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Artikel „Lehr, Julius“ von Max von Heckel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 622–623, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lehr,_Julius&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 20:50 Uhr UTC)
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Lehr: Julius L., wurde am 18. October 1845 in Schotten (Oberhessen) geboren. Nachdem er seine Gymnasialbildung vollendet hatte, bezog er die Universität Gießen, um sich dort dem Studium der Staats- und Cameralwissenschaften zu widmen. Im J. 1868 wurde er Lehrer an der Forstakademie in Münden und folgte 1874 einem Rufe an die technische Hochschule zu Karlsruhe, wo er eine etatsmäßige Professur für Volkswirthschaftslehre erhielt. Nach zehnjähriger Wirksamkeit vertauschte er diesen Lehrstuhl mit einem solchen an der staatswirthschaftlichen Facultät der Universität München im J. 1885. Neben allgemein nationalökonomischen Vorlesungen hatte er hier vor allem Forstgeschichte, Forststatistik und Forstpolitik zu vertreten und war vor die Aufgabe gestellt, den Studirenden der Forstwissenschaft eine allgemein volkswirthschaftliche Bildung auf breiterer Grundlage zu vermitteln. Er starb im September 1895 in München.

Neben einer Mehrzahl von Arbeiten, die sich mit forstpolitischen und landwirthschaftlichen Specialfragen beschäftigen und die im Zusammenhang mit seiner Lehrthätigkeit entstanden sind, liegt Lehr’s Forschungsgebiet in erster Linie im Bereiche der Statistik und der theoretischen Nationalökonomie. Er hat dabei eine nähere Verbindung der Mathematik mit den volkswirthschaftlichen Problemen versucht. Er ist daher zu den Hauptvertretern der mathematischen Methode in der Nationalökonomie zu zählen und stand daher stets den österreichischen Volkswirthen der Menger’schen Schule näher als seinen deutschen Fachgenossen der historisch-ethischen Richtung. Bei seinen Veröffentlichungen war er insonderheit bemüht, mathematische Formeln nach ihrem Geiste anzuwenden und er hat deshalb die scheinbar wissenschaftliche, aber im höchsten Grade dilettantenhafte Verwendung mathematischer Vorstellungen, wie sie so gerne Karl Marx bringt, als falsch und irreführend bezeichnet. Sein Hauptwerk, in dem er seine Lebensarbeit niedergelegt hat, ist: „Grundbegriffe und Grundlagen der Volkswirtschaft“, Leipzig 1893, 2. Aufl. 1901 (besorgt von M. v. Heckel), das den 1. Band des Hand- und Lehrbuchs der Staatswissenschaften bildet. Der 2. Band „Produktion und Konsumtion“, Leipzig 1895, ist nur zum Theil von ihm gearbeitet und nach seinem Tode von Frankenstein ergänzt und herausgegeben worden. Von seinen sonstigen zahlreichen Schriften sind noch zu erwähnen: „Beiträge zur Statistik der Preise“ (Frankfurt 1885); „Zur Frage der Wahrscheinlichkeit weiblicher Geburten“ 1889; „Zur Frage der Veränderlichkeit statistischer Reihen“ 1888; „Zur Lehre vom Preise“ 1889; „Die Invaliditäts- und Altersversicherung der Arbeiter“ 1889–1890 (Behandlung der mathematischen Grundlagen); „Grenzwerth, [623] Grenznutzen und Preis“ 1889; „Die Durchschnittsprofitrate auf Grundlage des Marxischen Wertgesetzes“ 1892. In Lorey’s Handbuch der Forstwissenschaft bearbeitete er die Abhandlungen „Forstpolitik“ und „Waldwertberechnung“ und in Schönberg’s Handbuch der politischen Oekonomie, 3. Aufl., die Abhandlung „Aufwandsteuern“. Im Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 1. Aufl., ist L. gleichfalls mit einer Reihe von Artikeln finanz-, socialpolitischen und statistischen Inhalts vertreten.