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Artikel „Heyer, Karl“ von Richard Heß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 364–368, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heyer,_Carl&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 05:10 Uhr UTC)
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Band 12 (1880), S. 364–368 (Quelle).
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Heyer: Karl Gustav H., geb. am 9. April 1797 auf dem Bessunger Forsthaus bei Darmstadt, † am 24. August 1856 in Gießen, einer der ausgezeichnetsten Forstwirthe, die jemals gelebt haben, sowol wissenschaftlich nach allen Richtungen hin durchgebildet, wie praktisch erfahren. Er war das fünfte [365] Kind des Forstmeisters Wilhelm H. (s. u.) und von seinem Vater ursprünglich zur Theologie bestimmt worden. Die ihm als Sohn eines Forstmannes gleichsam angeborene Liebe zum Wald und zu den Naturwissenschaften lenkte ihn aber (1812) nach mehrjährigem Besuch des Gymnasiums dem Forstfache zu. Auf der „Meisterschule“ seines Vaters empfing er den ersten Unterricht im Forst- und Jagdwesen. Im Sommer 1814 bestand er die vorschriftsmäßige Prüfung bei dem Oberforstcollegium in Darmstadt mit gutem Erfolg und beabsichtigte, seine wissenschaftlichen Studien auf der Universität Gießen und Forstakademie Tharand fortzusetzen. Da ward er ganz plötzlich durch den Tod seines Vaters (3. November 1815) der hierzu erforderlichen Mittel beraubt. Die Huld des Großh. Ludwig I. ermöglichte indessen doch sein ursprüngliches Vorhaben. Mit einem Stipendium von 400 fl. ausgestattet, besuchte er gegen Ende des Jahres vom Herbst 1815 bis dahin 1816 die Universität Gießen, an welcher damals Professor Walther forstcameralistische Vorträge hielt, den er auch bei Bestimmung der Gewächse in dem unter Walther’s Obhut stehenden botanischen Garten der Universität unterstützte. Nachdem er den folgenden Winter im elterlichen Hause zugebracht hatte, begab er sich 1817 noch auf kurze Zeit nach Tharand, um den berühmten Heinrich Cotta zu hören. Schon im Juli dess. Js. kehrte er aber wieder zurück und gründete – auf Zuspruch einiger Mitglieder des Oberforstcollegiums zu Darmstadt – daselbst ein Forstinstitut. Am 25. September 1817 wurde dasselbe eröffnet. Der Unterricht bestand theils in Vorlesungen, theils in praktischen Uebungen in den nahe gelegenen Waldungen, mußte aber schon im Frühjahr 1818 wieder aufgegeben werden, weil H. die Verwaltung des Reviers Babenhausen provisorisch übernehmen mußte. 1819 siedelte er, nachdem diese Stelle wieder besetzt war, nach Seligenstadt über, um von da aus das Revier Zellhausen zu verwalten; noch im December dess. Js. aber ward er zum Revierförster des Reviers Lauter mit dem Wohnsitz in Grünberg ernannt.

Als um 1820 das Gerücht ging, in Gießen werde eine Forstlehranstalt errichtet und mit der Universität in Verbindung gesetzt werden, bewarb sich H. um die venia legendi. Walther sträubte sich aber, obschon er seinem Zuhörer seiner Zeit ein glänzendes Zeugniß mit nach Tharand gegeben hatte, energisch gegen diese Gründung, mit den Phrasen: „ein technisches Fach gehöre nicht auf die Universität; die universitas dürfe sich nicht zur specialitas zersplittern; man möge der Universität nicht die Demüthigung zufügen, ihr einen reitenden Förster aufzubürden!“ (s. Heß, Die forstliche Unterrichtsfrage, 43. Heft des III. Jahrgangs der Deutschen Zeit- und Streitfragen, S. 11 f.). Unwillkürlich fühlt man sich einer solchen Aeußerung gegenüber zu fragen versucht, ob nicht gerade Specialisirung, strengste Arbeitstheilung erst recht Aufgabe und Prinzip der Universität sei? Nach Walther’s Tod (30. März 1824) kam die Gründung einer besonderen Forstlehranstalt in Gießen dennoch zu Stande (24. März 1825). Hundeshagen wurde zum Director und ersten Lehrer, H. zum zweiten Lehrer der Forstwissenschaft, vorzugsweise für die praktischen Fächer, ernannt. Gleichzeitig wurde ihm die Oberförsterei Gießen übertragen, welche insofern ein sehr geeignetes Demonstrationsobject war, als sie ein großes Arbeitsfeld, zumal für Kulturen, eröffnete. Es waren nämlich ausgedehnte, mit alten Eichen dürftig bestockte Blößen, welche nur als Hutweide benutzt wurden, vorhanden. H. machte dem Stadtvorstand den Vorschlag, ihm diese Blößen zur Aufforstung zu überlassen. Sein Plan fand zwar die stadträthliche Zustimmung, aber die Bürgerschaft, welche ihre Weiden im Walde nicht gern verlieren wollte, suchte der Ausführung manche Schwierigkeiten in den Weg zu legen. Heyer’s Energie wußte jedoch die Aufforstung dieser Blößen durchzusetzen. Er bediente sich hierzu des von ihm erfundenen Hohlbohrers, eines für das Setzen kleiner Ballenpflanzen [366] und für steinfreie, etwas bindige Böden höchst geeigneten, die Arbeit fördernden Instrumentes (beschrieben in Karl Heyer’s Waldbau) und wählte als Holzart die Kiefer. Der große Reichthum des Gießener Stadtwaldes an jetzt (1878) etwa 50jährigen Kiefernbeständen stammt aus jener Zeit, und schon bei mancher Gelegenheit ist dankbar des Begründers derselben gedacht worden. Durch Decret vom 28. December 1829 wurde H., unter Beibehaltung seiner Lehrerstelle, zum Forstinspector des Forstes Gießen befördert. Kurze Zeit hierauf (im April 1831) schied er aber, in Folge von allerlei Zwistigkeiten, welche schon seit längerer Zeit zwischen Hundeshagen und ihm ausgebrochen waren und leider auch in der Presse Ausdruck gefunden haben, aus beiden Stellungen aus, um unter sehr vortheilhaften Bedingungen als Forstmeister in die Dienste des Grafen von Erbach-Fürstenau (im Odenwald) mit dem Wohnsitz in Michelstadt einzutreten. Hier entwickelte H. nach allen Richtungen hin eine großartige organisatorische und reformatorische Thätigkeit. Der Graf bezeugte ihm, als H. dessen Dienste im J. 1835 wieder aufgab, „daß er seine Dienstleistung jederzeit als die ausgezeichnetste in rationeller und technischer Hinsicht betrachtet habe, und daß er sich durch solche das schönste Denkmal seiner Wirksamkeit für das gräfliche Haus begründet habe, weshalb er sich ihm zu besonderem Danke verpflichtet fühle“. Das Ausscheiden Heyer’s aus diesem ihm so lieb gewordenen Wirkungskreis hing mit seiner Berufung als ordentlicher Professor der Forstwissenschaft an die Universität Gießen zusammen. Inzwischen war nämlich – durch Decret vom 14. Juni 1831 – die Forstlehranstalt in Gießen als besondere Anstalt aufgehoben und der forstliche Unterricht dem Universitätsunterricht vollständig einverleibt worden; ferner war Hundeshagen am 10. Februar 1834 gestorben. Es lag sehr nahe, an dessen Stelle den Mann zu berufen, der bereits früher an demselben Platze so erfolgreich gewirkt und sich dann in so hervorragender Weise auch als Praktiker bewährt hatte. Gleichzeitig übernahm er auch wieder als „Forstmeister“ die Inspection Gießen. Als zweiter Lehrer der Forstwissenschaft wurde Dr. Karl Zimmer, zugleich Revierförster in Gießen, angestellt. Die Theilung des forstlichen Unterrichts zwischen H. und Zimmer war derjenigen ähnlich, welche früher zwischen Hundeshagen und H. bestanden hatte. H. übernahm hauptsächlich die theoretischen Vorträge, Zimmer hingegen die praktischen Uebungen. Heyer’s ausgezeichnete Lehrbegabung lebt noch in dem Munde Aller, denen das Glück zu Theil geworden ist, zu seinen Füßen zu sitzen. Sein ausgezeichnet scharfer Verstand, seine gediegene wissenschaftliche Grundlage, seine reiche, in den verschiedensten Dienstkreisen erworbene praktische Erfahrung befähigten ihn im hohen Maße zum Docenten. Sein Vortrag war nicht nur, wie alle seine Schriften, scharf logisch gegliedert, vom Einfachen zum Zusammengesetzten ausschreitend, also streng pädagogisch, auch die Diction war fesselnd. Die zum Vortrag gelangende Materie stützte sich nicht nur auf ausgedehnte Litteraturstudien, sondern größtentheils auf eigene Erfahrung und war auf das sorgfältigste vorbereitet. Auch die naturwissenschaftliche, namentlich botanische Grundlage, welche er besaß, kam ihm dabei sehr zu Statten. H. kannte die Flora Oberhessens durch und durch, schrieb auch hierüber. Kein Wunder, wenn unter so gediegener Leitung, die Frequenzziffer an Studiosen rei salt. wesentlich stieg (bis 53 als Maximum im Sommersemester 1847), wobei übrigens wol auch andere äußere Verhältnisse mitgewirkt haben mögen.

H. widmete sich nun auch der Schriftstellerei. Schon 1826 hatte er eine kleine Schrift: „Die Vortheile und das Verfahren beim Baumroden“ herausgegeben. 1841 folgte „Die Waldertragsregelung“ (in 2. Aufl. 1862 vom Sohne Dr. Gustav H. herausgegeben). Von der Idee des Normalwaldes ausgehend, construirt er sein Lehrgebäude, charakterisirt schon im vorbereitenden Theil [367] die Prinzipien nach welchen – je nach Art und Maß der Abweichung der concreten Wälder vom Normalzustand – letzterer erstrebt werden müsse und läßt dann im angewandten Theil die Schilderung der verschiedenen Verfahren selbst, natürlich auch die seines eigenen (getrennt nach Vor- und Hauptarbeiten) folgen. Diese Systemisirung war durchaus originell und neu und – für ein Lehrbuch – gewiß äußerst glücklich. Die meisten bis dahin über diese forstwissenschaftliche Disciplin erschienenen Bücher (ebenso viele spätere) fangen gleich mit der Beschreibung der einzelnen Waldertragsregelungs-Arbeiten an, begünstigen die Technik (sogar einzelner Forsthaushalte) überwiegend und zwar auf Kosten der leitenden Grundgedanken, waren und sind daher für das erste Studium weniger geeignet. Bei H. liegt aber der Schwerpunkt im vorbereitenden Theil. Wer diesen ordentlich erfaßt und gründlich studirt hat, kann wol von sich sagen, daß er die Theorie der Waldertragsregelung verstehe. Wenn dieses wahrhaft classische Werk in den ersten Jahren seines Bestehens weniger Anklang in der forstlichen Welt gefunden hat, als es verdiente, so lag dieses großentheils mit am mangelnden Verständniß desselben. Ein Docent kann sich eine bessere Grundlage, als dieses Buch, kaum wünschen.

Die enorme Arbeitslast, welche sich H. in Folge der Art und Weise, wie er seine Stellung auffaßte und seine vielseitigen Verpflichtungen erfüllte, aufgebürdet hatte, verschaffte ihm bald die Ueberzeugung, daß es ein fruchtloses Beginnen sei, den Anforderungen zweier Aemter gerecht zu werden, von welchen ein jedes den ganzen Mann in Anspruch nahm. Er fühlte, daß der Lehrer frei sein müsse von abziehenden Verwaltungszwecken, bat daher um seine Entlassung von den Dienstfunctionen eines Forstinspectors. Ueberdies machte ihm ein beginnendes Lungenleiden diesen Schritt zur Pflicht, sich selbst und seiner Familie gegenüber. Seine Wünsche wurden erfüllt. Anfang 1843 erhielt er seine Entlassung aus dem praktischen Forstdienst, und von nun ab konnte er sich ganz dem Lehrfach und der Wissenschaft hingeben. Die nächste Frucht seines Geistes war die im Auftrag der Versammlung süddeutscher Forstwirthe zu Darmstadt (1845) verfaßte „Anleitung zu forststatischen Untersuchungen“ (1846), das erste Werk dieser Art. Schon längst war der verdiente Verfasser von der Nothwendigkeit, auch im Forstwesen von der bloßen Beobachtung bez. Erfahrung, wie sie sich gerade bot, zum geplanten Experiment überzugehen, überzeugt. Die Wege hierzu anzugeben, die Methoden der Untersuchung je nach Gegenständen und Zwecken zu schildern, ist Aufgabe obiger Schrift. Daß und wie sie gelöst worden, hat die Kritik längst rühmend anerkannt. In den nun folgenden „Hauptmethoden zur Waldertragsregelung“ (1848) wird eine nochmalige gründliche und ausführliche prinzipielle Würdigung der einzelnen Ertragsregelungsmethoden vorgenommen. Das letzte Werk endlich ist: „Der Waldbau oder die Forstproductenzucht“, erstes und einziges Heft einer beabsichtigten „Encyklopädie der Forstwissenschaft“ (1854; in 2. Aufl. 1864 und in 3. Aufl. 1878 vom Sohne Dr. Gustav H. herausgegeben). Auch diese vortreffliche Schrift beruht auf durchaus origineller und ganz dem Bedürfniß des Anfängers angepaßter Grundlage. Während nämlich alle anderen Bücher über Waldbau mit der schwierigeren „Holzzucht“ oder gar den einzelnen Betriebsarten selbst beginnen und den einfacheren „Holzanbau“ (i. e. die künstliche Bestandesbegründung) folgen lassen, beginnt H. umgekehrt mit dem Holzanbau, lehrt dann die (natürliche) Holzzucht, geht weiter zur Bestandes- und Bodenpflege über und schließt mit den Betriebsarten, weil diese die Kenntniß der Begründung und Erziehung voraussetzen. Einfacher, logischer, pädagogisch richtiger kann man nicht verfahren! – Die von ihm bearbeitete, äußerst gründliche „Phanerogamenflora der großherzogl. Provinz Oberhessen und insbesondere der Umgebung von Gießen“ wurde erst [368] nach seinem Tode von Dr. J. Roßmann herausgegeben. Sie findet sich auch abgedruckt in den Berichten der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde (s. 8. Ber. 1860; 9. Ber. 1862 und 10. Ber. 1863). Außer den genannten Werken veröffentlichte H. noch zwei Hefte „Beiträge zur Forstwissenschaft“ (1842 u. 1847), welche scharfsinnige Untersuchungen über einige Waldertragsregelungsmethoden, Antikritiken (gegen Jäger und von Wedekind), eine treffliche Abhandlung über gemischte Holzbestände etc. enthalten. Nach v. Wedekind’s Tod (22. Januar 1856) übernahm er, gemeinschaftlich mit seinem Sohne, die Redaction der Allgemeinen Forst- und Jagdzeitung, aber leider nur für wenige Monate, da auch ihn der Tod noch in demselben Jahre dahinraffte.

Heyer’s Charakter war gerade und offen, sein Temperament zwar rasch, aber sein Urtheil bedächtig, sein Wesen durch und durch einfach. Der Verstand überwog bei ihm die Phantasie bei weitem. Seine für wahr und zweckmäßig erkannten Ziele verfolgte er mit unbeugsamer Energie. Seiner glücklichen Ehe mit Johannette Jöckel aus Grünberg entsprangen acht Kinder, vier Söhne und vier Töchter. Der forstlichen Welt als Lehrer und Schriftsteller (vorzugsweise im Gebiete der Waldwerthrechnung und Forststatik) auf das rühmlichste bekannt ist sein bereits erwähnter Sohn Dr. Gustav H. (geb. am 11. März 1826 zu Gießen), welcher mit ausgezeichnetem Erfolg zuerst als Professor der Forstwissenschaft an der Universität Gießen, dann als Director der königl. preußischen Forstakademie zu Münden gewirkt hat und seit Herbst 1878 einem höchst ehrenvollen Rufe an die Universität München gefolgt ist.

Allgem. Forst- und Jagdztg., 1856, Einleitung zum Septemberheft. – Scriba, Biograph.-litterär. Lexikon, I. S. 140 u. 492; das., II. S. 321. – Monatschr. für das württemb. Forstwesen, VII. S. 344 (Todesanzeige). – Fraas, Geschichte der Landbau- und Forstwiss. 1865, S. 603. – v. Löffelholz-Colberg, Chrest., II. S. 179, Nr. 368a; das., IV. S. 149, Nr. 2693a u. S. 359. – v. Schwarzer, Biogr., S. 15. – Ratzeburg, Forstwissenschaftl. Schriftstellerlexikon, S. 240. – Bernhardt, Gesch., III. S. 152, 184–194, 275, 287, 303, 353, 382 u. 399. – Heß, Ueber die Organis. des forstl. Unterrichts an der Universität Gießen, 1877. – Acten der Univ. Gießen.