ADB:Hecker, Karl von
Justus Friedr. Karl H. in Berlin, geboren am 8. Mai 1827 daselbst, studirte in Berlin, Heidelberg, Paris und Wien. 1848 in Berlin mit der Dissertation: „De Chlorosi“ zum Doctor promovirt, schrieb er ferner: „De periostitide phosphorica“, Berol. 1848, und wurde, nachdem er seine Studien in Paris und Wien 1849 und 1850 beendet hatte, 1851 Assistent an der geburtshülflichen Klinik von D. W. H. Busch in Berlin. Hier habilitirte er sich mit der Schrift: „De retroversione uteri gravidi“, 1853. Nach dem Tode von K. Chr. Hueter († 1857) in Marburg i. H. wurde er im J. 1858 als ordentlicher Professor der Geburtshülfe dorthin berufen und trat dieses Amt mit der Aufsehen erregenden Schrift: „Beiträge zur Lehre der Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutterhöhle“ an. Schon ein Jahr später folgte er aber einem Rufe als Gynäkologe an die Universität München, an der er zugleich Director der städtischen Gebäranstalt und der Kreishebammenlehranstalt und bald auch Mitglied des Medicinalcomités der Universität und des kgl. Obermedicinalausschusses wurde. Im Verein mit Siebold, Bischoff, Voit, Ziemssen, Buhl, Pettenkofer entfaltete H. eine sehr glückliche und erfolgreiche Thätigkeit als Lehrer, Arzt, Gelehrter und Schriftsteller, als deren bedeutendste Frucht zweifellos die von ihm und Buhl herausgegebene „Klinik der Geburtskunde“, 1861, zu bezeichnen ist. In dieser legte H. seine Erfahrungen über die Physiologie und Pathologie der Schwangerschaft, Geburt und des Wochenbettes nach Beobachtungen in der Münchener Gebäranstalt in einer Reihe von brillant geschriebenen Essays, die zu vielen weiteren Arbeiten anregten, nieder. Buhl behandelte den pathologisch-anatomischen Theil, speciell das Puerperalfieber der Mütter, die puerperale Infection der Neugeborenen, nebst pathologisch-anatomischen Beobachtungen an Neugeborenen und in einem Anhang die abnormen Verhältnisse einzelner Organe. Der zweite Band, an dem sich Buhl nicht mehr betheiligte, wurde im J. 1864 herausgegeben. Weiter erschienen dann noch von H. 1869: „Ueber die Schädelform bei Gesichtslagen“, 1877 eine kleine Schrift: „Ueber den Gesundheitszustand der Wöchnerinnen in der Kreis- und [96] Lokal-Gebäranstalt München“ (M. b. Finsterlin) und ein größeres Werk 1887: „Beobachtungen und Untersuchungen aus der Gebäranstalt zu München, umfassend den Zeitraum von 1859–1879 mit 4 Tafeln“. Hier berichtet v. H. über 17 220 Geburten in seiner Klinik und über die aus seiner Klinik resp. aus dem Material der Gebäranstalt erwachsenen Arbeiten. Auch dieses Mal waren es ausschließlich geburtshülfliche Themata, die er behandelte, da die Aufnahme kranker Frauen in der genannten Gebäranstalt nicht stattfand und H. sich überhaupt mit Frauenkrankheiten gar nicht beschäftigte. Ebenso ist sein letztes Werk: „Statistisches aus der Gebäranstalt München“ nur eine erweiterte tabellarische Uebersicht über die Fruchtlagen und Geburtsanomalien bis zum 31. Mai 1882. (S. Archiv für Gynaekol. Bd. XX, Heft 1.)
Hecker: Karl von H., einziger Sohn des berühmten medicinischen Geschichtschreibers und EpidemiographenAußerdem schrieb H. eine größere Reihe kleinerer Aufsätze und Jahresberichte, hatte daneben auch viele Obererachten für das Medicinalcomité und den Obermedicinalausschuß (seit 1865) zu machen und vollendete die II. Auflage des von Ernst Buchner verfaßten Lehrbuches der gerichtlichen Medicin. Zugleich war er Mitherausgeber von Friedreich’s Blättern für gerichtliche Medicin, Nürnberg 1866–1882.
H. war wegen seiner vielen trefflichen Eigenschaften allseitig beliebt. Als Lehrer enthusiasmirte sein vorzüglicher Vortrag seine Zuhörer, als großer Musikkenner betheiligte er sich bei verschiedenen Aufführungen, als Schriftsteller wußte er durch seine lichtvollen Darstellungen ungemein zu gewinnen und als Gerichtsarzt vor den Geschworenen eindrucksvoll zu plaidiren. 1874/75 war er Rector.
In den letzten Jahren seines Lebens litt er unter furchtbaren Nervenschmerzen, die auch nach einer von Nußbaum an ihm ausgeführten Nervenresection nicht nachließen. Mit Aufbietung aller Kräfte kämpfte er gegen den ihm wohlbekannten tückischen Feind seiner Familie, der, wie er dem Schreiber dieser Zeilen selbst einmal sagte, noch kein Mitglied derselben älter als 56 Jahre werden ließ, allein vergebens – am 14. December 1882, eben erst aus einer Vorlesung nach Hause zurückgekehrt, erlag er einer Apoplexie. Um ihn trauerten seine Wittwe, eine Tochter des berühmten Juristen Bluntschli, zwei Töchter und zwei Söhne, von denen der ältere Jurist, der jüngere aber – Rudolf – ein sehr beliebter und trefflicher Kinderarzt wurde.