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Artikel „Heinrich von Rugge“ von Konrad Burdach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 605–606, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_von_Rugge&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 01:49 Uhr UTC)
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Rugge: Heinrich v. R., Minnesänger. Man darf ihn wol in jenem Heinricus miles de Rugge erkennen, der eine zwischen 1175–1178 ausgestellte Urkunde des Abtes Eberhard von Blaubeuren bezeugt, und dessen Stammburg das jetzt verfallene Bergschloß Ruck im württembergischen Aachthal war. Wir besitzen von ihm einen religiösen Leich, der zum Kreuzzug auffordert und offenbar entstanden ist, bald nachdem die Nachricht vom Tode Friedrich Barbarossa’s in [606] Deutschland bekannt geworden war, d. h. frühestens November 1190. Dieser Leich ist durchweg rein gereimt. Man darf daher diejenigen Lieder Rugge’s, welche noch unreine Reime enthalten, für älter erklären. – R. stand in hohem Ansehn bei seinen jüngeren Kunstgenossen: ihn preisen Heinrich vom Türlein, der Marner, Reinmar von Brennenberg; unter den berühmtesten Leichdichtern führt ihn an der von Gliers. – Die Ueberlieferung hat Lieder Rugge’s mit denen Reinmar’s des Alten vermischt, und trotz vielfacher Bemühungen ist eine völlig sichere Vertheilung des beiderseitigen Eigenthums bisher nicht geglückt. Wird dadurch die Charakteristik des Dichters erschwert, so läßt sich doch als Grundzug seiner poetischen Art eine Neigung auf das Schlichte und Klare, aufs Volksthümliche, auf Lehrhaftigkeit erkennen. Seine Syntax zeigt die einfachste Bewegung: Parataxe, Mangel an copulativen und adversativen Partikeln, knappe Schlußsätze, Asyndeten geben seinem Stil fast etwas Abgerissenes. Er liebt sinnliche und drastische Wendungen, die streng höfische Dichter vermeiden, Hyperbeln, Sentenzen zum Theil biblischen Ursprungs, Vergleiche und Bilder, sprichwörtlichen und formelhaften Ausdruck, Allitteration. Sein Leich, der durch die Gedanken der Kreuzpredigt beeinflußt ist, ohne daß bisher directe Muster nachgewiesen wären, zeichnet sich durch Gedrungenheit und Wucht aus, aber er wendet sich mehr an die Vernunft als an das Gefühl, er sucht mehr zu überzeugen, als zu entflammen. R. versetzt sich hier lebhaft in die Lage des Redners, des Predigers und sucht die Hörer durch nachdrückliche Anreden heranzuziehen. Seine Minnelyrik bewahrt noch vielfach die alte volksmäßige Tradition: einige seiner Gedichte sind einstrophig; er gebraucht den typischen Natureingang. Er hat ein Frauenlied im alten Stil und mehrere Dialoge gedichtet. In den meisten seiner Lieder kommt eine heitere Stimmung, eine frische Lebensfreude, eine helle Auffassung der Dinge zu Worte. Von allen Dichtern hat Heinrich von Veldeke am meisten auf ihn gewirkt: ihm ist er verwandt durch eine ähnliche Mischung von Natürlichkeit und Nüchternheit; mit ihm theilt er den Anschluß an die volksthümliche Tradition, die Verwendung des Natureingangs und typischer Formeln; gleich ihm geht er aber dabei doch die Bahn der höfischen Minnepoesie. Wie Veldeke hat er spruchartige Strophen lehrhaften Inhalts gedichtet, wie Veldeke liebt er Wortspiele, Annominatio, Responsion, inneren Reim.

v. d. Hagen, Minnesinger I, 220 ff.; III, 468a ff. 611 f.; IV, 158 f. – Des Minnesangs Frühling (hrsg. von Lachmann und Haupt) Nr. XIII. – Bartsch, Deutsche Liederdichter, Nr. X. – E. Schmidt, Reinmar von Hagenau und Heinrich von Rugge, Straßburg 1874. – Paul, Beiträge II, 487 ff. – Wilmanns, Anzeiger für deutsches Alterthum und deutsche Litteratur I, 149 ff. – Burdach, Reinmar der Alte und Walther von der Vogelweide. Leipzig 1880, S. 43, 56, 78, 81, 84, 93, 190 ff., 198, 224. – R. Becker, Der altheimische Minnesang. Halle 1883, S. 13 ff. (vgl. Burdach, Anzeiger X, 19 ff.). – Wolfram, Zeitschrift für deutsches Alterthum 30, 89 ff. – Grimme, Germania 32, 368.