ADB:Heinrich I. (Bischof von Würzburg)

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Artikel „Heinrich I., Bischof von Würzburg“ von Franz Xaver von Wegele in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 629–632, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heinrich_I._(Bischof_von_W%C3%BCrzburg)&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 07:58 Uhr UTC)
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Heinrich I. (auch Hezelin) Bischof von Würzburg (995–1018). Im Verlaufe des Sommers 995 war das Bisthum Würzburg durch den Tod Bischof Bernwards erledigt worden: derselbe war auf der Heimkehr von Constantinopel, wohin Kaiser Otto III. ihn als Gesandten geschickt hatte, in Achaja gestorben. Nun war es zunächst die Absicht des Kaisers, ihm in der Person seines Kanzlers Heribert, des Sohnes des Grafen Hugo von Worms, einen Nachfolger zu geben. Dieser lehnte aber ab und empfahl dafür mit Erfolg seinen Halbbruder von Mutterseite, Heinrich, der einer glaubwürdigen Ueberlieferung zufolge, dem hochangesehenen ostfränkischen Geschlechte der Grafen von Rothenburg a. d. Tauber entstammte. Mit diesem bestieg einer der bedeutendsten und wirkungsreichsten würzburgischen Bischöfe des früheren Mittelalters den Stuhl des heiligen Burkard. Jedoch liegt seine Bedeutung weniger in seiner geistlichen Thätigkeit, als in seiner Haltung als Reichsfürst und in seiner Wirksamkeit für die kirchenpolitische und territoriale Stellung seines Hochstiftes. Es sei in diesem Zusammenhange gleich hier bemerkt, daß wir bei der Darstellung dieser seiner Erfolge von den weitgreifenden Zeugnißen zweifelhafter Echtheit vollständig Abstand nehmen. An Kaiser Otto III. hat sich H. im Bunde mit seinem Halbbruder, der im J. 999 auf den Kölner Erzstuhl erhoben wurde, aufs engste angeschlossen und dessen Politik aufs nachdrücklichste und unwandelbar unterstützt, auch dann noch als sie in Deutschland und bei dem hohen Clerus selbst auf Widerspruch stieß. Freilich hat der Kaiser diese Anhänglichkeit durch eine Reihe von höchst werthvollen Verleihungen und Gunstbezeigungen erwiedert, welche für die spätere Ausbildung der landesherrlichen Gewalt der Bischöfe von Würzburg maßgebend geworden sind: ich erwähne ausdrücklich die feierliche Bestätigung der schon früher dem Hochstift verliehenen Immunität (um 996), fernerhin die Schenkung zweier echter ostfränkischer Grafschaften (im Rangau und Waldsassengau), ein Akt königlicher Huld der in jener Zeit kaum seines Gleichen hatte (im J. 1000), und der aus den Tagen Karls d. Gr. her berühmten kaiserlichen Pfalz Salzburg mit Neustadt und dem ganzen Salzgau. Zweimal ist H. im Dienste und Auftrag des Kaisers über die Alpen gestiegen. Das erstemal treffen wir ihn zur Zeit des Weihnachtsfestes des Jahres 1000 mit anderen deutschen Fürsten und Bischöfen bei dem Kaiser in Rom und noch im Februar des folgenden Jahres wohnt er ebendaselbst unter dem Vorsitze des Papstes Sylvester II. und des Kaisers einer Synode bei, in welcher der bekannte Gandersheimer Streit im Beisein des anwesenden Bischofs Bernward von Hildesheim verhandelt wurde. Und nicht lange war er in die Heimath zurückgekehrt, so rief ihn der Kaiser, dessen Stellung in Italien wie in Deutschland immer schwieriger geworden war, wie die übrigen deutschen Fürsten und Bischöfe schon wieder zu sich; H. und sein Bruder Heribert folgte auch dem Rufe, aber sie hatten kaum die Grenze von Toskana überschritten, so traf sie die Kunde von dem Tode Ottos, der am 23. Januar 1002 in Rom erfolgt war. Die Thronbesteigung Kaiser Heinrich II. bringt einen noch höheren Gehalt in das Leben und Wirken des Bischofs. Auch ihm schließt er sich, abweichend von der Haltung seines Bruders, des Erzbischofs von Köln, von Anfang an aufs hingebendste an. Noch vor der allgemeinen Wahl Heinrichs hat er ihm als König und Herrn gehuldigt und für seine allgemeine Anerkennung nach Kräften zu [630] wirken versucht. So begegnen wir ihm schon in den ersten Jahren des neuen Königs auf dessen verschiedenen Hoftagen und sehen ihn sich der Gunst des neuen Herrn erfreuen. Gleich unter den ersten Urkunden Heinrichs finden sich zwei für die Würzburger Kirche mit Bestätigungen alter Rechte und mit neuen Verleihungen. Bei der Niederwerfung des Aufstandes des Markgrafen Heinrich von Nordgau steht der Bischof wieder entschlossen auf Seite des Königs, er erhält zugleich mit dem Abte Erkebald von Fulda von ihm den Auftrag, die Burg Schweinfurt – den Hauptsitz des aufständischen Fürsten – in Brand zu stecken und zu zerstören. Als aber die alte Mutter des Markgrafen sich in die Kirche der Veste flüchtete und schwur, in diesem Falle sich unter dem Trümmern derselben begraben lassen zu wollen, bewahrten bekanntlich der Bischof und der Abt Selbständigkeit genug, den gemessenen Auftrag des Königs unausgeführt zu lassen und sich mit der Brechung der Befestigungswerke und der Einlegung der Wohnstätten der Burg zu begnügen. Diesen innigen Beziehungen zwischen dem König und H. blieb aber eine schwere Probe nicht erspart, welche mit der Gründung des Bisthums Bamberg zusammenhängt. Sollte dieser höchst fruchtbare und durch den Erfolg mehr als gerechtfertigte Lieblingsgedanke des Königs ausgeführt werden, so mußte zu diesem Zwecke ein Theil des bisherigen Würzburger Sprengels, in welchem Bamberg selbst lag, abgetreten werden. Anfänglich schien diesem Wunsche des Königs um so weniger ein Hinderniß entgegentreten zu sollen, als man von Würzburgischer Seite jenem bez. östlichsten und unwirthlichsten Bezirke des Bisthums geringe Sorgfalt zugewendet hatte. Auf einer Synode zu Mainz im Mai 1007 trat der König mit seinem Plane hervor. Bischof H. von Würzburg war anwesend und mit ihm eröffnete nun der König die geheimen Verhandlungen, die rasch zu einem Ergebniße führen zu wollen schienen. Heinrich überließ der Würzburger Kirche als Entschädigung für die zugemuthete Abtretung 150 Hufen in der Meinunger Mark und stellte ihm zugleich die Erhebung seines Bisthums zu einem Erzbisthum, dem Bamberg untergeordnet werden sollte, in Aussicht. Der Bischof H. verzichtete auf Grund dieser Zugeständnisse endlich auf die beanspruchten Parochien und gab zum Unterpfand dessen seinen Stab in die Hände des Königs. Darauf gestützt, erklärte sich die Synode für den vorgelegten Plan und empfahl ihn der Genehmigung des Papstes, Bischof H. schloß sich diesem Schritte der Synode sogar durch ein Schreiben an Papst Johann XVIII. an. Die päpstliche Einwilligung erfolgte auch, aber von der Erhebung Würzburgs zum Erzbisthum war keine Rede. Es war kein Zweifel gestattet, der König hatte H. mit jener Hoffnung getäuscht. Von diesem Augenblicke an änderte dieser aber, entschlossen wie er von Haus aus war, seine Haltung. Nicht ungestraft sollte der König sein Vertrauen mißbraucht haben. Auf der Frankfurter Synode des November 1007, in welcher der König seinem Gründungswerke die officielle Vollendung geben wollte, blieb er aus und schickte bloß seinen Capellan, der dem Auftrage seines Herrn gemäß, von der zahlreich besuchten Versammlung gegen das Vorhaben des Königs, als einer Verletzung der Privilegien des Stiftes Würzburg, feierliche, aber vergebliche Verwahrung einlegte. Das Bisthum Bamberg trat darauf hin sofort ins Leben. Der Bischof von Würzburg verharrte jedoch gleichwohl auf seiner Einsprache, grollend wußte er sich vor dem Könige und vor seinen Freunden, die in dessen Namen ihm von der Fortsetzung seines Widerstandes abreden sollten, unsichtbar und unzugänglich zu machen. Berühmt ist das inhaltreiche und beredte Schreiben, das Heinrichs Freund, der Bischof Arnulf von Halberstadt in diesem Sinne an ihn gerichtet hat, auch sein Bruder, der Erzbischof von Köln, vereinigte seine Ermahnungen mit jenen Ueberredungsversuchen. Diese wohlgemeinten Anstrengungen verbunden mit dem Wunsch des Königs und der Eindruck des [631] Beschlusses der ged. Frankfurter Synode brachen in der That zuletzt seinen Widerstand und er gab endlich nach. Im Mai 1008 erschien König Heinrich persönlich in Würzburg und brachte den ersehnten Ausgleich zu Stande. Der Bischof willigte mit Zustimmung des Clerus, der Kriegsmannen und des gesammten Volkes seiner Kirche in die ihm angesonnene Abtretung eines Theiles seines Sprengels endgiltig ein. Dafür wiederholte der König an demselben Tage (7. Mai) die urkundliche Ueberlassung der bereits früher als Schadloshaltung der Würzburgischen Kirche verliehenen Güter und vermehrte sie zugleich mit einer neuen Schenkung. Eine erhalten gebliebene Zuschrift des Patriarchen Johannes von Aquileja, der der Frankfurter Synode des J. 1007 nicht beigewohnt hatte, gibt der ohne Zweifel allgemeinen Genugthuung über diese endliche Beilegung des Zwistes zwischen den Könige und dem Bischof deutlichen Ausdruck. Es ist uns nun keineswegs wahrscheinlich, daß, wie in neuester Zeit behauptet worden ist, in der Seele Heinrichs trotz der feierlichen Aussöhnung mit dem König ein Stachel zurückgeblieben sei. Treffen wir ihn doch von jetzt an wieder wie früher häufig in der Umgebung des Königs, der ihn mit wiederholten und zum Theil recht reichen Begabungen – wie z. B. dem k. Hof Gerau mit dem sogen. Comitat Bessungen im Rheingau und dem Wildbann im weithingestreckten Gramschatzer in der Nähe von Würzburg – bedenkt und im Jahre 1012 ein neues Immunitätsprivileg für sein Hochstift ertheilt; als dann der König im Spätjahr 1013 den zweiten Römerzug antritt, um sich die Kaiserkrone zu holen, befindet sich H. ebenfalls in seiner Umgebung und als im J. 1017 ein neuer Krieg gegen Polen droht, begleitet er mit anderen Bischöfen den Kaiser bis Magdeburg (Juli). Aber gerade seit dieser Zeit gewinnt es, überraschend genug – laut dem Inhalt eines in neuerer Zeit geschehenen Fundes – den Anschein, daß H., in Folge des Einflusses seines Bruders Heribert, der selten in völlig ungetrübten Beziehungen zu dem Könige gestanden, eine Schwenkung auf die Seite der Opposition gemacht und sich in Verbindungen mit den Gegnern desselben in Italien eingelassen hat. Jener Fund betrifft ein Schreiben des gut kaiserlich gesinnten Bischofs Leo von Vercelli, mit dem H. von früherher selbst in freundschaftlichen Verhältnissen gestanden hatte, an den Kaiser. Wir erfahren aus demselben, daß die beiden Brüder Heribert und H. beabsichtigten, ihre Nichte mit einem entschiedenen Gegner der deutschen Herrschaft in Italien zu vermählen. Näheres über diese Vorgänge wissen wir nicht, die geplante Vermählung aber ist, so viel bekannt nicht ausgeführt worden. Bischof H. selbst tritt seitdem, d. h. seit dem Novbr. 1017 in den Hintergrund; am 14. Novbr. 1018 ist er gestorben, nachdem er 23 Jahre hindurch seinem Sprengel vorgestanden. Für die ihm anvertraute Kirche ist er, wie schon angedeutet, durch die umsichtige und mannhafte Vertretung ihrer Sache von nachwirkender Bedeutung geworden und als gut königlich gesinnter Reichsbischof steht er zugleich fast bis zum Schlusse seines Lebens mit in der vordersten Reihe. Für seine Metropole Würzburg selbst hat er sich im besonderen durch die Gründung dreier Collegiatstifter, die er zum guten Theile mit seinen Erbgütern ausstattete, verdient gemacht; nämlich Stift Neumünster, St. Stephan und Haug (= in monte); in der Stiftskirche des letzteren hat er, ohne Zweifel laut seiner Anordnung, die letzte Ruhestätte gefunden.

L. Fries, Geschichte der Bischöfe von Würzburg. – Ussermann, Episcopatus Wirceburgensis et Babenbergensis. W. v. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit, Bd. 1 u. 2 (Kaiser Otto III und Heinrich II.). – Jahrbücher des deutschen Reiches unter der Herrschaft König und Kaiser Otto’s III. von Roger Wilmans, Berlin 1840. – Jahrbücher des deutschen [632] Reichs unter Heinrich II. von Siegfried Hirsch (Hermann Papst und Harry Breßlau). 3 Bde. Berlin, 1862–1875. – Forschungen zur deutschen Geschichte, Bd. VIII. (387–392).