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Artikel „Landau, Johann Georg“ von Karl Wippermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 584–586, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Landau,_Georg&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 11:18 Uhr UTC)
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Band 17 (1883), S. 584–586 (Quelle).
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Landau: Johann Georg L., Forscher deutscher Alterthümer, geb. am 20. October 1807 in Kassel, † dort den 15. Februar 1865. Als Sohn des Schuhmachers Arend L. aus einer aus Frankenberg stammenden reformirten Familie wuchs er in bescheidenen Verhältnissen auf, wußte sich aber schon früh in umfassender Weise zu unterrichten. Nach dem Besuch der Bürgerschule in Kassel trat er mit 14 Jahren als Schreiber bei einem dortigen Anwalt ein. Beim Nachlassen von dessen Praxis zum Aufgeben jener Beschäftigung genöthigt, gewann er durch Studien, welchen er in der unfreiwilligen Muße sich in der Landesbibliothek und dem Staatsarchive in Kassel hingab, solche Liebe zur Erforschung der Geschichte hessischer Orte und Gegenden, daß er nicht wieder davon lassen konnte. Die erste Frucht seiner Studien war das Werk „Die hessischen Ritterburgen und ihre Besitzer“ (4 Bde., Kassel 1832–39). Darin sind für die hessische Geschichte wichtige 60 Burgen beider Hessen und der Nachbarländer beschrieben. Einer anmuthigen, romantisch-ästhetischen Schilderung der Oertlichkeiten schließt sich je eine ausführliche Darstellung der Geschichte derselben und namentlich der adeligen Familien an, welche sie besaßen oder besitzen, unter Beifügung von Stammtafeln und Abbildungen einzelner Burgen. Diese Geschichte des hessischen Adels nach den Quellen in den Archiven Kurhessens sowie im geheimen Staatsarchiv in Darmstadt ist mit sehr großem Fleiße bearbeitet. (Gött. Gelehrt. Anzeigen 1839, Nr. 189.) Da L. durch diese Arbeiten in jener Bibliothek und in dem Archive in Kassel heimisch geworden war, so half er, wo nöthig in beiden aus, wurde inner- und außerhalb Kassels mit Arbeiten zur Vorbereitung des Haupt-Staats- und Landesarchivs betraut und erhielt im September 1835 den Titel Archivar, einige Zeit später auch einen Gehalt von 100 Thalern, jedoch mit der Verpflichtung, zugleich die Repositur- und Expedientengeschäfte beim Archiv zu versehen. Der Anklang, welchen jenes Werk gefunden, gab L. den Plan ein, eine Geschichte aller hessischen Ortschaften zu schreiben. Dieses Unternehmen stellte sich aber nach Beginn der Vorarbeiten als zu umfangreich heraus und so entsprangen letzteren nur minder umfassende Werke, nämlich 1) eine „Beschreibung des Kurfürstenthums Hessen“ (Kassel 1841), eine populäre Landes- [585] und Ortsbeschreibung, in welcher alle Orte sowie bemerkenswerthen Punkte und Gebäude Kurhessens geographisch und geschichtlich behandelt sind. Es ist eine Schilderung des Landes in oro-, hydro- und topographischer Hinsicht. Die Geschichte ist nur insoweit beigegeben, als sie zur Aufklärung der Entwickelung des Landes im Ganzen, der Provinz oder des Ortes dient. Das Werk bildet, neben dem von Pfister, die einzige moderne Beschreibung Kurhessens und wurde bei seinem Erscheinen zur Anschaffung für den Schulunterricht empfohlen. (Recens. in Kass. Allg. Ztg. 1842, Nr. 13.) 2) Die „Malerischen Ansichten von Hessen“, mit 36 Stahlstichen (Kassel 1842), welche sich an die „Ritterburgen“ eng anschließen. 3) Das von L. in Gemeinschaft mit Franz Dingelstedt herausgegebene „Weserthal“ (Leipzig und Kassel 1842). Als Verfasser ist nur Dingelstedt genannt. Die nächsten Arbeiten des fleißigen Sammlers und Ordners geschichtlicher Nachrichten über Hessen sind in Zeitschriften niedergelegt, namentlich in der des „Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde“, an dessen Gründung (1834) L. sich betheiligt hatte. Im Laufe der Zeit hat diese Zeitschrift 43 Aufsätze Landau’s gebracht, welche in O. Gerland’s Fortsetzung von Strieder’s hessischer Gelehrtengeschichte (Bd. I S. 334–336) aufgezählt sind. Sie betreffen z. B. Auszüge hessischer Bußregister, Ungedruckte Urkunden des Kaisers Ludwig des Baiern, Zwei Reisen des Landgrafen Ludwig I. von Hessen im J. 1431, die fürstlichen Grabmäler in der Kirche der heiligen Elisabeth zu Marburg, über Weserzölle im 16. Jahrhundert u. dgl. In seinem Werke „Die Rittergesellschaften in Hessen während des 14. und 15. Jahrhunderts“ (Kassel 1840) schilderte L. die Entstehung, die Blüthe und den Verfall von neun solcher Gesellschaften, deren Fehden viel Unheil über Hessen brachten. In Anerkennung dieser Leistungen verlieh ihm die philosophische Facultät in Marburg am 15. September 1846 Ehren halber die Doctorwürde. Sein nächstes Werk war die von ihm auf Veranlassung obigen Vereins bearbeitete „Historisch-topographische Beschreibung der wüsten Ortschaften im Kurfürstenthum Hessen und in der großherzoglich hessischen Provinz Oberhessen“ (5 Hefte, Kassel 1848–58). Hierin sind mit ungemeinem Fleiße die ausgegangenen Orte sowie die verfallenen Befestigungen mit der Eintheilung nach Gauen und Gerichten gebracht. Die 1848 in Kurhessen erfolgte gesetzliche Aufhebung des Jagdrechts auf fremdem Grund und Boden veranlaßte L. zu einer „Geschichte der Jagd und Falknerei in beiden Hessen“ (1849), worin von den Jagdzeiten, der Jagdfolge, dem Wildgehege, den Jagddiensten, Jagdschlössern, Thiergärten u. dgl. gehandelt ist. Von allgemeinerer Bedeutung als die genannten Schriften ist Landau’s Buch „Die Territorien in Beziehung auf ihre Bildung und ihre Entwickelung“ (Hamburg und Gotha 1854). Er geht darin von der Flurverfassung aus, untersucht die Hufe, ihre Bestandtheile und Arten, die aus den Hufen sich zusammensetzende Mark und kommt so zur Bestimmung der aus den einzelnen Marken sich zusammensetzenden Gaue und deren Ausbildung zu den weltlichen und kirchlichen Territorien. Eigenthümlich ist eine dabei aufgestellte, jedoch vielfach bestrittene Ansicht über eine Dreitheilung des Volks, welche L. noch besonders im „Hessischen Jahrbuch“ (Kassel 1855) dargestellt hat. An dieses Werk (recensirt in der Allg. Monatsschrift für Wissenschaft und Litteratur. Braunschweig 1854, Februar- und Aprilheft), schließt sich Landau’s „Saalgut“ (Kassel 1862), worin ausgeführt ist, daß die Obrigkeiten in den Territorien als Entschädigung für ihre Amtsthätigkeit von den Gemeinden Güter erhielten, deren Vergabung an die Großen des Reichs zur Bildung der vielen Staaten geführt habe. (Recension dieses Werkes in der Augsb. Allg. Zeitung 1864, Nr. 267, Beiblatt und Hamburger Nachrichten 1862 Nr. 270.) Wegen dieser Schrift wurde ihm am 6. November 1862 vom König von Sachsen die große goldene [586] Medaille verliehen. 1853 hatte L. in der Versammlung des Gesammtvereins der deutschen Geschichts- und Alterthumsforscher ein Gutachten über die Bearbeitung einer Beschreibung der deutschen Gaue vorgelegt und, um die Ausführbarkeit des Unternehmens zu zeigen dort versprochen, mit einer solchen Beschreibung voranzugehen. In der That erschien 1855 seine „Beschreibung des Gaues Wettereiba“, welcher 1857 die „Beschreibung des Hessengaues“ folgte (Kassel, im Selbstverlag, siehe Augsburger Allgem. Zeitung 1858, Nr. 34, Beilage). Die Grenzen der Gaue und der Zehntschaften, aus welchen sie sich zusammensetzten, sind unter Beifügung von Karten auf Grund der Flurbücher, sowie der Abgrenzungen der Gerichtsbezirke und der kirchlichen Sprengel bis ins Kleinste angegeben. Landau’s letzte Forschungen waren dem deutschen Hausbau gewidmet. Unterstützt von einigen deutschen Fürsten machte er Reisen, um die Verschiedenartigkeit des Hausbaues in Deutschland aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Seine Notizen über die fränkische und altsächsische sowie über die Bauart zwischen Meißner, Harz und Queis sind im Correspondenzblatt des Vereins der deutschen Geschichts- und Alterthumsforscher (1857–58, Beil. 1; 1859, 1860, 1862) niedergelegt. Auf einer Reise zur weiteren Erforschung des Hausbaues im Sommer 1864 zog sich L. ein Lungenleiden zu, dem er am 15. Februar 1865 erlag. Er hinterließ eine fast vollendete Beschreibung des Oberlahngaues. Eine Reihe seiner Aufsätze über hessische Alterthümer ist enthalten in der landwirthschaftlichen Zeitschrift für Kurhessen, Arndt’s Germania, Kölnischen Frankfurter Postzeitung und Hessische Morgenzeitung. L. war correspondirendes und Ehrenmitglied von 10 deutschen Geschichtsvereinen. 1861 hatte er regen Antheil an der Bewegung für Herstellung der kurhessischen Verfassung von 1831 genommen.

Gerland, Grundlage zu einer hess. Gelehrten-, Schriftsteller- u. Künstler-Geschichte von 1831 bis auf die neueste Zeit, Bd. I, Kassel 1863.