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Artikel „Johann (Graf von Kleve)“ von Woldemar Harleß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 206–208, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_(Graf_von_Kleve)&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 07:01 Uhr UTC)
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Johann, Graf von Cleve, der letzte Dynast aus dem Geschlechte der Flandrischen Antoinger, (– so benannt von dem Schlosse St. Antoing an der Schelde im Hennegau –), als dessen früheste geschichtlich nachweisbare Ahnherren nicht die römischen Ursiner, noch auch der Schwanenritter Elias Gral, sondern vielmehr die Gebrüder Rütger und Gerhard, von Kaiser Heinrich II. nach dem Sturze des durch die Fehde mit dem Grafen Wichmann von Vreden, noch mehr aber durch seine leidenschaftliche Gemahlin Adela, die rheinische Medea, bekannten Grafen Balderich von Uplade oder Uplage bei Elten um 1020) zur Verwaltung des Hattuariergaues berufen, zu gelten haben. Von Gerhard, der zu Wassenberg seinen Sitz erhielt, stammen die Grafen von Geldern, von Rütger, dem Cleve zufiel, die Clevischen Grafen der Dynastie ab. Der erste dieser letzteren, welcher urkundlich auftritt und sich gleich seinen nächsten Nachfolgern bald nach dem pfalzgräflichen Schlosse Tomberg in der Eifel, dem ältesten Sitze des Geschlechts am Rheine, bald nach Cleve nennt, ist Dietrich I. (1092–1118), jenes Rütger’s Urenkel. Es folgten demselben Arnold I. (urkundlich als Graf zwischen 1119 und 1147), Dietrich II. und III. (bis 1167), Dietrich IV. (bis 1191), Arnold II. (1191–98), sämmtlich getreue Lehnsmannen der Erzbischöfe von Cöln, als welche und als deren Vögte über die Stifte und Klöster Zyfflich, Rees, Xanten, Fürstenberg und Wesel, als Erben der alten Dynasten von Aspel-Rees und Hengebach (Heimbach) und daher von Birten und Mörmter, sowie den Höfen Calcar, Orsoy und Wissel und vermöge bedeutender Comitatsrechte (mit dem Banne über große Strecken des Clevischen Reichswaldes und der rechtsrheinischeu Marken-Waldungen dies- und jenseits der Lippe) sie aus bescheidenen Anfängen heraus allmählich ihre Territorialgewalt entwickelten. Auch die Wendung, welche in dem Verhältnisse der Clevischen Grafen zu den Erzbischöfen von Cöln unter Arnold’s II. (oder III.) Sohn, [207] Dietrich V. (urkundlich 1202–1260) sich anbahnte und zunächst in der Haltung desselben gegenüber den Plänen des Erzbischofs Engelbert I. und durch die Vermählung Dietrich’s, seines Erstgeborenen von Hadwig, der Erbtochter von Dinslaken, mit Herzog Heinrich’s I. von Brabant Tochter Elisabeth manifestirte, hatte eine Erweiterung der Hausmacht der Grafen, durch die Erwerbung insbesondere des Reichshofs Wesel, Cölnischer Lehen wie Sonsbeck und Uedem, mancher Güter des Stifts Xanten u. s. w. zur Folge, die auch bei dem gezwungenen Wiederanschlusse desselben Dietrich V. und dessen Sohnes Dietrich VI. (1260–1274) an die welfische und antikaiserliche Politik der Erzbischöfe sich erhielt, bis unter des letztgenannten Sohne Dietrich VII. (1274–1305) eine neue bedeutende Stärkung der Stellung des Grafenhauses, dessen Unabhängigkeit erhöhend, zugleich den Antagonismus zwischen Cleve und Kurcöln zur Reife brachte. Vor Allem trug hierzu die Vermählung Dietrich’s VII. (in zweiter Ehe) mit König Rudolf’s von Habsburg Nichte, Margaretha von Kiburg (1289) bei, welche Jenem als Mitgift Reichsgefälle zu Nymwegen, Doesburg und Deventer, sowie den wichtigen Pfandbesitz der Reichsstadt Duisburg zuführte. Zwar gelang es zuerst 1303 dem Cölner Erzbischof Wichbold von Holte und sodann 1314 dessen Nachfolger Heinrich II. von Virneburg, Theile der Besitzungen, welche durch die Heirath Dietrich’s VI. mit Aleidis von Virneburg an das Clevische Haus gekommen waren, insbesondere die Vogteien zu Bonn und Bornheim, Ahrweiler und Saffenberg, sowie Tomberg und die halbe Grafschaft Hülchrath aus der Hand von Dietrich’s VII. Bruder Dietrich Luf käuflich zu erwerben, jedoch der Versuch, nach dem Tode von Dietrich’s VII. ältestem Sohne Otto (1305–1311), der durch seine Verheirathung mit Mechthild von Virneburg, der Nichte Heinrich’s II., in Abhängigkeit von diesem gebracht war, nicht allein dessen Cölnische Lehen, sondern sogar die ganze Grafschaft Cleve mit Hilfe Friedrichs von Oesterreich zum Erzstifte einzuziehen, schlug fehl und hatte nur die enge Anlehnung Dietrich’s VIII. (1311–1347), des Sohnes der Margaretha von Kirburg, an Ludwig den Bayern zur Folge, ein Verhältniß, das der letztgenannte Graf unter günstigeren Zeitumständen zur Consolidirung seines Hausbesitzes, u. A. durch Hinzufügung rechtsrheinischer Herrschaften und Jurisdictionen, wie der Herrschaft Spellen (1335), der Gerichte zu Hünxe, Götterswickerhamm und Gahlen (1338 und 1341) bestens benutzte. So fand Graf J., seit 1324 Domdechant zu Cöln und mit Linn, Orsoy und dem Reste der Grafschaft Hülchrath abgegütet, als er am 7. Juli 1347 seinem Bruder Dietrich VIII. folgte, ein namentlich auf dem linken Rheinufer zusammenhängendes Gebiet vor, auf dessen innere Förderung durch Hebung und Mehrung der Städte und ihrer Freiheiten und Privilegien, insbesondere ihres Handels und ihrer Gewerbthätigkeit er in noch höherem Grade als der Bruder sein Augenmerk richtete. Die Gerechtsame der Städte Wesel (mit Urkunde vom 11. Juli 1347 und durch das Statut in Betreff der Schöffenwahl vom 24. September 1359), Calcar (laut Urkunde vom 16. August 1347) und Cleve (unter dem 1. Januar 1348) bestätigend und erweiternd, erhob er Uedem und Orsoy – letzteres mittels Urkunde Kaisers Ludwig vom 1. September 1347 – zu Städten und baute Griethausen als solche neu auf. Indem er durch diese Fürsorge für das städtische Wesen und vermöge seiner äußerlich befriedigenden Stellung gegenüber dem Cölner Erzbischofe, wie auch durch seine Vermählung mit Mathilde, der Tochter Herzogs Reinald II. von Geldern und Wittwe Gottfrieds von Heinsberg (1348) die Erbansprüche des Enkels seines Halbbruders, Otto von Arkel, wie seines eigenen Neffen, des Grafen Engelbert von der Mark, erfolgreich zurückhielt, empfing er von Kaiser Ludwig in Anerkennung seiner Ergebenheit am 1. September 1347 die Belehnung mit der Grafschaft Cleve und der dem Reiche heimgefallenen [208] Jurisdiction Rindern und ebenso ward ihm eine erhebliche Erhöhung der Pfandsumme auf Duisburg zu Theil. Beides bestätigte Karl IV. 1349, unter Verleihung des wichtigen Privilegiums de non evocando für die Unterthanen der Grafschaft. Auch nach Außen hin wirkte Graf J. für das Wachsthum und die Abrundung seines Gebietes, namentlich nach dem benachbarten Geldern zu, wo damals die Brüder Reinald (III.) und Eduard in wildem Kampfe um die Herrschaft stritten. Hierbei der Partei Reinald’s sich zuwendend, erwarb J. durch Pfandnahme und Kauf wie zufolge Lehnsauftragung auf der linken Rheinseite die Ober-Betau, Calbeck, Hülhausen, Mörmter und Eger, auf der rechten hauptsächlich die Stadt Emmerich (1355). Nach einer sonach für sein Land im Ganzen segensreichen Regierung starb J., der als ein gerechter, wohlwollender und wohlthätiger Herr und, wenn wir dem betreffenden Chronisten glauben dürfen, als ein Kenner und Freund des Römischen Rechts geschildert wird, am 19. Novbr. 1368, ohne Nachkommen zu hinterlassen und, wie oben bemerkt, als Letzter seines Stammes. Er wurde in der von dem Bruder Dietrich VIII. 1341 zu Cleve errichteten Stiftskirche neben diesem beigesetzt.

Lacomblet, Urkundenbuch, Bd. III und dessen Archiv, Bd. IV, hauptsächlich aber die Darstellung der älteren Clevischen Geschichte durch A. v. Haeften, Zeitschr. des Berg. Geschichts-Vereins II S. 23 ff.