug. Vict. Proha, der Tochter des Handschuhfabrikanten Aug. Siegfr. Proha in Braunschweig, und besorgte ein paar Jahre die Geschäfte eines Copisten bei der Mairie. Vor dem Herbste des Jahres 1813 siedelte er abermals, nun zu bleibendem Aufenthalte, nach Braunschweig über, wo er anfangs wieder als Privatlehrer, dann als Schullehrer der zweiten Classe der Altenwieker Gemeindeschule zu St. Magni genannt wird. Ein Halsleiden, das Schwindsucht befürchten ließ, nöthigte ihn um das Jahr 1827 den Schuldienst aufzugeben. Er übernahm die Leitung einer Leihbibliothek, bei deren Führung ihn seine Gattin auf das thätigste unterstützte; Anfang Mai 1828 wird er schon als Leihbibliothekar bezeichnet.
Leibrock: Johann Ludwig August L., Romanschriftsteller, † 1853, wurde am 27. November 1782 zu Blankenburg a. H. geboren. Sein Vater Christian Ludwig Leibrock († 1821) war Leineweber und versah zugleich die Stelle eines Raths-Citators; seine Mutter Joh. Marie († 1841) war eine geb. Wulfert. L. besuchte die Bürgerschule seiner Vaterstadt und dann, wie es scheint, das Gymnasium Katharineum in Braunschweig, wo er seine bis zum Tode währende Freundschaft mit dem StudienratheSeine Hauptthätigkeit wurde jetzt aber durch die Schriftstellerei in Anspruch genommen, die er schon etwa zehn Jahre vorher begonnen hatte. 1818 war sein erstes Werk „Wilhelm von Barnholm und Emilie Liebreich oder Die Gewalt der Liebe“ erschienen, dem im Jahre darauf „Der taube See, oder Das St. Stephani-Kloster, eine Ritter- und Klostergeschichte aus dem 13. Jahrhundert“ folgte. Es sind dies die einzigen Bücher von ihm, die in Braunschweig verlegt wurden. Alle späteren erschienen bei Christian Ernst Kollmann in Leipzig. Ihre Zahl ist eine sehr bedeutende. Die 51 Werke, die in K. Goedeke’s Grundrisse z. Gesch. d. d. Dichtung, Bd. VI (2. Aufl.), S. 409 ff. aufgeführt werden, reichen nur bis zum J. 1841 und sind auch, zumal in den letzten Jahren, keineswegs vollständig genannt. In Wahrheit hat L. 79 Werke in 139 Bänden verfaßt. In den 36 Jahren von 1818 bis 1853 verging nur ein einziges (1849), in dem kein Roman von ihm erschien; in 10 Jahren kam je einer, in 11 je 2, in 9 je 3 und in 5 je 4 meist zwei-, selten dreibändige Romane heraus. Vom Jahre 1844 an erschienen sie mit dem Nebentitel „August Leibrock’s Schriften“; sie begannen mit dem 103. und 104. Bande, die früheren Bände 1–102, sowie 107 und 108 sind als Theile dieser Gesammtausgabe nicht mit ausgegeben. Nicht mit eingeschlossen sind in diese Zählung die beiden in Braunschweig verlegten Werke und das 1827 erschienene „Neue Raritäten-Kabinet, eine Sammlung der neuesten und interessantesten Anekdoten“, die einzige nicht romanhafte Arbeit, [624] die von L. herrührt. Ein paar kleinere Werke sind schon früh (1823) unter dem Titel: „Kleine Romane und Erzählungen“ wiederholt worden; von einer Anzahl der Romane sind später zweite Ausgaben herausgegeben. Schon dieser Umstand, sowie das unausgesetzte Erscheinen stets neuer Werke in demselben Verlage beweist, wie beliebt die Schriften Leibrock’s zu ihrer Zeit gewesen sind. Sie haben in der That ein paar Jahrzehnte hindurch für weite Kreise, insbesondere für die Leihbibliotheken, deren Bedürfnisse L. schon aus seiner späteren Stellung ebenso wie den Geschmack des großen Publicums auf das genaueste kannte, den wichtigsten Lesestoff geboten. In dieser Hinsicht, wie in der Fruchtbarkeit seines Schaffens ist er mit seinem Landsmanne August Lafontaine (s. A. D. B. XVII, 512 ff.) zu vergleichen, dessen Wirksamkeit fast genau zu der Zeit aufhört, wo die Leibrock’s beginnt. In einem Werke des Letztern, der „Familie von Kronstein“ (1826), hat man geradezu auch eine Anlehnung an Lafontaine’s „Karl Engelmanns Tagebuch“ (1800) finden wollen (Blätter f. literar. Unterhaltung 1827, Beil. 6). Ist es auch bei der erstaunlichen Menge der verfaßten Werke, deren Herstellung unwillkürlich einen etwas geschäftsmäßigen Charakter annehmen mußte, nur natürlich, daß sie vor einer strengen ästhetischen Kritik nicht ganz Stich halten können, so haben diese Schriften als weitverbreitetes Bildungs- und Unterhaltungsmittel dennoch ihre unbestreitbare litterarische und culturgeschichtliche Bedeutung, und es ist schon mit Recht darauf aufmerksam gemacht worden, daß sie nirgends eine schlechte Tendenz verfolgen, vielmehr durch die Belohnung der Tugend und die Bestrafung des Lasters nur eine moralische Wirkung ausüben können. Auch geschichtliche Interessen wurden vielfach durch Leibrock’s Romane angeregt. Er nahm seine Stoffe gern aus der heimischen Geschichte. So hat er in „den schwarzen Husaren. Kriegerischem Halbroman aus d. J. 1809“ die Zeit und die Thaten Herzog Friedrich Wilhelm’s von Braunschweig-Lüneburg-Oels behandelt. Viel häufiger wandte er sich aber einer früheren Zeit zu, wo seine Vorliebe für Schauergemälde, Räuber-, Ritter-, Kloster- und Geistergeschichten, wie er seine Erzählungen oft selber benannte, reichlichere Nahrung finden konnte; besonders in das Mittelalter, sowie nach Italien und Spanien hat er deshalb den Schauplatz der Handlung seiner Romane vielfach verlegt. Sie sind es vorzugsweise, die seinen Namen in der älteren Generation noch heute lebendig erhalten. Bis in ein hohes Alter hat L. diese schriftstellerische Thätigkeit fortgesetzt; er starb am 18. März 1853 an einem Lungenschlagflusse. Seine Wittwe hat die Führung der Leihbibliothek noch etwa bis 1865 fortgesetzt und ist erst am 21. März 1874 gestorben. Von seinen fünf Söhnen sind zwei in zartem Kindesalter verschieden, die andern drei haben sich angesehene Lebensstellungen errungen; der älteste Adolf (Joseph) trat früh in das Orchester zu Braunschweig, in dem er als Kammermusikus bis zum Jahre 1876 gewirkt hat. Er besaß sehr gründliche und umfassende musikwissenschaftliche Kenntnisse, verfaßte eine „Musikalische Akkordlehre für Lehrer und Lernende“ (Leipzig 1875), auf Grund deren er sich den philosophischen Doctorgrad errang; er starb zu Berlin am 8. August 1886. Der zweite Sohn Eduard war ein rühriger Verlagsbuchhändler in Braunschweig, wo er am 7. März 1873 gestorben ist. Der dritte, August, ist in Rußland Artillerieofficier gewesen, in den Adelstand erhoben und am 22. April 1880 in Petersburg gestorben.
Ein Neffe August Leibrock’s war der namentlich als Harzschriftsteller bekannte Gustav Adolf (Friedr. Aug.) Leibrock, der am 25. März 1819 in Blankenburg geboren wurde. Er war Kaufmann und lange Jahre im Ehrenamte [625] für die Verwaltung seiner Vaterstadt thätig, anfangs (1852–62) als Abgeordneter, dann (1863–66) als Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung, zuletzt (1867–72) als Mitglied des Magistratscollegiums. Für die Jahre 1869–74 war er von den Höchstbesteuerten des Kreises Blankenburg auch als Vertreter in die Braunschweigische Landesversammlung gewählt. Schon 1842 erschien von ihm ein Buch über die Sagen des Unterharzes, 1843 über die des Oberharzes, 1860 ein Wanderbuch für Harzreisende, dem in den folgenden Jahren besondere Schriften über die Baumannshöhle, den Brocken, das Bodethal und Treseburg folgten. Sein Hauptwerk ist die noch immer werthvolle „Chronik der Stadt und des Fürstenthums Blankenburg“ (Blankenburg I. II, 1864. 65), die ein Ergebniß emsigen Fleißes, guter Localkenntniß und reger Sammelarbeit bildet. Von letzterer sind auch die reichen handschriftlichen Schätze Zeugniß, die er für die Geschichte seiner Heimath zusammenbrachte, und die sein Sohn dem herzogl. Landeshauptarchive in Wolfenbüttel geschenkt hat. Er starb in Blankenburg a. Harz am 24. Mai 1878. – Ob ein paar „Rittergeschichten“, die 1834 und 1835 unter dem Namen A. F. A. Leibrock bei Fürst in Nordhausen erschienen, von einem anderen Mitgliede der Familie herrühren, oder ob der für Werke der Art bekannte Name nur als Aushängeschild benutzt werden sollte, müssen wir dahingestellt sein lassen.