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Artikel „Hellriegel, Hermann“ von Carl Leisewitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 169–171, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hellriegel,_Hermann&oldid=- (Version vom 9. Dezember 2024, 10:41 Uhr UTC)
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Hellriegel: Dr. Hermann H., Professor und Dirigent der landwirthschaftlichen Versuchsstation zu Bernburg, † daselbst am 24. September 1895. Er war am 21. October 1831 zu Mausitz bei Pegau im Königreich Sachsen geboren, erhielt eine gediegene Schulbildung auf der Fürstenschule zu Grimma und ging demnächst zur Akademie in Tharandt, um sich dort [170] naturwissenschaftlichen Studien zu widmen. Da er sehr bald eine gewisse Vorliebe für Chemie empfand und sich mit besonderem Interesse auf deren Gebieten zu orientiren suchte, so konnte ihm schon 1852 durch den Professor Adolf Stöckhardt, den Hauptvertreter der Agriculturchemie in Tharandt, die Function eines Assistenten übertragen werden. In dieser Stellung erhielt er nicht nur vortreffliche Schulung für die mannichfaltigen Aufgaben jener neuen Richtung der angewandten Chemie, sondern auch vielfache Anregung zu selbständiger Thätigkeit auf dem bezüglichen Untersuchungsgebiete. Durch unausgesetzte Bemühungen hatte er bald solche Erfolge in seinen Leistungen aufzuweisen, daß er schon nach wenigen Jahren hinreichend qualificirt erschien, um 1856 als Vorstand an die neugegründete landwirthschaftliche Versuchsstation zu Dahme in der Niederlausitz berufen werden zu können. Dort fand er Veranlassung, sich vorzugsweise mit Aufgaben der Forschung auf dem Gebiete der Pflanzenphysiologie zu befassen, um dabei weitere Aufklärungen über den Bedarf der verschiedenen Culturpflanzen an Nährstoffen zu erzielen. Zu diesem Behufe brachte er die Methode der Sandcultur in Anwendung und lenkte damit in dieselbe Richtung, welcher sich auch andere Forscher jener Zeit, wie Knop, Nobbe und Emil Wolff bedienten. Es gelang ihm bald, seinem erfolgreichen Wirken Beachtung und Anerkennung in weiteren Kreisen zu verschaffen und damit auch dem von ihm geleiteten Institute einen wissenschaftlichen Ruf zu erwerben.

Zum Zeichen ihrer Hochschätzung verlieh ihm 1860 die kgl. preuß. Staatsregierung den Charakter als Professor; einen weiteren Beweis des ehrenvollen Vertrauens brachte ihm außerdem das Ministerium von Anhalt-Bernburg dar, indem es ihn um dieselbe Zeit als Organ für die Pflege der landwirthschaftlichen Interessen des Herzogthums zu gewinnen suchte. Nach längeren Unterhandlungen führte dies Anerbieten zu seiner Berufung nach Bernburg, welcher er jedoch erst 1873 Folge geben konnte. Zunächst als Beirath für die Regierung in Anspruch genommen und mit der Function eines landwirthschaftlichen Wanderlehrers betraut, war er genöthigt, einstweilen die Forscherthätigkeit auszusetzen und sich im Bereiche der Landwirthschaft so lange mit der Lehrthätigkeit zu befassen, bis ihm schon nach wenigen Jahren die Aufgabe zufiel, eine Mitwirkung bei der projectirten Errichtung einer Landes-Versuchs-Station für das Herzogthum Bernburg zu übernehmen und sich auf die Leitung derselben vorzubereiten. Zwar verging noch eine Reihe von Jahren bis endlich im Herbst 1882 der Zeitpunkt zur Eröffnung der Anstalt gekommen war und ihm die Leitung derselben übertragen werden konnte, aber damit sah er sich auch veranlaßt, sofort die Forscherthätigkeit wieder aufzunehmen und zuvörderst geeignete Versuche zur Bekämpfung der Rübenmüdigkeit des Bodens anzustellen. Da er diese Aufgabe in der Richtung der Pflanzenernährung verfolgte, so wurde es ihm möglich, die schon früher an der Station in Dahme eingeleiteten Forschungen nun weiter zu verfolgen. So kam er dazu, Vegetationsversuche mit verschiedenen Pflanzen hinsichtlich des Bedarfs an Stickstoff anzustellen und die für diesen Nährstoff in Betracht kommenden Quellen zu erproben. Dabei gelangte er zu der Entdeckung der bedeutungsvollen Thatsache, daß die Pflanzen aus der Familie der Papilionaceen, insbesondere die Leguminosen, unter Mitwirkung gewisser Bakterien im Boden, welche in Symbiose mit diesen Pflanzen den indifferenten Stickstoff der Bodenluft in die gebundene Form überzuführen vermögen, geeignet sind, den auf diese Weise gebundenen Stickstoff aufzunehmen bezw. nutzbar zu machen und somit der Bodencultur eine bis dahin für unzugänglich erachtete Quelle der Stickstoffzufuhr zu erschließen. Nach wiederholter Constatirung dieses [171] physiologischen Processes konnte H. auf der 1886 in Berlin abgehaltenen Naturforscherversammlung seine überaus wichtige Entdeckung kundgeben und damit auch das Werk seiner Forschung in jener Richtung gekrönt sehen. Nachdem er also die Frage hinsichtlich der Stickstoffquellen gewissermaßen zum Abschluß gebracht hatte, nahm er auch anderweitige Fragen gleicher Tendenz auf und erzielte mit Anwendung der Methode der Sandcultur weitere beachtenswerthe Erfolge.

Durch große Gewissenhaftigkeit und Uebung strenger Selbstkritik wahrte er sich die Sicherheit im Vorgehen bei seinen Forschungen und errang zugleich damit die Unanfechtbarkeit für deren Resultate. Seine erfolgreiche und verdienstvolle Wirksamkeit trug ihm aber auch viele Auszeichnungen ein, so wurde er zum Ehrenmitgliede der schwedischen Akademie der Wissenschaften, der Royal Society zu London, der Pariser Académie des sciences, der französischen Société nationale d’agriculture ernannt und war mit der großen goldenen Medaille der Liebig-Stiftung durch die Akademie der Wissenschaften in München beliehen worden. Solche Ehrungen trugen jedoch nur dazu bei, seine Arbeitskraft zu stärken und seinen Eifer in der Förderung wissenschaftlicher Aufgaben zu beleben, ohne der ihm eigenen Bescheidenheit und seiner cordialen Gesinnungsweise Abbruch zu thun. Ihm wurden daher sowol dankbare Verehrung aus der Mitte seiner Schüler, als auch neidlose Hochschätzung aus dem Kreise der Berufsgenossen dargebracht, und bei ihnen Allen konnte die Kunde von seinem frühzeitigen Tode nur das schmerzliche Gefühl über den Verlust eines gefeierten Mitarbeiters erwecken.

Vgl. Landw. Presse, Jahrg. 1895, Nr. 90: „Prof. Dr. Herm. Hellriegel“ von Dr. Wilfarth.