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Artikel „Pfister, Ferdinand von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 666–667, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pfister,_Ferdinand_von&oldid=- (Version vom 28. November 2024, 05:04 Uhr UTC)
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Pfister: Ferdinand v. P., kurfürstlich hessischer Major, wurde als der Sohn des ersten Geistlichen an der Kirche zu St. Martin in Kassel am 22. Januar 1800 geboren. Die Zeit der Fremdherrschaft, in welche seine Kindheit fiel, zog in ihm den deutschen Sinn und die Liebe für die Heimath groß. Früh körperlich kräftig, trat er, als nach der Leipziger Schlacht in Hessen Truppen zum Kampfe gegen die Franzosen errichtet wurden, als Fahnenjunker bei einem Landwehrregimente ein; seine Eltern hintertrieben indessen die Erfüllung seines Wunsches, mit in den Krieg ziehen zu dürfen. Er kehrte zunächst auf die Schulbank zurück, wurde 1816 Stückjunker bei der kurhessischen Artillerie, am 13. December 1819 Portepee-Stückjunker, am 21. Mai 1821 Officier und 1835 Hauptmann. Einige Jahre später ward die Aufnahme und kartographische Darstellung des Kurfürstenthums in Angriff genommen. Die Leitung der Arbeit war dem Oberst im Generalstabe, Wiegrebe, einem ausgezeichneten Mathematiker und Geodäten, übertragen. Ihm trat als Sectionschef der Meßtischaufnahme P. zur Seite. Was sie schufen, ist ein hervorragendes Werk, dem überall die höchste Anerkennung zu Theil geworden ist; in welchem Ansehen die Leistungen der hessischen Landesvermessung standen, beweist der Umstand, daß Preußen Officiere zu ihrer eigenen Ausbildung an den Arbeiten Theil nehmen ließ. Pfister’s Thätigkeit bei derselben, welche vom 23. October 1840 bis zum 27. Februar 1851 dauerte, war eine hervorragende. „Ihm waren die Horizontalen (Niveaulinien) nicht der alleinige Zweck, sondern das Mittel für die mathematische Begründung der Flächenbildungen des Geländes; sein angeborener und gebildeter Blick für die Erkennung der Formen behütete ihn vor Schematismus“, sagt ein im Militär-Wochenblatt Nr. 41 vom 15. Mai 1886 ihm gewidmeter Nachruf. Meister im Crokiren und Zeichnen, arbeitete er anfangs selbst mit, später wirkte er namentlich durch seine Inspicirungen auf den Fortgang des Werkes. Bei diesen Gelegenheiten regte er gleichzeitig zu geschichtlichen und mathematischen Studien und zur Beschäftigung mit der Landeskunde an, für welche er von jeher ein reges Interesse gehabt hatte. Jakob Grimm erwähnt in der Vorrede zu seiner „Deutschen Mythologie“ dankend der Hilfe, welche ein junger Artillerieofficier ihm aus hessischen Quellen geleistet habe; dieser Officier war P.; seine „Landeskunde von Kurhessen“, welche 1840 in zweiter Auflage erschien, legt gleichfalls Zeugniß ab von seinem Interesse für die engere Heimath. [667] Da führten die Nachwehen des Sturmjahres 1848 für das Officiercorps, welchem P. angehörte, durch des Kriegsministers Haynau ungeschickte Rücksichtslosigkeit eine schwere Zeit herbei. Die Mitglieder desselben sahen sich vor eine Entscheidung gestellt, welche die Mehrzahl von ihnen, darunter den 1849 zum Major beförderten P., veranlaßte, ihren Abschied zu erbitten; ihre unselige Beeidigung auf die Verfassung war die Quelle des Zwiespalts. Nur wenigen ward die Entlastung zu Theil; für die übrigen ordnete der Kurfürst im J. 1851, durch die Bundescommissäre veranlaßt, eine neue Vereidigung an, durch welche das Gelöbniß, die Verfassung zu beobachten, beseitigt wurde. P. konnte diese Aenderung des von ihm geleisteten Eides mit seinem Gewissen und seinen Ansichten über Pficht und Ehre nicht vereinigen; er forderte von neuem den Abschied, welchen der Kurfürst, zu dem er in den Jahren 1848 und 1849 in ein nahes persönliches Verhältniß getreten war, bewilligte. Josef v. Radowitz, sein früherer Kamerad und Lehrer, unternahm es, für P. eine Anstellung im preußischen Heeresdienste zu erwirken; sein bald darauf erfolgender Tod trat der Verwirklichung des Planes in den Weg. P. verließ nun Hessen und übernahm eine Stelle im Verwaltungsrathe der Thüringischen Eisenbahn, kehrte aber 1860 in die Heimath zurück und erlebte dort das Jahr 1866, dessen Ereignisse er als treuer Anhänger des ihm theueren Staatswesens seines engeren Vaterlandes, aber auch als guter Deutscher, sich vollziehen sah. Die Umwälzung, welche das Jahr hervorrief, brachte ihm ein Gnadengehalt; die preußische Regierung bewilligte es in Berücksichtigung des auf den seiner Zeit ohne Pension Entlassenen ausgeübten Gewissenszwanges. – Außer auf den vorgenannten Gebieten war P. auch als Militärschriftsteller thätig, abgesehen von Aufsätzen in Zeitschriften etc. erschienen von ihm 1839: „Betrachtungen über die Wichtigkeit der stehenden Heere“; 1845 „Der Feldzug des Regiments Prinz Karl von Hessen auf Morea 1687–88, zur Erinnerung an deutsche Thaten, besonders als Beitrag zur hessischen Kriegsgeschichte“; 1864 der 1. Band eines Werkes „Der nordamerikanische Unabhängigkeitskrieg, als Beitrag zur Heeresgeschichte deutscher Truppen“, ein Buch, hervorgegangen aus Pfister’s redlichem Sinne und seinem Streben nach Wahrheit; es sollte der vielverbreiteten Lüge von dem Verkaufe der Unterthanen zum Vortheil des landesherrlichen Säckels entgegentreten; 1879 „Landgraf Friedrich II. und sein Hessen“, von welchem Werke nur die 1. Lieferung „Der Erbprinz“ erschienen ist. Andere Arbeiten sollen handschriftlich in Pfister’s Nachlasse sich finden. In seinen letzten sieben Lebensjahren hatte tiefe Finsterniß seinen Geist unmachtet, welchen der überaus kräftige Körper noch auf Erden zurückhielt; von schweren Leiden brachte der am 1. Mai 1886 zu Wolfsanger bei Kassel erfolgte Tod die Erlösung. – Auch seine Söhne, Hermann und Rudolf, sind als Militärschriftsteller, jener auf organisatorischem und kriegsgeschichtlichem, dieser auf artilleristischem Gebiete, aufgetreten. Der erstere ist auch durch seine Bestrebungen für die Reinigung der deutschen Sprache von Fremdwörtern bekannt geworden.

Hessische Morgenzeitung (Abendausg.) Nr. 215, Kassel 10. Mai 1886. – Allg. Militär-Zeitung Nr. 57, Darmstadt 17. Juli 1886.