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Artikel „Kern, Matthäus“ von Paul Beck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 120–122, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kern,_Matth%C3%A4us&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 18:58 Uhr UTC)
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Kern: Matthäus K., Maler, geboren am 5. September 1801 in Riedhausen, einem damals noch gräflich Königseggischen Pfarrdorfe, jetzt im w. Oberamtsbezirke Saulgau in Oberschwaben, widmete sich aus innerstem Antriebe und Neigung der Malerei, bildete sich dann trotz des heftigsten Widerstandes seines Vaters gegen seine Berufswahl in Wien aus, wo er sich an der Akademie unter Peter Krafft 1823–1827 vielfach auszeichnete, hierauf auch niederließ und sich in der Folge zum vollendeten Künstler entwickelte. Daselbst gewann er die nachmaligen großen Künstler Rahl, Amerling etc. zu Freunden. Kern’s [121] Kunst war sehr vielseitig, doch zunächst, der Zeitrichtung entsprechend, mehr dem Porträtfach zugewendet, das er mit der größten Meisterschaft behandelte, zumeist in aquarellirten Miniaturstücken auf Elfenbein oder Papier, Pappe, oft von der Größe eines Hellers, ja von der Kopfgröße einer Linse, welche ein seltenes Verständniß für die Linien und die Charakteristik des menschlichen Gesichtes aufweisen und nach und nach eine solche Anerkennung fanden, daß er bald Bestellungen vom höchsten Adel und vom kaiserlichen Hofe erhielt. Seine Hauptabnehmer von letzterem waren Kaiser Ferdinand, die Kaiserin Karolina Augusta, die Erzherzogin Sophie, Erzherzog Franz Karl, die Erzherzöge Rainer, Karl Johann, Anton, Stephan u. s. w. Für dieselben hat er vornehmlich zahlreiche Interieurs (= Innenansichten) der Appartements in der Hofburg und in ihren Schlössern, wie sie zu jener Zeit sehr beliebt waren, mit einer nur dazumal unter den Cabinettsmalern sich findenden Liebe bis ins kleinste Detail mit seinem virtuosen Pinsel wiedergegeben, so 1844 die Appartements der Kaiserin Karolina Augusta in der Hofburg u. s. w. Eins der exquisitesten Cabinettsstücke dieser Art ist die gesammte, um den Tisch in einem Saal bei Lampen- bezw. Abendbeleuchtung versammelte bezw. gruppirte Kaiserfamilie vom Jahre 1843, darunter der nachmalige Kaiser Franz Joseph sowie dessen Brüder, die Erzherzöge Maximilian und Karl Ludwig als Knaben, welches mit anderen Erzherzogin Sophie zur Zeit einer schweren Erkrankung ihres Gemahls, des Erzherzogs Franz Karl bestellte und diesem dann als Genesungsgeschenk mit den Kindern überreichte. Nicht minder war K. im Genrestück hervorragend thätig, dessen Vorwürfe er mit Vorliebe meist Werken der Dichtkunst, so von Uhland, Lenau, Zedlitz u. s. w. entnahm. Auch diese, zum Theil wiederholten Arbeiten sind vielfach in Aquarellmanier gehalten und erinnern in ihrer feinen, edlen Ausführung zuweilen an Moriz v. Schwind, befinden sich gleichfalls meist im Besitze bezw. in den Albums des Kaiserhofes und hoher Herrschaften und verdienten, wenigstens auswahlsweise, recht sehr eine Veröffentlichung im Wege der Vervielfältigung oder zunächst nur auch eine Ausstellung. Alle diese, meist der edlen Dichtkunst, für welche K. zeitlebens begeistert war und deren bedeutender Einfluß auf seine Schöpfungen nicht zu verkennen ist, entnommenen Genrestücke athmen eine wahrhaft poetische Stimmung, eine mit der Vorlage harmonische Auffassung und bekunden eine glückliche Erfindungsgabe sowie ein reiches sinniges Gemüth. Haben die unvergänglichen Lieder des Schwaben Uhland an dem Oberschwaben Konradin Kreutzer einen ebenbürtigen Componisten gefunden, so haben sie nicht minder in dem Oberschwaben K. einen würdigen Bildner bekommen. – Ebenso war K. in den graphischen Künsten erfahren, namentlich pflegte er, der damaligen Kunstrichtung entsprechend, die Lithographie; er hat zahlreiche Porträts meisterhaft lithographirt und auch in Kupfer und Stahl gestochen und radirt. Außer Einzelbildnissen hat er noch mehrere große Porträtcyklen lithographirt und zwar 1841 den Cyklus lebender österreichischer Dichter auf einem Blatt; im Jahre 1844 die Tiroler Helden von 1809 und im J. 1848 den „Landtag in Preßburg“ mit über 48 Bildnissen auf einem Blatt. Leider ist er zur vervielfältigenden Reproduction seiner auserlesenen zahlreichen Cabinettstücke fast gar nicht gekommen. In dieses reiche vielseitige Künstlerleben griffen die Sturmesjahre 1848/49 leider mit rauher Hand ein; der Hof, die hohen Herrschaften und mit ihnen die Kunst, flohen die in[WS 1] ihrem Innersten aufgewühlte, sonst so friedliche und heitere Kaiserstadt, welche auch K., ohne Beschäftigung und Arbeit geworden, verließ. Er wandte sich, unwillkürlich vom Heimathsdrange erfaßt, zunächst in sein Vaterland, welches ihm natürlich in damaligen Zeiten an Kunstaufträgen auch nichts bieten konnte, und dann nach der Schweiz, unausgesetzt [122] seiner Kunst lebend, meist mit Freskomalereien für Kirchen beschäftigt und sich und seiner zurückgebliebenen Familie das Leben ermöglichend. Doch sagte seiner Kunst, deren Force ohnedies mehr in der Cabinettsmalerei als in dem Historienfach lag, diese reine „Brodarbeit“ auf die Dauer nicht zu und erlahmte nach und nach unter der Wucht der Zeitereignisse und seiner persönlichen Verhältnisse seine Künstlerkraft. Schwer leidend kehrte er im J. 1851 nach dem inzwischen fast ganz veränderten Wien zu den Seinen zurück, um hier schon das Jahr darauf, am 22. Juni 1852 – viel zu früh für seine zahlreiche Familie und die Kunst – zu sterben.

Familienmittheilungen und biographische Skizze von K. im „Diöcesanarchiv v. Schwaben“ von Beck, XVI4, 1898, S. 49–52 unter Beigabe eines Bildnisses nach einem aquarellirten Selbstporträt aus d. J. 1838.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: in in