ADB:Heynitz, Friedrich Anton von

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Artikel „Heynitz, Friedrich Anton von“ von Otto Steinecke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 493–500, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heynitz,_Friedrich_Anton_von&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 13:19 Uhr UTC)
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Heynitz *): Friedrich Anton von H., der „Bergwerksminister des 18. Jahrhunderts“. (Heynitz’ Vater und Geschwister schrieben sich stets mit y. Ebenso in Uebereinstimmung mit seiner Geburtsurkunde und allen amtlichen Schriftstücken er selbst, bis er sich 1776 längere Zeit in Paris aufhielt. Seitdem taucht die – französirte? – Schreibweise Heinitz auf und wird von da ab im amtlichen und privaten Verkehr meistens gebraucht. Nach dem Urtheil des Königlichen Heroldsamtes in Berlin vom 14. November 1901 lautet die richtige Schreibweise Heynitz entsprechend der des gleichnamigen Stammhauses. – Der Freiherrntitel, der Heynitz gewöhnlich beigelegt wird, steht ihm nicht zu.) Die Familie v. Heynitz, deren über 600 Jahre im Besitz des Geschlechtes befindlicher Stammsitz gleichen Namens in der Nähe von Meißen liegt, zählt zu dem ältesten Adel Sachsens. Ihre Glieder haben oft hohe Ehrenstellen in ihrem Vaterlande bekleidet. F. A. v. Heynitz wurde am 14. Mai 1725 zu Dröschkau, Kreis Torgau, geboren, einem Rittergute, mit dem sein Urgroßvater 1669 belehnt worden war. Sein Vater Georg Ernst v. H. übte eine wirksame Thätigkeit als sächsischer Hof- und Justizrath, sowie als Inspector der Fürstenschule Meißen aus. Seine Mutter Sophie Dorothea geb. v. Hardenberg aus dem Hause Wiederstädt war eine ältere Verwandte des Dichters Novalis und des preußischen Staatskanzlers v. Hardenberg.

[494] Sorgfältig erst im elterlichen Hause, dann Michaelis 1741 bis Johannis 1742 in Schulpforta durch Privatunterricht ausgebildet, wurde er von seinem Vater wider seinen Willen für das Bergfach bestimmt und empfing die ersten Fachkenntnisse Johannis bis Weihnachten 1742 durch den „Vater des sächsischen Salinenwesens“, den Bergrath Joh. Gottfried Borlach in Kösen. Nachdem er von Ende 1742 ab in Dresden bergbaulichen Studien obgelegen hatte, siedelte er im März 1743 nach der altberühmten Bergstadt Freiberg über. Hier hörte er bei einigen Beamten bergwissenschaftliche Vorlesungen, eignete sich die Bergbaukunst praktisch an und erweiterte seinen Blick und seine Kenntnisse durch Studienreisen und Betheiligung an bergmännischen Unternehmungen im Erzgebirge und in Böhmen. Die Wirren des Zweiten Schlesischen Krieges setzten dem ein Ziel und riefen ihn im Herbst 1745 auf sein väterliches Gut Dröschkau.

Da er in seinem Vaterlande keine Anstellung fand, trat er am 13. Juli 1746 als Assessor bei dem Bergcollegium in Blankenburg in braunschweigische Dienste und wußte sich durch Fleiß und Kenntnisse, Gewandtheit und Wissenstrieb Anerkennung zu erringen. Als die braunschweigische Regierung im Frühjahr 1747 Commissare nach Schweden sandte, um Streitigkeiten zu schlichten und das schwedische Bergwesen zu erkunden, wurde ihnen H. beigesellt. Er besuchte viele schwedische Bergwerke, studirte Handel und Wandel, namentlich den Vertrieb des Eisens, und genoß den bildenden Umgang schwedischer Fachmänner, so daß er sich den Schüler eines Polheim, Tile und Schwaben nennt. Die Berichte, die er über diese Reise seiner Behörde abstattete, trugen ihm viel Lob und am 20. Januar 1748 die Beförderung zum Kammerrath ein. Der Leiter des Harzer Bergbaus Berghauptmann Karl v. Imhof wurde 1749 und 1751 von der österreichischen Regierung zur Begutachtung der dortigen Bergwerke nach Ungarn berufen und erkor sich beide Mal H. zum Begleiter. Auf diese Weise lernte H. das ungarische und auch das steiermärkische Bergwesen um so gründlicher kennen, als nichts vor ihm geheim gehalten wurde und Imhof, den er dankbar als seinen Lehrer ansah, ihm ein umsichtiger Berather war. 1757 und 1758 mußte H. als Commissar seiner Regierung gemeinsam mit dem Hessen Waitz v. Eschen [WS 1]und dem Preußen Valentin v. Massow[WS 2] für die Verpflegung der verbündeten Truppen Sorge tragen, bis ein Zwist mit dem Prinzen Ferdinand den Auftrag beendete. So war er in der verschiedensten Weise thätig. Er betrachtete später seine braunschweigische Dienstzeit als seine Schule und sandte oft Untergebene zu Studienzwecken in den Harz oder berief sich von dort seine Beamten. Dabei stieg er von Stufe zu Stufe und wurde am 13. August 1762 zum Geh. Kammerrath und Leiter des gesammten Harzer Bergbaus ernannt.

Um die Wunden des Siebenjährigen Krieges zu heilen und um mit dem System des Ministers Brühl aufzuräumen, zog Kurfürst Friedrich Christian von Sachsen mehrfach verdiente Männer aus dem Ausland in seine Dienste. Zu ihnen gehörte auch H., dessen Wünsche mit diesem Rufe übereinstimmten. Am 10. December 1763 übernahm er als Generalbergcommissarius und Mitglied des Kammer- und Bergcollegiums die Leitung des vaterländischen Bergwesens. Hohe Verdienste erwarb er sich um den sächsischen Bergbau durch die Gründung der Bergakademie Freiberg. Denn wenngleich von jeher einzelne Beamte in der Bergbaukunde unterwiesen hatten, so war dies doch vom Zufall abhängig gewesen und ohne System geschehen. H. selbst hatte dies nachtheilig empfunden, und zwar um so mehr, als er der Meinung war, daß die Bergbaukunst nicht Sache der Routine, sondern der Wissenschaft sei. Als daher der Administrator Xaver im Herbst 1765 Freiberg besichtigte, lenkte er dessen [495] Blick auf diesen Mangel und überreichte ihm am nächsten Tage, dem 13. November 1765, das Bittgesuch, jährlich 1200 Thaler für bergbauliche Studienzwecke auszuwerfen. Eingehend begründete er die Verwendung der Gelder und unterbreitete Vorschläge inbetreff der Lehrer und Schüler. Der Regent genehmigte alles, und Ostern 1766 begann die geordnete wissenschaftliche Ausbildung der Bergbaubeflissenen. H., der der Akademie seine Stufensammlung schenkte, wurde ihr Curator und ließ nicht ab, für seine Schöpfung zu sorgen. Die Bergakademie Freiberg errang bald europäischen Ruhm, die sächsischen Bergbeamten traten wohlausgerüstet ihre Berufsthätigkeit an und dadurch kam der sächsische Bergbau zur Blüthe. Weiter veranlaßte H. eine Revision sämmtlicher Bergwerke. Am 8. November 1766 wurde eine Commission eingesetzt, die unter seiner Leitung untersuchen sollte, wo im ganzen sächsischen Bergwesen Schäden vorlägen und wie sie abzustellen seien. „Der Gebrechen gar viele entblößten sich den Augen der Revisionscommissarien.“ Daneben bereiste er selbst unermüdlich die Bergwerke. Straffere Organisation der Behörden, Verbesserung des Maschinenwesens, Verringerung der Productionskosten, Studienreisen geeigneter Beamter z. B. nach Steiermark, in den Harz, Stipendien für tüchtige Männer, Fürsorge in Nothständen und für die Hinterbliebenen – durch diese und andere Mittel brachte H. den Bergbau in die Höhe. Bald wurden von überallher sächsische Bergleute begehrt. Ursprünglich war Heynitz’ Thätigkeit so gedacht, daß er wie jedes andere Mitglied des Bergcollegiums auf Grund der Acten berichten und vorschlagen sollte. Doch widerstand ihm diese rein bureaumäßige Thätigkeit. An Ort und Stelle wollte er sehen und entscheiden, dann aber auch anordnen dürfen und seine Befehle beachtet wissen. Darum bat er den Kurfürsten immer wieder um Entlastung von den laufenden Geschäften im Collegium, damit er Revisionsreisen ausführen könne, um einen höhern Rang, damit er überall anordnen dürfe, um Vergrößerung seines Einkommens, damit er die Reisekosten zu bestreiten vermöchte. Infolgedessen wurde er, zugleich zur Anerkennung seiner Verdienste, am 2. Juli 1771 zum Geheimrath ernannt. Er erhielt den Rang vor dem Oberberghauptmann und durfte in Bergsachen überall anordnen und den Vorsitz führen. Im Kammercollegium wurde er entlastet, und sein Einkommen wurde verbessert. Wie er aber auf diese Weise seine Stellung nach oben charaktervoll zu wahren wußte, so erkannte er neidlos die Verdienste seiner Untergebenen an, schützte sie und förderte ihre Arbeit.

Am 23. Juli 1764 wurde H. zum Mitglied der Landes-, Oekonomie-, Manufactur- und Commerzien-Deputation erwählt. Er hatte Forst-, Verkehr- und Handelssachen zu bearbeiten. Er mußte auch die Verhandlungen führen, die vom 1. März 1766 ab in Halle zwischen Sachsen und Preußen über Handelsfragen stattfanden. In der Meinung, daß bei dieser Gelegenheit die gesammten beiderseitigen Handelsbeziehungen geregelt werden könnten, hatte man in Sachsen eingehende Vorberathungen gepflogen, und H. arbeitete einen förmlichen Handelsvertrag aus. Friedrich II. ließ aber plötzlich erklären, daß lediglich der Meßhandel in Frage kommen dürfe; andernfalls sollten die Verhandlungen sofort abgebrochen werden. Da Sachsen mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung nicht wagte, die Sache im Sande verlaufen zu lassen, ging man auf diesen Vorschlag ein, und so wurde am 18. Juni 1766 eine von H. entworfene, fünf Jahre gültige Convention über den Meßhandel von den beiden Staaten angenommen. Ohne Zweifel haben diese Verhandlungen dazu beigetragen, Heynitz’ Auge für handelspolitische Fragen zu schärfen.

Am 19. März 1772 wurde ihm die besondere Aufsicht und Direction des Salinenwesens übertragen. Er verfolgte hier dieselben Ziele wie beim [496] Bergwesen und sah es besonders als seine Aufgabe an, für den vortheilhafteren Verkauf des Salzes zu sorgen. Schon im nächsten Jahre konnte er mit Genugthuung berichten, daß der Ueberschuß der ersten sieben Monate den aus dem gleichen Zeitraum des Vorjahres um 3485 Thaler übertreffe.

Es konnte nicht ausbleiben, daß H. bei seinem charaktervollen Auftreten und seinem erfolgreichen Wirken allerlei Gegner erwuchsen. Auch im Kammercollegium. Ihre Umtriebe verleideten ihm sein Amt. Nun wurde am 30. November 1773 eine Generalhauptcasse für alle Einnahmen und Ausgaben der kurfürstlichen Kammer eingerichtet und ihr die Verwaltung mehrerer Regalien – auch des Salzwesens – überlassen. Heynitz’ das Salzwesen betreffende Vorschläge wurden kurzerhand bei Seite gelegt, und als er anfragte, ob er das Salzwesen behalte oder nicht, beschied ihn der Minister v. Ende, daß er es zwar weiter verwalten solle, doch nur auf ein Jahr, und daß er alle Anträge an die Generalhauptcasse zur Prüfung einzugeben habe. Dies ging H. wider seine Ehre. Am 8. August 1774 beschwerte er sich – vielleicht in allzu großer Empfindlichkeit – beim Kurfürsten über diese Anordnung. Sie stimme nicht mit dem ihm gewordenen Auftrage überein. Er sei überhaupt durch Widersprüche und andere Vorfälle ganz muthlos geworden und bitte daher um die Erlaubniß, dem Kurfürsten seine sämmtlichen Chargen zu Füßen zu legen. Dem Minister gegenüber führte er außerdem noch aus, daß auch beim Bergwesen mehrere seiner Pläne unbeachtet geblieben seien. Zwar erklärte er sich am 24. August bereit, das Bergwesen auch ferner zu leiten, falls ihm der Kurfürst Vertrauen schenke. Doch empfing er am 4. October 1774 den Abschied unter Beibehaltung des Geheimrathtitels. Wie tief ihn aber die ihm zugefügten Kränkungen schmerzten, beweisen die bittern Worte, die sein Tagebuch über die ihm in seinem Vaterlande gewordene Behandlung bringt.

H. zog sich bald darnach auf seine Besitzung Dröschkau zurück und beschäftigte sich mit volkswirthschaftlichen Fragen. Eine Frucht dieser Studien ist seine Schrift: „Essai d’économie politique“, deutsch unter dem Titel: „Tabellen über die Staatswissenschaft eines europäischen Staates der vierten Größe nebst Betrachtungen über dieselben“. Im October 1775 sehen wir H. in Paris. Eine große internationale Capitalistengesellschaft begehrte seinen Rath für ihre in Spanien gelegenen Bergwerke. Er ertheilte ihn, und die Gesellschaft übertrug ihm darauf die Leitung ihrer Bergwerke. Infolge dessen währte sein Aufenthalt in Paris – nur durch eine Reise nach England unterbrochen – 11/2 Jahr. Auch der Leiter des französischen Bergwesens erbat sich sein Urtheil über die Bergwerke in der Dauphiné, und der sächsische Gesandte in Paris Graf v. Loß konnte seinem Hofe in den schmeichelhaftesten Ausdrücken von dem Ansehn berichten, dessen sich H. in der französischen Hauptstadt erfreute. H. trat mit vielen bedeutenden Männern in einen regen geistigen Verkehr. Die handelspolitischen Anschauungen, die in Frankreich zur Geltung kamen, haben ohne Zweifel ihren Einfluß auf ihn ausgeübt. Er studirte das französische Finanzwesen und veröffentlichte darüber 1779 den Aufsatz: „Gedanken über den vermuthlichen Plan des Herrn Necker zur Verwaltung der königl. französischen Staatsgelder“. Unterdessen starb der Leiter des preußischen Bergwesens Waitz v. Eschen. Friedrich II., der H. wahrscheinlich durch Waitz und Massow, die ihm beide von der braunschweigischen Zeit her befreundet waren, und aus den halleschen Verhandlungen kannte, der ihm auf seiner Reise nach Paris eine Audienz gewährt und ihm schon damals den Eintritt in preußische Dienste nahe gelegt hatte, ließ ihm am 16. November 1776 den verwaisten Posten anbieten. Am 9. September 1777 [497] übernahm H., durch Krankheit am früheren Antritt gehindert, mit dem Rang und dem Titel eines Staatsministers die Geschäfte des preußischen Berg- und Hüttendepartements.

Um den preußischen Bergbau, der damals noch völlig darniederlag, zu beleben, schlug H. dieselben Wege wie in Sachsen ein. Rein bureaumäßiger Thätigkeit und bloßem Formenwesen abhold, nahm er trotz aller Hindernisse, die ihm sein Alter, die Beschaffenheit der Wege und die ausgedehnte Lage des preußischen Staates bereiteten, regelmäßige und umfangreiche Inspectionsreisen vor, bildete sich auf Grund eigener Anschauung ein Urtheil und setzte mit genialem Blick, praktischer Hand und unbeirrter Thatkraft den Hebel zur Besserung an. Nachdem er alle Provinzen besichtigt hatte, legte er Friedrich II. am 29. December 1781 einen Generalplan zur Gründung neuer und Verbesserung alter Berg- und Hüttenetablissements vor. Sobald der König das nöthige Geld nach einigem Zögern bewilligt hatte, ging es an ein fröhliches Schaffen, wobei ihm der König voll Vertrauen freien Spielraum ließ. Am 14. Juni 1785 überreichte er seinem Herrscher über den Stand und die Ziele des preußischen Bergwesens eine umfangreiche Denkschrift mit dem Titel: „Mémoire sur un plan à suivre par le département des mines de Sa Majesté le Roi de Prusse pour tous les objets, qui ont rapport au règne minéral des différentes provinces“. Friedrich II. drückte ihm seine völlige Zufriedenheit aus und bestimmte, daß die Denkschrift für immer beim Bergwerksdepartement aufbewahrt werde, Friedrich Wilhelm II. nahm zwar eine von H. verfaßte Denkschrift: „Mémoire sur les produits du règne minéral de la monarchie prusienne et sur les moyens de cultiver cette branche de l’économie politique“ (erschien auch deutsch unter dem Titel: „Abhandlung über die Produkte des Mineralreichs in den Kgl. Preuß. Staaten und über die Mittel, diesen Zweig des Staatshaushaltes immer mehr emporzubringen“ Berlin 1786) wohlwollend entgegen, hatte aber später an seinem Minister häufig etwas auszusetzen. Wahrscheinlich ist dies auf den Einfluß des Ministers v. Wöllner zurückzuführen, den zu seinen „Verfolgern“ rechnet. Allerdings mußte Wöllner einräumen, daß H. „das Bergwerksfach meisterlich verstehe“. Allein H. war nicht nur Bergmann, noch weniger Finanzmann, sondern vor allem Nationalökonom. Die Nationalindustrie wollte er in erster Linie emporbringen, nicht die Staatseinnahmen um jeden Preis vermehren. Da nun Wöllner vornehmlich Geld für den König flüssig machen wollte, H. dagegen von seinen Plänen nicht abging, wohl auch je und dann eigenmächtig verfuhr, ließ es Wöllner in seinen Berichten an Friedrich Wilhelm II. nicht an spitzen Bemerkungen über H. fehlen, dem „das sächsische Finanzsystem im Blute stecke“, der „eigensinnig“ sei, bei dessen „à la Heynitz eingerichteten“ Voranschlägen „alles drauf gehe und kein Ueberschuß bleibe“. Anders Friedrich Wilhelm III. Rückhaltlos erkannte er mehrmals Heynitz’ Verdienste und die volkswirthschaftliche Bedeutung des Bergbaus an. Heynitz’ Reformen verfolgten im allgemeinen ein dreifaches Ziel. Den Beamtenstand suchte er dadurch zu heben, daß er für Unterricht sorgte, aus dem Ausland tüchtige Leute heranzog und geeignete Persönlichkeiten zu Studienzwecken ins Ausland, namentlich nach England sandte. Die Production bemühte er sich zu verbilligern und zu vergrößern. Dies erreichte er einerseits dadurch, daß er anstatt Holz Steinkohle, Braunkohle und Torf als Brennmaterial verwenden ließ, andererseits dadurch, daß er die eben erst erfundene Dampfmaschine einführte. Der spätere Bergrath Bückling[WS 3] mußte in England als ein gewöhnlicher Arbeiter heimlich den Fabrikanten den Bau der Dampfmaschine ablauschen und [498] dann in Preußen Dampfmaschinen bauen. Am 23. August 1783 wurde auf dem König-Friedrich-Schacht bei Hettstädt die erste aus deutschem Material von deutschen Arbeitern verfertigte Dampfmaschine aufgestellt, der dann bald andere folgten. Endlich strebte er danach, den Absatz zu befördern: Straßen wurden angelegt, Ströme regulirt, die Producte in der Qualität verbessert und in der Form nach ausländischen Mustern verschönert, die heimische Industrie, z. B. durch Verbot des schwedischen Eisens, geschützt. Der Erfolg blieb nicht aus. Am 24. März 1800 konnte H. Friedrich Wilhelm III. berichten, daß sich der Werth der Bergproducte während der verflossenen zwanzig Jahre von 2 060 869 Thalern auf 4 139 885 Thaler vermehrt habe. Allein in Schlesien habe sich in dieser Zeit die Eisenfabrikation verdoppelt, die Steinkohlenförderung versechsfacht. 16 894 Arbeiter würden beschäftigt, also gegen 44 000 Menschen ernährt. Als ein besonderes Glück preist er es, daß die Wälder unter der Erde, die Braunkohlen, in dem Augenblick gefunden worden wären, wo die Wälder über der Erde zu versagen anfingen. Gilt somit H. als der „Vater des preußischen Bergbaus“, den er nach Stein’s Ausdruck „aus dem Nichts“ erhob, so hat er, der Sachse, für Preußen noch dadurch eine besondere Bedeutung, daß sein Ministerium der Sammelplatz und die Bildungsstätte für mehrere Männer gewesen ist, die später in Preußen eine hervorragende Rolle gespielt haben. Dahin gehören v. Reden, v. Stein, v. Hardenberg, A. v. Humboldt. Reden, der Bruderssohn seiner ersten Gemahlin, war in Schlesien seine rechte Hand und wurde sein Nachfolger im Ministerium. Er nennt H. seinen „zweiten Vater und wahren Freund“. Mit Stein’s Familie war Heynitz’ zweite Gemahlin eng befreundet. H. leitete seine Ausbildung, wie Stein rühmt, mit „Liebe, Ernst und Weisheit“ und unterstellte ihm bald das gesammte westfälische Bergwesen.

Vom 27. Februar bis 20. October 1782 und vom 7. Januar 1783 bis 10. Februar 1784 war H. das Accise- und Fabrikenwesen, das sogenannte 4. und 5. Departement übertragen. Hierbei gerieth er mit Friedrich II. in Conflict. Obwohl er ebenso wie sein Herrscher einem gemäßigten Merkantilismus huldigte, hegte er doch freiere handelspolitische Anschauungen und war daher mit manchen Maßnahmen des Königs nicht einverstanden. Außerdem war er ein entschiedener Gegner der von Friedrich II. eingeführten französischen Regie, die ihm zu kostspielig war, und besaß den Muth und die Gewissenhaftigkeit, seine Ueberzeugung sogar diesem großen Monarchen gegenüber zu vertreten. Die Folge war, daß ihn der König mehrmals scharf zurechtwies und ihn schließlich von diesem Amte entband. H. verfaßte darauf unter dem 9. Juni 1784 eine Rechtfertigungsschrift: „Mémoire sur ma gestion du IV et V département“, die er dem damaligen Prinzen, nachmaligen Könige Friedrich Wilhelm II. überreichte. 1788 ließ er sie drucken, doch nicht veröffentlichen. Später – vermuthlich 1798 – übergab er sie durch handschriftliche Bemerkungen ergänzt Friedrich Wilhelm III. Die Schrift bildet ein interessantes Actenstück für die Anschauungen Friedrich’s II., für den selbständigen Sinn seines Ministers und für die damaligen Handelsverhältnisse Preußens.

Am 2. October 1786 wurde H. mit dem Salzdepartement betraut. Hier lag viel im Argen. H. ordnete das Cassenwesen, verminderte die Productionskosten und erhöhte die Erträge durch bessere maschinelle Einrichtungen. Zugleich änderte er den Versand und den Verkauf des Salzes und erzielte durch dies alles nicht nur für den Staat vermehrte Einnahmen, sondern auch für das Publicum besseres und billigeres Salz. Da trotzdem in einzelnen Gegenden der Salzpreis gestiegen war, setzte Friedrich Wilhelm II. am 22. November [499] 1788 eine Commission ein, die Heynitz’ Verwaltung prüfen sollte. Die Untersuchung rechtfertigte ihn glänzend. Da aber H. einmal eine ersparte Ausgabe ohne königliche Erlaubniß zu einem anderen Zwecke verwendet hatte, erhielt er vom Könige am 13. December 1788 für seine Eigenmächtigkeit eine scharfe Rüge. 1791 tauchte der Plan auf, den Salzbedarf nicht durch eigene Herstellung im Lande, sondern durch Ankauf im Auslande zu decken und dadurch dem Staate eine neue Einnahmequelle zu erschließen. H. erklärte sich aus volkswirthschaftlichen Gründen entschieden dagegen. Schließlich wurde aber sein Einspruch verworfen und ihm am 20. Januar 1796 das Salzwesen genommen.

Von den anderen Verwaltungszweigen, die H. außer den genannten unterstellt waren, sei neben der Kunstakademie die Porzellanmanufactur genannt, die er durch eigene Informationsreisen nach Dresden und Meißen zu fördern trachtete. Insbesondere war es aber von Bedeutung, daß er am 5. December 1786 zum Provinzialminister von Westfalen ernannt wurde. Denn damit begann für die westlichen Provinzen, die Friedrich II. wenig beachtet und gleichsam als Ausland behandelt hatte und die bei ihrer Abgelegenheit nur lose mit dem preußischen Staate zusammenhingen, eine neue Epoche. H. wandte ihnen seine unermüdliche Fürsorge zu und setzte hier, wo er freiere Hand hatte, manches durch, was er anderswo nicht erreichen konnte. Die Verwaltung wurde vereinfacht, die Provinz mit einem Straßennetz durchzogen, die Frondienste abgeschafft, die Landzölle aufgehoben. Bei allen diesen Reformen stand ihm sein Schüler und Schützling, der Freiherr vom Stein zur Seite, der auf seinen Vorschlag Oberpräsident von Westfalen ward. Die Kriegsbeschwerden, unter denen diese Landestheile infolge der französischen Feldzüge sehr zu leiden hatten, war er nach Kräften zu lindern bemüht, und es gelang ihm, die Herzen der Westfalen sich und dem preußischen Staate dauernd zu gewinnen.

Von der Ueberzeugung durchdrungen, daß in der Verwaltung Uebelstände herrschten, an denen der Staat zu Grunde gehen müsse, wenn sie nicht bei Zeiten beseitigt würden, setzte Friedrich Wilhelm III. am 19. Februar 1798 eine Immediatcommission ein, die über Reformen in der innern Staatsverwaltung berathen sollte. H. war Mitglied derselben und hatte sie bei Verhinderung des Ministers Hoym zu leiten. Bereits am 10. Juli 1798 unterbreitete er dem Könige eine umfangreiche, durch mehrere Tabellen bereicherte Denkschrift. Sorgfältig erörtert er darin alle in Frage kommenden Punkte und tritt warm für eine Reihe von Reformen ein. Er befürwortet z. B. Aufstellung einer Staats- und Handelsbilanz, Verbindung des technischen Theils des Salzwesens mit dem Bergwesen, Zusammenlegung der provinziellen Zollbehörden mit den andern Provinzbehörden, Verbesserung der Ströme und der Straßen, Aufhebung der Frondienste, der Landzölle, des Mahlzwanges, des Vorspannwesens, Auftheilung der Gemeinheiten, Sorge für die Bauern – alles Maßnahmen, die theils er selbst für Westfalen, theils sein Schüler Stein später für das ganze Land durchgeführt hat.

Am 12. April 1753 heirathete H. seine Cousine Eleonore Magdalene Juliane v. Reden, jüngste Tochter des Landdrosten v. Reden in Hannover. Nachdem sie am 17. Februar 1769 ihren Kindern im Tode nachgefolgt war, vermählte er sich am 26. Juni 1770 mit Juliane Friederike verwittweten v. Adelsheim geb. v. Wrede in Nassau. Diese Ehe war kinderlos. H. war von inniger Religiosität beseelt. Seine Tagebücher, die Beichtbekenntnisse, die er vor jedem Abendmahlgenuß schriftlich aufzusetzen pflegte, die Bibelübersetzung, die er zu seiner Erbauung anfertigte, sind dafür ergreifende Beweise. [500] Der frühe Tod seiner ersten Gattin, eine schwere Krankheit und die Demüthigungen am sächsischsen Hofe vertieften und läuterten sein inneres Leben; er selbst betrachtete diese Zeit als den Wendepunkt seines Geisteslebens. Er gehörte zu den Stillen im Lande und neigte zur Brüdergemeine. Sein wissenschaftlicher Sinn und seine vielseitige Bildung fanden ehrende Anerkennung. Sein Haus wird als eine Stätte edler Geselligkeit gerühmt. In jüngeren Jahren kränklich, erfreute er sich bis in sein hohes Alter großer körperlicher und geistiger Rüstigkeit. Er verschied am 15. Mai 1802 in Berlin schnell infolge einer Halsentzündung und wurde am 22. Mai in der Familiengruft in der Kirche von Belgern beigesetzt.

H. kann nicht besser charakterisirt werden, als mit den ehrenden Worten, die der Freiherr vom Stein in seiner Autobiographie seinem Lehrer widmet: „Heynitz war einer der vortrefflichsten Männer seines Zeitalters. Tiefer religiöser Sinn, ernstes nachhaltendes Streben, sein Inneres zu veredeln, Entfernung von aller Selbstsucht, Empfänglichkeit für alles Edle, Schöne, unerschöpfliches Wohlwollen und Milde, fortdauerndes Bemühen, verdienstvolle tüchtige Männer anzustellen, ihren Verdiensten zu huldigen und junge Leute auszubilden – waren die Hauptzüge dieses trefflichen Charakters und brachten die segensreichsten Früchte in dem seiner Verwaltung anvertrauten Geschäftskreise.“

Blätter zur Kunde des Preußischen Staates und seiner Verfassung. Berlin 1803, S. 161. – H. Fechner, Geschichte des schlesischen Bergwesens (Zeitschrift f. Bergwesen, 1900). – O. Hintze, Seidenindustrie. – Acta Borussica II. III. – C. A. L. Klaproth, Der Königl. Preußische Geheime Staatsrath. Berlin 1805, S. 465. – R. Koser, König Friedrich d. Gr. Stuttgart 1903. Bd. II, S. 401. – M. Lehmann, Freiherr vom Stein. Leipzig 1902. Bd. I, S. 31. – E. Reimann, Abhandlung zur Geschichte Friedrichs d. Gr. Gotha 1892, S. 124. – Reuß, Geschichte des Oberbergamtes Dortmund (Zeitschr. f. Bergwesen, 1892). – F. Schröter, Friedrich II. und die Maschinen (Monatsschr. f. deutsche Beamte, 1884). – Derselbe, F. A. v. Heinitz (Monatsschr. f. deutsche Beamte, 1892). – Derselbe, Friedrich II. und die Kupfergewinnung (Monatsschr. f. deutsche Beamte, 1900). – W. Schultze, Angriff des Ministers v. Heinitz gegen die französ. Regie (Forschgn. z. Brandenb. u. Preuß. Gesch. V). – A. Schwemann, Frhr. v. Heinitz als Chef des Salzdepartements (Forschgn. z. Brandenb. u. Preuß. Gesch. VII). – O. Steinecke, Zur Charakteristik des Ministers v. Heynitz (Kirchl. Monatsschr. XVII, 1898). – Derselbe, F. A. v. Heynitz (Allgem. conservative Monatsschr. XI, 1898). – Derselbe, Fr. A. v. Heynitz (Forschungen z. Brandenb. u. Preuß. Gesch. XV). – Derselbe, Des Ministers v. Heynitz mémoire sur ma gestion du 4e et 5e département (ebd. XXII, S. 183). – Derselbe, Die Lebenserinnerungen des Ministers v. Heynitz aus seiner braunschweigischen Dienstzeit (Braunschweig. Magazin 1903). – O. Täglichsbeck, Heinitz oder Heynitz? (Monatsschr. f. dtsch. Beamte, 1900).

[493] *) Zu Bd. L, S. 321.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Jacob Sigismund Freiherr Waitz von Eschen (1698–1776); war ein hessischer und preußischer Minister aus dem Haus Waitz von Eschen.
  2. Valentin von Massow (1712–1775); war ein königlich preußischer wirklicher geheimer Staatsminister und Vizepräsident des General-Oberfinanz-Direktoriums, Erbherr auf Rohr, Rummelsburg, Groß Carzenburg, Waldow, Schweßin, Friedrichshuld etc
  3. Carl Friedrich Bückling (1756–1812); war ein deutscher Erfinder. Er konstruierte die erste Dampfmaschine wattscher Bauart im Königreich Preußen.