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Artikel „Jerrmann, Eduard“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 745–746, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jerrmann,_Eduard&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 17:44 Uhr UTC)
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Jerrmann *): Eduard J., Schauspieler, wurde im J. 1798 in Berlin geboren. Von Jugend auf für die Schauspielkunst begeistert und schon als Kind beim Puppenspiel seine Begabung für seinen künftigen Beruf verrathend, widmete er sich doch zunächst der Landwirthschaft, für die ihn seine Eltern bestimmt zu haben scheinen. Ihr Widerstand gegen seine schauspielerischen Zukunftspläne muß ziemlich hartnäckig gewesen sein, denn als er keine Lust zum Landwirth mehr verspürte, sandten sie ihn nach Leipzig, wo er den Buchhandel erlernen sollte. Er blieb jedoch vermuthlich nicht lange in Leipzig, sondern begab sich auf die Wanderschaft, um zu versuchen, ob es ihm nicht möglich wäre, an irgend einer Bühne die Gelegenheit zu einem Debüt zu erlangen. Da er aber nur in einer tragenden Hauptrolle auftreten wollte, wurde er überall abgewiesen. Er hatte schon damals die Absicht, die er später verwirklichen sollte, in Schiller’s „Räubern“ gleichzeitig als Franz und Karl Moor aufzutreten und schrieb schon im J. 1816 in diesem Sinne an den Hamburger Theaterdirector Herzfeld, bekam aber von diesem keine Antwort. Erst im J. 1819 erhielt er durch die Vermittlung eines Freundes, des Theatermalers Beuther, Gelegenheit, am Theater zu Würzburg in der Rolle des Roderich in Calderon’s „Das Leben ein Traum“ die Bretter, welche die Welt bedeuten, zu betreten. Der Erfolg war ziemlich zweifelhaft. Während er mit der Recitation der verschiedenen Monologe Beifall fand, begleitete das Publicum seine übertriebenen Gesten und allzulangen Schritte mit fröhlichem Gelächter. Auf den Rath des Schauspielers Cornelius blieb J. nicht in Würzburg, sondern wandte sich nach München, wo sich Vespermann seiner annahm und ihm eine kleine Anstellung am Hoftheater verschaffte, die er zwei Jahre hindurch innehatte, ohne sich irgend wie hervorzuthun. Im Sommer 1821 wurde er vom Hofrath Küstner für die Leipziger Bühne engagirt, der er vier volle Jahre angehörte. J. widmete sich schon damals dem Fache der Charakter- und Intriguantenrollen und fand mit ihnen sowol in Leipzig als auch auf seinen Gastspielreisen viel Beifall. Nachdem er im J. 1824 Leipzig verlassen hatte, übernahm er für kurze Zeit als Regisseur die Leitung des Augsburger Stadttheaters. 1826 wollte er auf eine Gastspielreise nach St. Petersburg gehen, kam aber, da inzwischen die Kaiserin von Rußland gestorben war, nur bis Königsberg. Hier brachte er das schon oben erwähnte Kunststück, den Franz und Karl Moor an einem und demselben Theaterabend zu spielen, das er später oft wiederholt hat, zum ersten Mal zur Ausführung und zwar mit glänzendem äußeren Erfolge. Ende des Jahres 1829 finden wir ihn wieder in München, wo er jedoch nicht engagirt war. Er benutzte die Zeit, um noch einmal bei Vespermann Unterricht zu nehmen. Im Frühjahr 1830 reiste er nach Paris in der Absicht, am Théâtre français in französischer Sprache den Wettkampf mit den dortigen Koryphäen aufzunehmen. Er studirte die französische Sprache mit großem Fleiß und brachte es wirklich dahin, daß er im J. 1832 unter allgemeinem Beifall und mit voller Anerkennung der französischen Presse zwölf Gastrollen am Théâtre français absolviren konnte. Nachdem [746] dieses Experiment glücklich abgelaufen war, kehrte er im J. 1833 nach Deutschland zurück und spielte nun zunächst in München in einzelnen Scenen Corneille’scher Dramen, die ihm zu Liebe französisch gegeben wurden. In demselben Jahre veröffentlichte er unter dem Titel: „Paris. Fragmente aus meinem Theaterleben“ (München 1833) seine lesenswerthen Erinnerungen an das, was er hauptsächlich in Paris erfahren und beobachtet hatte. Die nächsten fünfzehn Jahre hindurch verbrachte er auf Gastspielreisen, die mit kürzeren Engagements abwechselten. Es ist nicht möglich, ihn auf dieser seiner unruhigen, wechselvollen Laufbahn zu verfolgen. Längere Zeit dürfte er namentlich in Mannheim und Köln (1836, 1841?) thätig gewesen sein. In Köln kam es zu einem Theaterscandal, da J. durch einen Theaterrecensenten beleidigt worden war und sich nach Kräften an ihm gerächt hatte. J. hatte die Kölner Vorgänge selbst mit unnöthiger Breite und Selbstgefälligkeit in dem Buche: „Das Wespennest oder der Kölner Carneval. Fragmente aus meinem Theaterleben“ (Leipzig 1835) erzählt und dadurch die nicht minder umfängliche Gegenschrift: „Köln und E. Jerrmann. Ein ergänzender Beitrag zu Jerrmann’s Schrift: Das Wespennest … Von Bernhard Rave“ (Köln 1836) hervorgerufen. Mit besonderem Glück trat er an verschiedenen russischen Bühnen und namentlich in St. Petersburg auf. In den Jahren 1845–1846 war er an der Wiener Hofburg engagirt. Später spielte er gelegentlich auf dem Theater an der Wien. Im November 1847 wandte er sich an Gutzkow mit der Bitte, ihm ein Engagement am Hoftheater zu Dresden, wo sein Sohn im Blochmannschen Institute erzogen wurde, zu verschaffen. Doch ließ sich sein Wunsch nicht erfüllen. Er mußte zufrieden sein, daß er im Winter von 1849 drei Gastrollen in Dresden geben durfte, in denen er außerordentlich gefiel. Nachdem er schon mehrfach in Gastspielrollen am Berliner Hoftheater aufgetreten war, wurde er im J. 1850 für dasselbe engagirt. Doch erkrankte er bald und starb nach langen, schweren Leiden zu Berlin am 4. Mai 1859. – Mit einer nicht gewöhnlichen Begabung ausgerüstet, hat J. sich auch als Dichter vielfach versucht. Er übersetzte und bearbeitete zahlreiche französische Stücke, veröffentlichte einen Roman: „Die Jüdin von Toledo“, sowie verschiedene Novellen und betheiligte sich lebhaft mit Wort und Schrift an den Bestrebungen zur Reform des deutschen Theaters.

Allgem. Theater-Chronik. Leipzig 1859, S. 257. – K. Th. Küstner, Rückblick auf d. Leipziger Stadttheater. Leipzig 1830, S. 85, 87, 103. – Em. Kneschke, Zur Geschichte d. Theaters u. d. Musik in Leipzig. Leipzig 1864, S. 87, 88. – Ed. Devrient, Geschichte d. deutschen Schauspielkunst, Bd. 4 u. 5. Leipzig 1861–1874 (Register). – T. A. Witz, Versuch e. Geschichte der theatralischen Vorstellungen in Augsburg. Augsburg 1876, S. 80, 94. – Ant. Pichler, Chronik d. Großh. Hof- u. National-Theaters in Mannheim. Mannheim 1879, S. 246. – Frz. Grandaur, Chronik d. kgl. Hof- u. Nationaltheaters in München. München 1878, S. 91, 107, 112. – Ed. Wlassack, Chronik des k. k. Burgtheaters. Wien 1876, S. 223. – Die Bibliothek d. Großh. Hof- u. Nationaltheaters in Mannheim 1779 bis 1839. Leipzig 1899. – C. Schiffer u. C. Hartmann, Die kgl. Theater in Berlin. Berlin 1886 (Register). – H. H. Houben, Emil Devrient. Frankfurt a. M. 1908 (Register). – Ludwig Eisenberg’s Großes Biogr. Lexikon der Deutschen Bühne des 19. Jahrhunderts. Leipzig 1903, S. 481, 482.

[745] *) Zu Bd. L, S. 651.