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Artikel „Heimburg, Gregor“ von Adolf Bachmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 327–330, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heimburg,_Gregor&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 03:52 Uhr UTC)
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Heimburg: Gregor H., geboren um den Beginn des 15. Jahrhunderts aus weit verzweigtem Patriciergeschlechte zu Schweinfurt in Franken, gehörte auch in Erziehung und Bildung fränkischem Boden an; im heimathlichen Würzburg erwarb er sich offenbar jene tiefen juristischen Kenntnisse, die ihn später auszeichneten, doch bleibt unbekannt, in wie weit schon damals Lust und Gelegenheit zu humanistischem Wissen sich fand. Als Anwalt war H. zuerst 1428 im Streite um das Burggrafenthum Meißen thätig. Entsprach auch Kaiser Sigmunds Spruch nicht dem für die sächsischen Fürsten günstigen Gutachten Gregors, [328] so finden wir ihn trotzdem noch 1438 in dieser Sache rathend. Inzwischen (1430) war H. Doctor beider Rechte geworden und längst eingetreten in die große Reformbewegung, welche die christliche Welt erregte und die Basler Väter (seit 1431) beschäftigte. Aus eigenem Antriebe, um zu sehen, zu hören, mitzuhelfen, war H. an den Concilsitz gekommen; sein Eifer und Talent verschafften ihm die Stelle eines Secretärs bei dem hochangesehenen Enea Silvio de’ Piccolomini und diese innige Verbindung mit dem damals noch im Reformeifer erglühenden, geistvollen, feingebildeten Sanesen, der Kreis bedeutender Männer, der sich an Enea Silvio anschloß, wurden hochbedeutsam für den jungen Rechtsgelehrten. Sein für alles Schöne und Edle offener Sinn fand sich mächtig angeregt und seine reiche Begabung ließ ihn in Philosophie, in Geschichte, in humanistischem Wissen überhaupt schöne Kenntnisse erwerben. Reiche Erfahrung gesellte sich bald dazu. 1433 (spätestens 1435) wurde H. vom Nürnberger Rathe als Syndicus und Rechtsconsulent angestellt; nun übte und mehrte er Scharfsinn, Kenntnisse und Beredsamkeit in den zahlreichen Rechtsgeschäften der großen Reichsstadt, im freundschaftlichen Verkehre und in Gegnerschaft mit den Juristen und Staatsmännern nicht blos von Nürnberg allein. Bald spielte er seine Rolle in der großen Frage, wie sich die deutsche Nation im Streite Eugen IV. mit den Baslern verhalten sollte. H., auch sonst von Fürsten für wichtige Geschäfte von den Nürnbergern ausgebeten, „geliehen“, trat als Vertreter von Sachsen und Brandenburg zunächst für Neutralität ein; er las am 17. März 1438 in Frankfurt die Neutralitätserklärung der sechs Kurfürsten vor, ging mit Johann Lysura nach Ferrara, um mit Eugen IV., dann (für Sachsen) nach Basel, mit dem Concil zu verhandeln und nahm, überzeugt, daß es nur des entschiedenen Vorangehens der Fürsten bedürfe, eifrigen Antheil an der Mainzer Acceptation (26. November 1439), die dem deutschen Volke die Ergebnisse der Reform sichern sollte. Daneben bleibt H. in Nürnberger Diensten und auch sonst (Würzburger Stiftsfehde) thätig. Die Fürstenpolitik, statt consequent voranzugehen, beschäftigt sich bald mit den Bedingungen für die Anerkennung Eugen IV.; nach fruchtlosen Verhandlungen und Tagen, 1441, 1442, geht H. (für Sachsen, Trier und Brandenburg?) nach Italien, um – schwerlich über die Endabsichten der Fürsten im Klaren – einen Ausgleich zu erlangen, den die weitsehende Curie ablehnt. Sie erstrebt in kluger Berechnung bei König Friedrich die Umwandlung der Neutralität in Obedienz; H. aber, der bald die Sachlage erkennt und für die Reform erbangt, warnt laut in der „Admonitio de injustis usurpationibus Paparum Romanorum ad imperatorem, reges et principes Christianos“ vor den Ränken Roms. Umsonst. H., nebenbei in der Henneberger Streitsache für die Söhne Graf Wilhelms III. (1444) und in Trier’schen Diensten (1445) thätig, vermag als Mitglied der deutschen Fürstengesandtschaft in Rom (Sommer 1446) den Pact zwischen Papst und Kaiser durch seine zornige Beredsamkeit nicht mehr zu zerstören, sein leidenschaftlicher Gesandtschaftsbericht auf dem Frankfurter Reichstage (September 1446) hindert nicht die Sprengung des Kurfürstenbundes durch Enea Silvio, die Umarbeitung der Obedienzbedingungen, die Obedienzleistung selbst (Febr. 1447). Nachdem ein letzter Versuch Triers, für das Heimburg handelt, im Bunde mit Sachsen, Köln und Pfalz (?) und vereint mit Frankreich die Reform zu retten, gescheitert ist, besiegelt das Wiener Concordat ihre Vereitlung. Fern von der großen Politik, deren unreife Anläufe (Versuche einer römischen Königswahl) bis 1459 kaum über die diplomatische Vorbereitung hinaus gedeihen, widmet H. nun seine Kraft der Reichsstadt Nürnberg, vor allem in dem Streite mit Markgraf Albrecht, den er 1450 auf dem Tage zu Bamberg, 1452 zu Wien mit scharfsinniger Beredtsamkeit bekämpft, ohne freilich den Einfluß des Markgrafen zu überwinden und von dem unentschlossenen Kaiser [329] einen für Nürnberg unbedingt günstigen Spruch erlangen zu können. 1453 vertritt H. die Nürnberger bei dem Pfalzgrafen, verhandelt 1454 (16.–24. März zu Mainz) für König Ladislaw von Böhmen mit den burgundischen Räthen über Luxemburg (wahrscheinlich auch 25. März und 4. Mai 1455 in Wien, October 1455 in Speier), und führt zu Regensburg 1454 in dem Streite um die Grenzschlösser zwischen Böhmen und Sachsen so siegreich die Sache des Böhmenkönigs, daß sich die sächsischen Herzoge in Nürnberg bitter beschweren. In wie weit H. dem Könige auch sonst in seinen böhmischen, österreichischen und ungarischen Angelegenheiten diente, ferner wann er sein Dienstverhältniß zu Nürnberg löste, lassen die Quellen nicht deutlich erkennen. Aber sicher ist, daß er 1458 dem Erzherzoge Albrecht in Oesterreich diente und für diesen an Herzog Sigmunds von Tirol Seite auf dem Mantuaner Congresse erschien, dadurch und als Vertreter von Baiern-Landshut und Kurmainz sicherlich der angesehenste deutsche Fürstenbote. H., anfänglich der Kreuzzugsidee zugethan, kränkte dann durch Verdächtigung der Endabsichten der Curie den diesmal redlich strebenden Pius II. (Enea Silvio) persönlich und mußte zugleich durch Betreibung der Sache Diethers von Mainz demselben mißfallen. So trat er ein in die harte Fehde, die zwischen Herzog Sigmund von Tirol und dem Cardinal Nicolaus von Brixen (Cusa), bald auch mit der Curie zunächst wegen des Stiftes Sonnenberg entbrannt war. Von ihm rührt noch nicht des Herzogs Appellation gegen die päpstlichen Censuren, die H., nachdem seine Reise nach Rom gescheitert, in Italien persönlich kundmacht (Herbst 1460); aber auf Pius II. Schreiben an die Nürnberger (18. October 1460), H. als Ketzer seines Gutes zu berauben, antwortete dieser (Januar 1461) mit der denkwürdigen „Confutatio Primatus Papae“, worauf seine förmliche Bannung und die Replik des Bischofs von Feltri, Th. Laelius, folgte, dem H. mit rücksichtsloser Heftigkeit antwortet. Auch Herzog Sigmund appellirte gegen die neuen Breven des Papstes in einer scharfen Schrift (ca. 16. März 1461), ungewiß ob aus Heimburg’s Feder, der damals für Kurfürst Diether von Mainz in Bamberg (13. December 1460), Eger (Januar bis Februar 1461), Nürnberg (Februar bis März 1461) thätig war und sich deshalb persönlich zu König Karl VII. von Frankreich verfügte. H. vermochte den Mißerfolg auch dieser Opposition gegen Rom durch ein flammendes Manifest gegen die Curie nicht zu verhindern. Um so heftiger bekämpft er sie weiter in der Tiroler Streitsache. Im Feldlager des Erzherzogs Albrecht vor Wien erschien am 13. August 1461 die „Invectiva G. H. utriusque jur. doct. in Nicolaum de Cusa etc., episcopum Brixinensem“, die in maßlosem Tone gehalten auch maßlose Erbitterung erzeugte; so konnte Heimburg’s Theilnahme an den Friedensverhandlungen 1461 zu Landshut, im März und November 1462 zu Venedig dem Ausgleiche nicht förderlich sein, so kam es, daß, als endlich Venedig und der Kaiser den Herzog mit der Kirche versöhnten (absolv. am 2. September 1464 nach gethaner Abbitte), H., der wahrscheinlich letzteres verweigerte, im Banne blieb. Aus seiner Zurückgezogenheit in Würzburg trat H. beim Beginne des Kampfes zwischen Georg Podiebrad und Paul II. trotz der auf ihm lastenden Censuren gelegentlich einer Fürsprache für die Würzburger Benedictiner bei Cardinal Carvajal mit einem merkwürdigen Postscript hervor: er warnt die Curie vor weiterem Vorgehen gegen den König und ertheilt ihr seinen Rath (8. September 1465)! Arbeitete er bereits in Georgs Interesse, indem er den Proceß verzögern wollte? Schon im Juli 1466 ist er unter Vermittlung Sachsens, das seine Dienste gebrauchte, zu dem Könige übergetreten; die Nullitätsklage gegen Georgs Citation in Form eines an Matthias von Ungarn gerichteten Manifestes (28. Juli 1466) bezeichnet seinen Eintritt in den Kampf mit Rom. Von ihm stammen die Appellation vom 10. Februar 1467 (gegen die Bannbulle vom [330] 8. December 1466), die vollwichtige Erwiederung auf des Gab. Rangonis Schmähschrift. – Als der rede- und schriftgewandte Staatsmann steht nun H. dem schlachtgeübten Könige zur Seite. Ist auch seine Hand selten glücklich – die in drei Briefen angestrebte Vermittlung Venedigs bleibt unerreichbar –, so erkennt er doch, daß, so lange Ungarn freundlich ist, seinem Lande keine unmittelbare Gefahr drohe; darum die Briefe an den Erzbischof von Gran (10. Januar, 25. Januar, 19. Februar, 3. Juli 1467, Ostern 1468). Auch sie verfehlten ihren Zweck. Unleugbar geschadet hat Heimburg’s alter Groll gegen den Kaiser. So nothwendig für K. Georg der Friede mit Oesterreich, so ließ H. nicht ab, die Empörer gegen den Kaiser zu unterstützen (Briefe von Ende 1466, 31. Januar und 20. Februar 1467); ihm wird es zum guten Theile zuzuschreiben sein, daß der König in unklugem Zorne seinen Sohn gegen Oesterreich sandte, was die ungarische Intervention herbeiführte. So lange der König lebte, stand auch Heimburg’s Sache aufrecht; für seinen von Würzburg eingezogenen Besitz ward er durch die Schenkung von Chwatieruby (1. Juni 1469) entschädigt; als die Waffen das große Wort sprachen, bildeten Berichte und Gutachten für den Markgrafen Alb. Achilles und litterarische Thätigkeit (das Buch „De militia et republica ad ducem Victorinum“ – König Georgs Sohn –) seine Beschäftigung. Als aber K. Georg gestorben (22. März 1471), der Versuch Herzog Albrecht von Sachsen zum Könige zu erheben mißlungen war, blieb für H. in Böhmen bald keine Stätte mehr. Aber auch in Sachsen traf den Ausgewiesenen der Haß des Clerus. H., der tiefgebeugt bereits am 22. Januar 1471 in einem Schreiben an die Würzburger eine Art von Glaubensbekenntniß abgelegt hatte, bat nun, unterstützt von Herzog Albrecht von Sachsen, Sixtus IV. um Absolution, die er vor seinem Tode erlangte (gest. August 1472 in Tharandt). – H. war nach Enea Silvios Bericht ein schöner Mann von hohem Wuchse, klarem Antlitz, strahlenden Augen, hoher Stirne, die durch das kahle Haupt noch größer erschien. Gerade und bieder, voll rechter Frömmigkeit und echter Treue glänzte er ebenso durch natürliche Begabung wie erworbenes Wissen, durch die Kunst der Rede und den Scharfsinn des Staatsmannes und Juristen. Die Ideen geistiger und kirchlicher Freiheit, die er in den Tagen der Jugend ins Herz geschlossen, hat er sein Leben lang hochgehalten, dafür gekämpft und gelitten bis zum letzten Athemzuge; seit durch Papst und Kaiser das deutsche Volk um die Früchte der Reform gekommen war, war er der unermüdliche, unversöhnliche Gegner Beider. H. hat in seinen Streitschriften wie im persönlichen Umgange sich jähzornigen Ungestüm, derbe Rücksichtslosigkeit, ja Leidenschaftlichkeit zu Schulden kommen lassen; doch diese menschliche Kehrseite seines Wesens tritt weit zurück im Gesammtbilde seines Charakters und Wirkens, die ihn zu einer der bedeutendsten Persönlichkeiten seiner Zeit emporheben.

C. Brockhaus, Gregor von Heimburg, Leipz. 1861. W. Pückert, Die kurfürstliche Neutralität, Leipz. 1858. A. Jäger, Der Streit des Cardinal Nicolaus von Cusa mit dem Herzoge Sigmund von Oesterreich, 2 Bde., Innsbruck 1861. Palacky, Gesch. Böhm., IV. 2.