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Artikel „Hergt, Karl“ von Theodor Kirchhoff (Arzt) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 231–232, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hergt,_Karl&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 18:21 Uhr UTC)
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Hergt: Karl H., geboren am 2. November 1807 in Tauberbischofsheim, ursprünglich Apotheker, verwandte diese genaue Kenntniß der Arzneikunde [232] später mit Vorliebe und großem didaktischem Erfolg in seinem ärztlichen Beruf, in welchem das Bestreben, zu heilen und zu lindern, seine größte Lebensfreude blieb. Nach vollendetem Studium besuchte er Wien, Paris, Montpellier, Marseille, Mailand, Pavia, Bologna, Florenz, Rom und Neapel, überall Hospitäler und Kliniken frequentirend. Zwei Jahre konnte er sich diesem Zwecke widmen, überall mit offenem Auge für Kunst und Natur, um so werthvoller für ihn, da er später nie wieder Zeit und Gelegenheit fand, den Ort seiner Wirksamkeit anders als zum Zwecke der Begleitung leidender Angehörigen für kurze Zeit in die Schweiz zu verlassen. 54 Jahre der Berufsthätigkeit, anfangs einige Jahre mit seinem Freunde Roller in Heidelberg, hielten ihn dann dauernd in Illenau. Unter ihnen wurde Illenau in Bau, Administration und innerem Leben rasch ein bewundertes Vorbild. Roller’s Genie des kräftigsten Willens einte sich Hergt’s Genie des reichen Herzens; die modernen Anschauungen, daß die Irrenanstalt ein Krankenhaus sein müsse unter ärztlicher Leitung, wurden in Illenau langsam eingeführt; H. war buchstäblich Tag und Nacht in den Abtheilungen thätig, was ihm als Unverheiratheten Erholung und Arbeit zugleich war. Alle Einzelheiten der Pflege und Behandlung leitete und überwachte er selbst. Sein kindlich-naives Naturell befähigte ihn, sich mit gebildeten und einfachen Leuten zurechtzufinden und ihre Interessen zu theilen. Der Typus des patriarchalischen Verhältnisses zwischen dem Anstaltsleiter und seinen Kranken sowie Untergebenen bildete sich in H. aus, wie er in jener Zeit bald auch in anderen Anstalten zu finden war. Das Erziehen war seine große Kunst, die er auch nach der Entlassung aus der Anstalt noch manchen Kranken brieflich und bei Besuchen wieder zuwandte; er blieb ihr väterlicher Freund und geistiger Führer durchs Leben, oft im stillen sie auch materiell unterstützend. Beharrliche Geduld, nie zu verzagen in der Behandlung, belohnte ihn oft mit schließlichen vollen Erfolgen. Sein Optimismus war gepaart mit scharfer Beobachtungsgabe und mit großer Erfahrung in allen Behandlungsmethoden, wobei seine großen Kenntnisse in der Botanik und Arzneimittellehre ihn sehr unterstützten. Die vielen Besucher Illenaus überraschte er auch noch in seinen späteren Lebensjahren durch die jugendliche Begeisterung in und für seinen Beruf; übertriebene Tagesmeinungen bekämpfte er wol in aufflammender Lebhaftigkeit, im Grunde aber hatte er immer ein offenes Auge für jeden Fortschritt und freute sich herzlich über uns jungen Aerzte, die Illenau zahlreich besuchten. Zu schriftstellerischer Thätigkeit blieb ihm nur wenig Zeit; die neuere „Illenauer Schule“ aber, welche durch Gudden, Krafft-Ebing, Schüle und Kirn ihre bekanntesten Vertreter fand, trägt mehr oder minder den Stempel seiner Einwirkung. Nach dem Tode seines Freundes Roller übernahm er die Direction, welche er noch 11 Jahre, bis zu seinem Tode am 23. December 1889 behielt.

Schüle’s Nekrolog in Allgem. Zeitschrift für Psychiatrie und psych.-gerichtl. Medicin, Bd. 47 (1891), S. 199–209. – Literaturverzeichniß in Laehr’s Gedenktagen der Psychiatrie, 1893, S. 334.