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Artikel „Kahler, Johann“ von Julius August Wagenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 795–796, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kahler,_Johann&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 14:56 Uhr UTC)
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Kahler: Johann K., lutherischer Theolog und Philosoph des 17. Jahrhunderts, geb. zu Wolmar in Hessen, zwei Stunden von Marburg, als Sohn eines Landmanns und Gerichtsschöffen, am 18. Januar 1649, † am 17. Mai 1729 als Professor an der Universität Rinteln während eines Besuchs zu Pyrmont. – Seine frühe sich zeigende gute Begabung veranlaßte die Eltern, ihn für eine gelehrte Laufbahn zu bestimmen. Er studirte zu Marburg und Gießen neun Jahre lang Philosophie und Theologie, wurde 1670 zu Gießen Magister, führte die Aufsicht über einen jungen Grafen Görz und vier schwedische Edelleute, hielt philosophische Vorlesungen und war einer der Ersten, welche die cartesianische Philosophie an einer deutschen Universität in Gang brachten, während [796] er die Fundamente der bisherigen Schulphilosophie mit großem Scharfsinn bekämpfte (ea judicii polluit acie, ut putidae Scholasticorum philosophiae fundamenta primus labefactaret etc.). Er fand bei diesem Vorgehen anfangs vielfachen Widerspruch, besonders von Seiten des Gießener Theologen Haberkorn († 1676), während Andere sich seiner annahmen und den Cartesianismus nicht schlechthin verwerfen wollten. 1677 wurde er außerordentlicher Professor der Metaphysik zu Rinteln, noch in demselben Jahre prof. log., 1678 prof. math. und metaphys. ord., 1683 Dr. theol. und ordentlicher Professor der Theologie, 1697 prof. theol. primarius, versah auch freiwillig das Amt eines Universitätsbibliothekars. Bei mäßigem Leben erfreute er sich einer kräftigen Gesundheit, war ein sehr fleißiger Arbeiter auf verschiedenen Gebieten der Wissenschaft und besaß ein außerordentliches Gedächtniß, so daß er das Blatt des Schriftstellers bezeichnen konnte, wo er vor 50 Jahren etwas gelesen. Er starb als Rector magnificus der Universität Rinteln auf seinem Landgut zu Pyrmont, wohin er verreist war, im 81. Lebensjahre. – Er schrieb zahlreiche Schriften und Abhandlungen philosophischen, naturwissenschaftlichen, theologischen Inhalts; z. B. „Paradoxa Cartesii philosophia“, eine Anpreisung der cartesianischen Philosophie, 1673 confiscirt, de intelligentiis, de causa morali, de libertate Dei; ferner Abhandlungen über Erdbeben, Kometen, Reflexion des Lichtes, auch eine Einleitung zu einem Lehrbuch der allgemeinen Geographie, das aber unvollendet blieb; endlich: „Collegium theologicum“, über die Lästerung des heil. Geistes, über Unabänderlichkeit der Erwählung, Zurechnung fremder Sünde, Polygamie, verbotene Verwandtschaftsgrade, „de haeresi Enthusiastarum“, über die Augsburger Confession und die schmalkadischen Artikel, über evangelische Kirchenordnungen etc. – Ein Neffe von ihm war Wigand K., geb. am 27. März 1699 zu Wolmar in Hessen, † am 14. November 1747 zu Rinteln. Er hatte zu Gießen und Rinteln studirt, wurde hier 1721 Conrector, 1727 Rector an der Rathsschule, Professor der Logik, Metaphysik und Poesie an der Universität, so daß er eine Zeitlang das Rectorat der Schule und drei akademische Professuren zugleich bekleidete. 1730 wurde er Professor der Theologie, 1745 Dr. theol. in Göttingen und auch Mitglied der dortigen deutschen Gesellschaft. Trotz seiner Kränklichkeit und großen Arbeitslast war er auch schriftstellerisch thätig, schrieb Programme und lateinische Gedichte, übersetzte apologetische Schriften aus dem Französischen, gab Coler’s Leben Spinoza’s mit Anmerkungen heraus, schrieb über die Methode des theologischen Studiums, über Anwendung der mathematischen Lehrart auf die Theologie und Kritisches zum Neuen Testament.

S. über Beide: J. N. Funck, Oratt. acad., S. 39 ff.; Schmersahl, Zuverl. Nachr., I. 113; Moser, Lexikon; Neubauer, Nachrichten von jetztl. Gottesgel., S. 179; Strieder, Hess. Gel.-Gesch., VI. 458 ff., 470 ff.; Jöcher, II. 2045; Rotermund, III. 28 ff.; Tholuck, Akad. Leben des 17. Jahrh., II. S. 10.