Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Kaup, Johann Jakob“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 505–506, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kaup,_Johann_Jakob&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 21:22 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 15 (1882), S. 505–506 (Quelle).
Johann Jakob Kaup bei Wikisource
Johann Jakob Kaup in der Wikipedia
Johann Jakob Kaup in Wikidata
GND-Nummer 118721321
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|15|505|506|Kaup, Johann Jakob|Wilhelm von Gümbel|ADB:Kaup, Johann Jakob}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118721321}}    

Kaup: Johann Jakob K., Inspector des Naturaliencabinets in Darmstadt und berühmter Paläontologe, geb. am 10. April 1803 zu Darmstadt, besuchte das Pädagogium seiner Vaterstadt bis zu seiner Confirmation, beschäftigte sich von da an seiner unwiderstehlichen Liebe zur Naturwissenschaft, namentlich zur Geologie folgend, mit naturwissenschaftlichen Arbeiten, wobei er sich durch Schreibunterricht und Ausstopfen von Thieren bei dem Naturaliencabinete seinen Lebensunterhalt zu verschaffen suchte. Blumenbach’s Ruf war bis zu K. zu gedrungen und zog den jungen strebsamen Mann 1822 nach Göttingen. Dort fand er aber nicht das, was er gehofft hatte. Weder die dortigen Sammlungen, noch Blumenbach’s Vortrag befriedigten ihn. Deshalb kehrte K. bald nach einem flüchtigen Besuche bei dem damals berühmten Ornithologen Pfarrer Brehm wieder in seine Heimath zurück. Auch ein Aufenthalt in Heidelberg, der ihm den Rest seines kleinen Vermögens kostete, war für ihn scheinbar ein verfehltes Unternehmen, jedoch wenigstens nicht ganz ohne Erfolg, weil er dort Agassiz kennen lernte und von da an mit diesem in regen wissenschaftlichen Verkehr trat. In dieser Lage entschloß sich K. an einer der damals bedeutendsten Sammlungen, nämlich in Leyden, seine Studien fortzusetzen und eine Unterkunft zu suchen, wo er auch an dem damaligen Director Temminck bald einen Gönner und Freund fand. Dieser verschaffte ihm sogar eine Art Anstellung bei dem Cabinet für das Fach der Amphibien und Fische. Bei dieser seiner Beschäftigung machte K. zahlreiche Entdeckungen neuer Arten von Amphibien und Fischen, die er in Okens Isis beschrieb. Aber der mit seinen Erfolgen wachsende Neid gegen den begünstigten Ausländer und geschickten Arbeiter vertrieb schon nach zwei Jahren K. auch aus Leyden. Nach Darmstadt zurückgekehrt mußte er mit dem kärglichen Gehalte eines Assistenten am dortigen [506] Museum sein Leben fristen. Doch anerkannte damals schon die Gießener Universität seine wissenschaftlichen Leistungen durch Verleihung des Doctordiploms honoris causa. Erst 1829 kam K. zur Publication einer größeren Abhandlung: „Skizze zur Entwickelungsgeschichte der europäischen Thierwelt“, welche dadurch merkwürdig ist, daß K. in derselben, wie wir jetzt sagen, in Darwin’schem Sinne die Entwickelung der Thierwelt von niederen zu höheren Formen durch parallellaufende, von den Amphibien beginnende, durch die Vögel zu den Säugethieren aufsteigende Reihen nachzuweisen versuchte. Indeß erklärte K. die in dieser Publication ausgesprochene Ansicht später selbst als eine Jugendverirrung und betrat mit seinem großen wichtigen Werke: „Das Thierreich in seinen Hauptformen“, 1837 in 3 Bänden, das mit meisterhaft ausgeführten Abbildungen versehen ist, in der Systematik ganz abweichende Bahnen. Weiter veröffentlichte K.: „Classification der Säugethiere und Vögel“, 1844, und gemeinschaftlich mit dem Heidelberger Zoologen Bronn: „Die Gavial-artigen Reste aus dem Lias“ in 2 Theilen mit 6 Tafeln, 1842–44. Nach der Veröffentlichung von Darwin’s epochemachenden Arbeiten wurde K. von vielen Seiten aufgemuntert, seine Jugendarbeit aufgreifend, die Darwin’schen Ansichten vom Standpunkte seiner späteren Erfahrungen zu widerlegen. An eine diesbezügliche Ausarbeitung legte er zwar die Hand an, ohne sie aber zum Abschluß zu bringen. Gesprächsweise ereiferte sich K. aufs heftigste gegen diese neue Lehre, die er sogar als Unsinn bezeichnete. Inzwischen war er Inspector an dem Naturaliencabinet in Darmstadt und Professor der Zoologie geworden und warf sich besonders auf das Studium der Paläontologie, in der er Vorzügliches leistete. Hierzu führte ihn besonders der glückliche Umstand, daß in der Nähe von Darmstadt bei Eppelsheim eine überaus reiche Fundstätte miocäntertiärer Säugethierreste im sogen. Dinotheriumsande entdeckt wurde, aus welcher bereits von Schleiermacher und Merk zahlreiche Erfunde in dem Darmstädter Museum niedergelegt worden waren. Durch fortgesetzte fleißige Ausgrabungen wurde K. in Stand gesetzt, die von Cuvier begonnenen Studien fossiler Säugethiere fortzusetzen und wesentlich zu erweitern. Der große Pariser Osteologe, mit dem K. in lebhaften schriftlichen Verkehr trat, leistete dabei dem deutschen Gelehrten den nachhaltigsten Beistand und verschaffte ihm die Gelegenheit, ergiebige vergleichende Studien an fossilen Knochen anzustellen. Aus mehreren vereinzelten früheren Publicationen, unter denen namentlich „Description d'ossements fossiles“, und „Akten der Urwelt“, 1841 mit 14 Tafeln, hervorzuheben sind, erwuchs Kaup’s bedeutendstes Werk: „Beiträge zur näheren Kenntniß der urweltlichen Säugethiere“ in fünf Heften mit 34 lithogr. Tafeln prachtvoll ausgestattet (1855–62), welches ihm einen Platz unter den hervorragenden Paläontologen sicherte und ihm einen großen Ruf verschaffte. Besonderes Aufsehen erregte seine Beschreibung des Riesenschädels vom Dinotherium, einer an gewisse Walle erinnernden Form eines Rüsselträgers, welches Cuvier zuerst nach einem Zahne dem Tapir angereiht hatte. Von vielen Seiten erhielt K. Einladungen zum Besuch von Sammlungen vorweltlicher Säugethierreste, denen er jedoch selten Folge gab. K. lebte sehr zurückgezogen, ganz seinen Studien hingegeben, die neben der Sorge und Pflege der ihm anvertrauten und durch ihn reich vermehrten Sammlung in Darmstadt sein Leben vollständig in Beschlag nahmen. Viele wissenschaftliche Vereine ehrten seine hervorragenden Verdienste durch die Aufnahme in die Zahl ihrer Mitglieder. K. starb am 4. Juli 1873 in Darmstadt.

Poggendorff, Biogr. I. 1232. Beil. z. Allg. Zeit. v. 15. Juli 1873.