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Artikel „Krenzheim, Leonhard“ von Adolf Schimmelpfennig in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 125–128, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Krenzheim,_Leonhard&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 14:04 Uhr UTC)
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Krenzheim: M. Leonhard K., schlesischer Kryptocalvinist, war der Sohn eines Bäckers und am 16. September 1532 zu Iphofen in Franken geboren. Nachdem er die Schulen in Kitzingen und Nürnberg absolvirt hatte, bezog er 1551 die Universität Wittenberg, studirte unter Philipp Melanchthon Theologie und erwarb sich in der Herbstpromotion 1553 den Magistergrad. Nach einer vor Melanchthon gehaltenen Probepredigt sandte ihn dieser als reif zum Eintritt in den Kirchendienst sofort mit Empfehlungen an seine Freunde Gigas und Benedictus nach Freistadt in Schlesien. Dort wartete seiner bereits eine Vocation. In Liegnitz war der Diaconus an der Marienkirche an der Pest gestorben, K. trat in seine Stelle und wurde, eben erst 21 Jahr alt geworden, am 7. November 1553 in Liegnitz ordinirt. 1560 berief ihn Herzog Heinrich XI. unter Versetzung an die Johanniskirche zu seinem Hofprediger und empfahl ihn 1566 dem Rathe zum Nachfolger des verstorbenen Pastors an der Marienkirche, aus welchem Amte er 1572 in das Pastorat der Peter-Paulskirche aufrückte und gleichzeitig zum Superintendenten ernannt wurde. Krenzheim’s Stellung war eine überaus schwierige; der Adel war ihm abgeneigt, die Geistlichkeit in ihrer Majorität streng lutherisch und ein der vermittelnden Richtung Melanchthon’s in der Abendmahlslehre zugethaner Superintendent ihr durchaus nicht sympathisch; Zusammenstöße konnten nicht ausbleiben und schon 1573 wird K. von Jacob Colerus, Pfarrer in Neukirch (Allg. deutsche Biogr. IV, 401) öffentlich des Calvinismus beschuldigt. Dieser Anklage setzte K. seine überaus vorsichtig abgefaßte Schrift „Doctrinae de coena domini orthodoxa expositio“ 1574 entgegen. Er beschwichtigte mit ihr augenblicklich den Streit, aber nicht für immer; seine Feinde waren nicht geschlagen, sondern blos zurückgedrängt; sie warteten nur auf eine Gelegenheit, um wieder zum Angriff überzugehen; sie fand sich, als die Verhandlungen Kursachsens mit den schlesischen Fürsten wegen Annahme der Concordienformel sich zerschlagen hatten. K. gehörte zu ihren entschiedensten Gegnern und stand obendrein mit Laurentius Circler in Goldberg, mit Crato, Jacob Monau und deren Freunden in Breslau in freundschaftlichem Verkehr; das reichte hin ihn verdächtig zu machen und ermuthigte zu dem Versuche ihn zu stürzen. Martin Stübner, Pfarrer in Bärsdorf und Senior des Haynau’schen Kreises, und Stephan Boxhammer, Pfarrer von Haynau, fingen an auf den Partikularconventen gegen Krenzheim’s Lehre zu disputiren und als K. in der Hoffnung, seine Feinde dadurch zu entwaffnen und ihrem unbrüderlichen Gebahren ein Ende zu machen, 1582 in Person auf dem Haynauer Partikularconvente erschien, mußte er sich’s gefallen lassen, daß man ihn einen Abtrünnigen schalt, der es mit den Reformirten halte. Es zeugt von wenig Menschenkenntniß Krenzheim’s, daß er nach solchen Erfahrungen an der Hoffnung festhält, durch eine Disputation sich rehabilitiren und die entschwundene Einigkeit wiederherstellen zu können. Zu diesem Behufe stellte er Thesen über die Person Christi, welche auf dem Generalconvente am 1. Juni 1583 verhandelt werden sollten und geraume Zeit vorher der Geistlichkeit zugeschickt wurden. Wie vorauszusehen vereitelten seine Gegner diesen Plan, indem sie es zu einer Verhandlung über die Thesen gar nicht erst kommen ließen, sondern sie mit ihren Glossen dem Herzoge einreichten und zugleich den Superintendenten als Calvinisten denuncirten. Herzog Friedrich IV. blieb indeß diesmal noch fest und erließ auf den Rath seines Oheims Georg II. von Brieg am 23. Mai 1583 einen Abschied, welcher alle unnützen Disputationen verbot und der Fürstenthumsgeistlichkeit auf dem Generalconvente [126] mit dem Bedeuten vorgelegt wurde, schlecht und einfältig bei den Worten Christi zu bleiben, das Uebrige aber der göttlichen Allmacht anheimzustellen. K. war gerettet, aber nicht auf lange. 1589 brach der verborgen unter der Asche fortglimmende Haß aufs neue in helle Flammen aus. Um seinen Feinden, deren Führung jetzt der Pastor an der Marienkirche, Krenzheim’s früherer Diaconus, Goßky, übernommen hatte, für immer das Maul zu stopfen, wendete sich K. selber an den Herzog und bat um Verhör seiner Sache. Gegen die von ihm in der Verhandlung abgegebenen Erklärungen wußten weder die Räthe noch der Herzog etwas einzuwenden, als aber K. am Schlusse auf die ihm vom Herzog vorgelegte Frage, woher es denn komme, daß er auf der Kanzel jetzt von den Reformirten schweige und seine Gemeinde nicht mehr wie sonst vor der Abendmahlslehre Calvin’s warne? zur Antwort gab, er könne unschuldige Leute nicht verdammen, auch sei Luther vor seinem Ende in dieser Lehre mit Calvin verglichen worden, war seine Sache rettungslos verloren. Offenbar meint K. die mit den oberländischen Städten 1536 vereinbarte Wittenberger Concordie, aber die Schweizer hatten sie nicht angenommen und Chyträus in Rostock konnte auf die Anfrage, wie es sich mit jenem angeblichen Vergleiche verhalte, mit gutem Rechte antworten, daß Krenzheim’s Behauptung jeden Grundes entbehre. Ebenso ungünstig lautete das von Rostock über Krenzheim’s Abendmahlslehre eingeforderte Facultätsgutachten. Ueber diesem Hin- und Herfragen war das Jahr verstrichen, da trat 1590 ein Zwischenfall ein, der für Krenzheim’s Sache verhängnißvoll wurde. Adam Curäus, wegen calvinischer Ansichten über das Abendmahl aus Breslau vertrieben, kam nach Liegnitz und wurde von K. mit einem warmen Empfehlungsschreiben an Urban Pierius in Wittenberg abgefertigt. Blieb dieser Besuch des Curäus augenblicklich auch ohne Folgen, so lieferte dafür das ihm mitgegebene Empfehlungsschreiben, welches später zum Vorschein kam, den Feinden Krenzheim’s das erwünschte Beweismaterial für seinen Calvinismus. Langsam schleppte sich der Proceß weiter; der Herzog kam, wie sehr Krenzheim’s Gegner auch drängten, zu keinem Entschluß. Neue Convente wurden gehalten, neue Gutachten eingeholt; aber selbst als die Frankfurter Facultät die von K. auf dem Generalconvent vom 15. Januar 1591 auf Befehl des Fürsten gehaltene Vertheidigungsrede für ganz ungenügend befand und ihn geradezu des Calvinismus für schuldig erklärte (8. Mai 1591), zögerte Herzog Friedrich noch immer ihn seiner Aemter zu entsetzen. Und die Sache war auch bedenklich; K. war im Dienste der Liegnitzer Fürsten grau geworden, hatte der Kirche des Fürstenthums bereits 19 Jahre in Treuen und Ehren vorgestanden, in dieser Zeit mehr als 300 Candidaten ordinirt und besaß dabei die Liebe seiner Gemeinde in einem viel höheren Grade als man bei Hofe ahnte; indeß dies Alles würde Herzog Friedrich kaum abgehalten haben, Krenzheim’s Feinden zu Willen zu sein, aber die Intercession der Herzogin Barbara von Brieg, die sich des von allen Seiten angefeindeten Krenzheim’s warm annahm und die Rücksicht auf den Kurfürsten Christian von Sachsen, den notorischen Beschützer der Philippisten, der um keinen Preis erzürnt werden durfte, fielen schwer ins Gewicht. Da änderte der Tod des Kurfürsten und der Sturz seines Kanzlers Nicolaus Krell auf einmal die ganze Sachlage und gab den Feinden Krenzheim’s in Liegnitz freie Hand. Unter den Papieren des verhafteten General-Superintendenten Urban Pierius in Wittenberg war außer dem Empfehlungsschreiben für Adam Curäus auch noch ein zweiter Brief Krenzheim’s vom 7. Juli 1591 saifirt worden, in welchem er seine trostlose Lage schildert und das gegen ihn eingeschlagene Verfahren, welches er der spanischen Inquisition vergleicht, ausführlich berichtet. Die Nachricht von diesem Funde gelangte bald nach Liegnitz. Natürlich wurden die Briefe eingefordert und 1592 im September dem Fürsten im Originale vorgelegt, welcher [127] jetzt den Administrator Kursachsens ersuchte, ihm zur Abhülfe der kümmerlichen Kirchenstreitigkeit gelehrte und unparteiische Theologen zu senden, eine Bitte, der sofort entsprochen wurde. Die zur Visitation beorderten Commissarien, der Wittenberger Professor Aegidius Hunnius und der Superintendent des Meißener Stifts, Wolfgang Mamphrasius in Wurzen, machten mit K. kurzen Proceß. Am 28. März 1593 in Liegnitz angelangt, begannen sie am 30. in Gegenwart des Fürsten, seiner Räthe, sowie der Ritterschaft und der Geistlichkeit des Fürstenthums und zweier Abgeordneter von Oels ein scharfes Examen mit K., welches bis zum 2. April fortgesetzt wurde und sie verstanden ihr Handwerk so vortrefflich, daß sie sich in ihrer dem Fürsten abgestatteten Relation rühmen konnten, K. zuletzt eine Frage über die communicatio idiomatum vorgelegt zu haben, die ihn, er mochte antworten, wie er wollte, „verstricken“ mußte. K. erkannte die ihm gelegte Falle und erbat sich Frist zu schriftlicher Antwort bis zum nächsten Morgen. Sie wurde ihm bewilligt, aber, wie vorauszusehen, seine Antwort ungenügend befunden. Das Urtheil der Visitatoren ging dahin, „solchen heimlichen und schädlichen Calvinisten in seinem hohen Amte nicht länger zu dulden.“ Noch am Abend des 2. April wurde ihm vom Herzog Friedrich die Kanzel verboten und der Liegnitzer Rath als Patron der Kirche von dem Geschehenen in Kenntniß gesetzt. Auf der Stelle intercedirten die Geschworenen bei dem Fürsten für ihren greisen Seelsorger, es möchte ihm, so er etwas verbrochen, zu Gnaden gewendt und er allhier erhalten, oder aber Herr Martin Goßky, Pfarrer an der Marienkirche, der die Ursache des Streits wäre, auch abgesetzt werden. Ihre Bitte blieb unerhört. Die Aufregung, die sich in Folge dessen der Bürgerschaft bemächtigte, nahm ganz ungewöhnliche Dimensionen an und wurde durch die an Lätare von den Visitatoren in den beiden Hauptkirchen gehaltenen Predigten nicht gestillt, eher vergrößert. Brandbriefe wurden ausgestreut, Schmähschriften gegen Goßky in der Marienkirche niedergelegt und an den Häusern angeschlagen und als K. den 21. April die Stadt räumte, kam es zu gefahrdrohendem Auflauf. Die Bürger fielen den Pferden in die Zügel und wollten die Stricke entzwei hauen, viele weinten, andere lästerten laut die Obrigkeit, Krenzheim’s Auszug aus der Stadt glich einem Triumphzuge. Er wendete sich zunächst nach Trautenau und fand 1594 in Rognitz, einem obscuren böhmischen Dorfe, wieder eine Kanzel und eine Gemeinde, der er das Wort Gottes verkündigen konnte. Von dort wurde er 1595 nach Fraustadt berufen, wo der Tod den schwer geprüften kränklichen Mann den 12. December 1598 von allen Leiden dieser Zeit erlöste. Sein Amtsgenosse Valerius Herberger hat ihm die Leichenpredigt gehalten. – Vielleicht zu milde und vorsichtig, war K. in seinem Wandel unantastbar, dabei ein Mann von umfassender Gelehrsamkeit, gleich ausgezeichnet als Historiker wie als Theologe und Prediger. Die von ihm verfaßten und 1585 in Görlitz erschienenen „Summaria über etliche vornehme Weissagungen aus Mose, Psalmen und den Propheten … in gewisse Lectiones abgetheilt, nach löblichem Brauch und Ordnung der christlichen Kirche zu Liegnitz“, sowie die später von ihm herausgegebenen und den Bürgermeistern und Rathmannen der kaiserlichen Stadt Troppau gewidmeten „Kurze Summarien über das ganze Neue Testament, gestellet durch L. K. Schmalkalden 1590“ sind auch nach seiner Amtsentsetzung in kirchlichem Gebrauche geblieben, während seine „Chronologia, d. i. gründliche und fleißige Jahrrechnung … von Anfang der Welt bis auf unsere Zeit, zusammengezogen durch L. K.“, Görlitz 1576, 2 Bde. Fol. ihm bei Mit- und Nachwelt hohen Ruhm eingetragen hat. Ein noch ausführlicheres lateinisches Geschichtswerk unter dem Titel Opus chronologicum, an dessen Herausgabe K. durch den Tod gehindert wurde, befindet sich als Manuscript in 7 Bänden auf der Rathsbibliothek in Leipzig, der es von einem Urenkel Krenzheim’s [128] verehrt worden ist. – Beiläufig sei zum Schlusse noch bemerkt, daß die Krenzheim’s ihre Abkunft aus einem alten im Laufe der Zeit verarmten Adelsgeschlechte ableiteten, dessen längere Zeit von den Vorfahren nicht gebrauchtes Wappen unser K. sich von Crato, der als kaiserlicher Pfalzgraf dazu befugt war, aufs neue bestätigen ließ.

Außführlicher Bericht von der Visitation der Kirchen im hochlöblichen Hertzogthumb Lignitz in der Schlesien. Verfasset durch … Aegidium Hunnium, der h. Schrift Doctorn vnd Professorn zu Wittemberg u. Wolfgangum Mamphrasium D. deß Stiffts Meissen Superintendenten zu Wurtzen. Leipzig 1614. 4°. 118 S. Thebesius, Liegnitzer Jahrbücher III. bei den betreffenden Jahren. Mosemann, de Leonh. K. vita atque doctrina. Dissert. Wittenb. 1699. Ehrhardt, Presbyterologie IV. 1, 92–106, 168–175. Gillet, Crato von Crafftheim und seine Freunde, II. 352 ff. Kraffert, Chronik von Liegnitz II. 2 bei den betreffenden Jahren. Ziegler, Die Peter-Paulskirche in Liegnitz, S. 63 ff.