ADB:Lamont, Johann von
Euler’s theoria motus corporum solidorum hat er bereits während dieser Jugendperiode studirt und verarbeitet. Im J. 1827 ward er als Gehülfe an die unweit Münchens in Bogenhausen gegründete Sternwarte berufen, deren Vorstand, Steuerrath Soldner, die neue Katastrirung des Königreichs Baiern zu leiten hatte. 1828 ward er Assistent, 1835 – nach Soldner’s Tode – Director des Instituts, und zwar hatte er diese Ernennung wesentlich dem weiten Blicke des Akademiepräsidenten v. Schelling zu danken, welcher den befähigtsten Candidaten unter einer Menge von Bewerbern herauszufinden verstand. So wohnte er denn im Ganzen 52 Jahre in dem stillen Dörfchen, das er für längere Zeit nur verließ, um auf einer Reihe wissenschaftlicher Reisen für eine magnetische Geographie Mitteleuropa’s, wenn dieser Ausdruck gestattet ist, die Grundlagen zu gewinnen[WS 1]. Für die Sternwarte war allerdings schon 1834 der zweite aller existirenden Riesenrefractoren bestellt worden und am 8. November 1836 konnte er auch zur Aufstellung gelangen, allein im Uebrigen blieben die Mittel der Sternwarte beschränkt und nur die persönliche Anspruchslosigkeit des Directors, dem auch sein treuer Adjunct Feldkirchner mehrere Hülfsarbeiter ersetzte, vermochte mit der sparsamen Besoldung (zuletzt erst 4000 fl.) und dem nicht minder sparsamen Etat der Anstalt (erst seit 1875 2500 fl.) auszureichen. Die technische Geschicklichkeit Lamont’s, der ein Zimmer seiner Behausung zur ständigen Werkstätte umgewandelt hatte, machte freilich die Beihülfe eines Mechanikers überflüssig. Einsam, aber glücklich, lediglich von einer alten Haushälterin bedient, von den Bewohnern Bogenhausens verehrt, lebte L. ausschließlich der Wissenschaft; nach München verfügte er sich nur, um seine Vorlesungen zu halten, um als Professor der Astronomie den Senatsverhandlungen anzuwohnen oder auch um einen geselligen Abend im katholischen Casino zu verleben. Sowol religiös als politisch huldigte er streng-conservativen Anschauungen. Seine eiserne Gesundheit ließ erst in den letzten Lebensjahren nach, und zwar war es merkwürdigerweise eine Verletzung des Rückenmarkes, die er sich als Knabe durch einen Sturz vom Pferde zugezogen, der er nach 60 Jahren unterliegen sollte. Alle Versuche, ihn besserer Pflege halber nach der Stadt zu [571] bringen, schlugen fehl; er wollte in seinem Bogenhausen sterben, dessen Ehrenbürger er seit einigen Jahren war. An äußeren Ehren war Lamont’s späteres Leben reich: er war Inhaber vieler Orden und Mitglied der hervorragendsten gelehrten Gesellschaften geworden. Auch ein namhaftes Vermögen hatte sich der für die gewöhnlichen Freuden des Lebens gleichgültige Mann erspart; er verwendete es zu einer Stiftung für Mathematik-Studirende, deren Kapitalwerth zur Zeit 72 000 Reichsmark beträgt. In Lamont’s wissenschaftlicher Wirksamkeit haben wir die astronomische, geodätische und physikalische Seite zu unterscheiden. Sein treffliches Utzschneider’sches Fernrohr verwandte er besonders zur Untersuchung der Nebelflecken und Sternhaufen. Einen dieser letzteren, der dem Sobiesky’schen Schilde angehört, vermaß er genau bis ins Einzelnste, und da diese Vermessungsarbeit von Helmert (damals in Hamburg) nach 30 Jahren wiederholt wurde, so hat die Nachwelt eine treffliche Grundlage für weitere Forschungen auf diesem Gebiete erhalten. Da der Refractor ferner die so äußerst lichtschwachen Uranusmonde zu sehen gestattete, so benutzte er diesen günstigen Umstand zu einer Neubestimmung der Uranusmasse, durch welche Bouvard’s Ergebniß erheblich herabgesetzt ward. Diese letztere Arbeit erschien im 11. Bande der „Memoirs of the Royal Astronomical Society“; die anderen Studien wurden in den verschiedenen Veröffentlichungen der Sternwarte bekannt gegeben, von welchen 10 Bände unter dem Titel „Observationes Astronomicae in Specula Regia Monacensi“, 34 weitere als „Annalen der königlichen Sternwarte bei München“ vorliegen. Im J. 1840 begann L. die kleinen Sterne 7. bis 10. Größe am Meridiankreise zu beobachten; er brachte es schließlich auf 80 000 beobachtete Sterne, und zwar war darunter zweimal der in dieser seiner Eigenschaft noch nicht erkannte Planet Neptun. Die chronographische Registrirung der Durchgangsmomente ward in Bogenhausen früher eingeführt als auf irgend einer anderen Sternwarte. – Als Geodät hat L. das Verdienst, den Anschluß der baierischen an die österreichische Landesvermessung durchgeführt zu haben. Bei der Bestimmung der Längendifferenzen zwischen den Sternwarten von Wien, München, Genf und Straßburg war er hervorragend betheiligt, unterstützt von seinem Freunde und Schüler, dem Obersten v. Orff. Die „Astronomische Bestimmung der Lage des baierischen Dreiecksnetzes auf dem Erdsphäroid“ zeigt am besten, wie viel L. für die Geographie seines Adoptivvaterlandes geleistet hat. – Ist nun auch das Erwähnte allein schon genügend, einen Mann berühmt zu machen, so tritt es doch geradezu zurück gegen sein unsterbliches Schaffen auf dem Felde der tellurischen Physik. Er rief einen meteorologischen Verein ins Leben, der über ganz Deutschland sich erstreckte und auch in allen angrenzenden Ländern Freunde und Mitglieder zählte. Aus Mangel an Mitteln konnten zwar nur drei Jahrgänge von der Vereinszeitschrift „Annalen für Meteorologie und Erdmagnetismus“ (1842–1844) erscheinen, allein diese bilden auch eine unerschöpfliche Fundgrube für den Fachmann. Die baierischen Gerichtsärzte versah er mit selbstverfertigten Instrumenten, um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen. In Bogenhausen wurden zahlreiche Selbstregistratoren originaler Construction aufgestellt, und L. zog aus deren Angaben Resultate, durch deren Vergleichung mit jenen des Observatoriums auf dem Peissenberge die Witterungskunde Baierns fest begründet werden konnte. Eingehend studirte er Bodentemperatur und Luftelektricität; er gelangte (85. Band von Poggendorff’s Annalen) dahin, eine ständige negative Ladung des Erdkörpers äußerst wahrscheinlich zu machen. Für seine magnetischen Messungen erfand er den bekannten compendiösen „Reisethedolithen“, mit dessen Hülfe er für eine große Anzahl deutscher, spanischer, französischer, portugiesischer, belgischer, holländischer und dänischer Orte die erdmagnetischen Constanten bestimmte. Drei größere Werke bezeugen Lamont’s [572] unermüdliche Thätigkeit für diesen Gegenstand: das „Handbuch des Erdmagnetismus“ (Berlin 1849), das „Handbuch des Magnetismus“ (Leipzig 1860) und die treffliche populäre Schrift „Astronomie und Erdmagnetismus“ (Stuttgart 1848). Der Telegraphentechnik endlich leistete er einen nicht genug zu würdigenden Dienst durch seine Monographie „Der Erdstrom und der Zusammenhang desselben mit dem Erdmagnetismus“ (Leipzig 1862).
Lamont: Johann v. L., Astronom und Physiker, geb. den 13. December 1805 zu Braemar in Schottland (unweit des königlichen Schlosses Balmoral), † den 6. August 1879 zu Bogenhausen bei München. Sohn eines Steuerbeamten, ward L. in einer Privatlehranstalt gebildet, allein da der Vater – einem alten, aber verarmten Geschlechte angehörig – schon 1816 verstarb, so schien die Zukunft des jungen Mannes in Frage gestellt. Zufällig aber traf es sich, daß Pater Gallus Robertson, einer der Emissäre, welche das Schottenkloster zu Regensburg von Zeit zu Zeit behufs Gewinnung von Novizen in das Mutterland zu entsenden pflegte, mit L. bekannt wurde und ihn mit sich nach Deutschland nahm. Unter der Leitung des Priors P. Benedict Deasson bildete er sich rasch zu einem tüchtigen Mathematiker aus und machte sich zugleich aufs Genaueste mit mechanischen Arbeiten bekannt.- v. Schafhäutl, Johann v. Lamont in Jörg’s Hist.-pol. Blättern, Jahrg. 1880, S. 54 ff. – v. Orff, Johann v. Lamont in Carl’s Repert. f. Experimentalphys., phys. Technik, math. u. astron. Instrumentenkunde, Jahrg. 1880, S. 685 ff.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: gewinnnen