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Artikel „Lehmann, Emil“ von Adolf Brüll in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 620–622, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lehmann,_Emil&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 08:25 Uhr UTC)
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Lehmann: Emil L., hervorragender Jurist und Schriftsteller, geboren am 2. Februar 1829 in Dresden, † daselbst am 25. Februar 1898. Sein Vater Bonnier Lehmann war Kaufmann. L. zählte zu seinen Vorfahren den Begründer der israelitischen Gemeinde in Dresden, den auch um seine Vaterstadt Halberstadt verdienten und dort begrabenen „Residenten“ Berend Lehmann, welcher bei August dem Starken, dem Kurfürsten von Sachsen und König von Polen, eine ausnahmsweise begünstigte und zum besten seiner Glaubensgenossen einflußreiche Stellung einnahm (vgl. hierüber: Der polnische Resident Berend Lehmann, der Stammvater der israelitischen Gemeinde zu Dresden, von seinem Ur-Ur-Urenkel Emil Lehmann, Dresden 1885). Zu den Ahnen Lehmann’s zählte ferner Elias Berend Lehmann, welcher als „Gevollmächtigter“ [621] der Dresdener Judenschaft im J. 1733 die Befreiung der Juden vom Leibzoll durchsetzte und Eleazar Lehmann, welcher als langjähriger Vorsteher der Dresdener „Beerdigungs-Brüderschaft“ in den schweren Kriegsjahren Proben großer Ausdauer und seltenen Muthes gab. L. besuchte zuerst die israelitische Gemeindeschule und von 1842–1848 die Dresdener Kreuzschule und bezog dann die Universität in Leipzig, wo er 1851 das juristische Examen mit Auszeichnung bestand. Nach Dresden zurückgekehrt, entfaltete L. in der von Stadtrath Walter redigirten „Sächsischen Dorfzeitung“ eine reiche geistige Thätigkeit, die nicht unbemerkt blieb, und waren es besonders seine in derselben veröffentlichten Aufsätze über den Wucher, welche Aufsehen erregten. Nebenher betheiligte sich L. eifrig im Verein mit Dr. Bernhard Beer, Dr. Zacharias Fränkel und Dr. Wolf Landau, an den Emancipationsbestrebungen für die Juden, deren Rechte durch Erlaß der Sächsischen Gesetze vom 3. December 1868 verfassungsmäßig verbürgt wurden.

Seit 1863 war L. als Rechtsanwalt und später auch als königlicher Notar thätig und war er nebstdem Jahrzehnte hindurch Vorsteher der Dresdener jüdischen Gemeinde. 1868 wurde L. in das Stadtverordnetencollegium berufen, das ihn zum Vicevorsteher erwählte und gehörte er auch 1875–1880 als Abgeordneter dem sächsischen Landtage an. L. hat sich nicht nur große Verdienste um die staatsbürgerliche Gleichstellung der Juden in Sachsen, sondern auch um den engeren Zusammenschluß aller jüdischen Gemeinden in Deutschland erworben, durch die Gründung des deutsch-israelitischen Gemeindebundes in Gemeinschaft mit Moritz Kohner und Jacob Nachod. L. besaß neben einem starken, philosophisch geschulten Geiste ein Herz voll innigen, religiösen Empfindens und zeichnete sich in seinem Denken und Wirken durch Freisinn, durch offene Biederkeit, durch Wahrheitsliebe und Mannesmuth aus. Er war von dem eifrigen Streben beseelt, den Kern des Judenthums von seiner Hülle zu befreien und der ganzen Menschheit nutzbar zu machen. Seine Reformbestrebungen stammen aus seiner begeisterten Anhänglichkeit an die Lehre des Judenthums, dessen Fortbestand für die Zukunft er dadurch gesichert glaubte. Was L. in schwungvoller Prosa und in poetischer Form nach dieser Richtung hin geleistet, bleibt werthvoll und anregend für alle Zeiten, durch das sich kundgebende Streben, eine harmonische Verbindung jüdischer und deutscher Vorzüge anzubahnen. L. verlangte im Judenthume Förderung dessen, was den Juden und Christen gemeinsam ist und hält es für undeutsch, unjüdisch wie unchristlich, dem Bekenntniß der Gesammtheit zur Last zu legen, wenn Einzelne sich gegen dasselbe vergehen. Und darum begrüßte er auch freudig die Gründung des „Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“, dessen Mitglieder, gleich ihm, der in seiner Persönlichkeit das edelste Vorbild eines deutschen Staatsbürgeres jüdischen Bekenntnisses darstellt, ebenso entflammt sind von Liebe zum deutschen Vaterlande wie von Begeisterung für den sittlichen Werth des Judenthums. Seine schriftstellerischen Arbeiten erschienen zumeist in der „Allgemeinen Zeitung des Judenthums“, in Dr. Brüll’s „Populär wissenschaftliche Monatsblätter“ und im „Deutsches Reich“. Von seinen Arbeiten sind hervorzuheben: „Lessing in seiner Bedeutung für die Juden, Vortrag, gehalten im Mendelssohn-Verein in Dresden am 21. Januar 1857“; „Höre Israel Aufruf an die deutschen Glaubensgenossen“, 1869; „Gabriel Rießer, ein Rechtsanwalt“, 1880; „Jüdisches Haus- und Volksbuch zu Chanuka“; „Berthold Auerbach als Jude“; „Ein Halbjahrhundert der israelitischen Religionsgemeinde in Dresden“; „Die Aufgaben der Deutschen jüdischer Herkunft“; „Die Deutschen jüdischen Bekenntnisses“, Vortrag, gehalten am 27. September 1893. Seine letzte schriftstellerische Arbeit war [622] ein „Offener Brief an Herrn Prof. Friedrich Paulsen“ (December 1897), in welchem er den Uebertritt von einer Religion zur andern nur dann für ehrenhaft und anständig hält, wenn der Uebertretende von der überwiegenden Trefflichkeit der neuen Religion nicht nur, sondern auch von der Minderwerthigkeit der alten überzeugt ist. Bei der Silberhochzeit mit seiner Cousine Hermine geb. Salomon, die ihm stets fördernd zur Seite stand und bei seinem Amtsjubiläum wurden ihm viele wohlverdiente Zeichen der Liebe und Anerkennung zu Theil und fand die Verehrung für ihn auch tiefinnigen Ausdruck in der anläßlich seines Hinscheidens am 1. März 1898 in der Synagoge zu Dresden veranstalteten Trauerfeier, in der Gründung einer seinem Andenken gewidmeten Stiftung und in der Herausgabe von „Emil Lehmann. Gesammelte Schriften“ (als Manuscript gedruckt, herausgegeben im Verein mit seinen Kindern, von einem Kreise seiner Freunde), welchen das wohlgelungene Bildniß Emil Lehmann’s beigegeben ist.