ADB:Hecker, Justus Friedrich Karl

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Hecker, Justus Friedrich Karl“ von August Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 211–213, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hecker,_Justus_Friedrich_Karl&oldid=- (Version vom 3. Oktober 2024, 11:54 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Hecker, Julius
Nächster>>>
Hecker, Karl
Band 11 (1880), S. 211–213 (Quelle).
Justus Friedrich Karl Hecker bei Wikisource
Justus Hecker in der Wikipedia
Justus Hecker in Wikidata
GND-Nummer 116561254
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|11|211|213|Hecker, Justus Friedrich Karl|August Hirsch|ADB:Hecker, Justus Friedrich Karl}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116561254}}    

Hecker: Justus Friedrich Karl H., Arzt, Sohn von August Friedrich H., ist am 5. Januar 1795 in Erfurt geboren, von wo er mit seinem Vater im J. 1805 nach Berlin übersiedelte. – Schon in dem 17. Lebensjahre hatte er das Gymnasium absolvirt und die Universität zu Berlin bezogen, um sich dem Studium der Medicin zu widmen. Im J. 1813 folgte er, von Vaterlandsliebe getrieben, als Freiwilliger den deutschen Fahnen nach Frankreich, setzte dann nach Beendigung des Krieges seine medicinischen Studien in Berlin fort und erlangte im Juli 1817 unter Einreichung seiner Dissertation „Antiquitates hydrocephali“ die Doctorwürde. Im November desselben Jahres habilitirte er sich bei der medicinischen Facultät als Privatdocent, wobei er seine Habilitationsschrift „Sphygmologiae Galenicae specimen“ veröffentlichte; im J. 1822 wurde er zum Prof. extraord., 1827 zum Mitgliede der Oberexaminations-Commission, 1834 zum Prof. ord. für Geschichte der Medicin ernannt, und diese Stelle hat er bis zu seinem am 11. Mai 1850 erfolgten Tode bekleidet. – Schon auf der Schule hatte sich H. mit Vorliebe dem Studium der alten classischen Litteratur zugewendet, in dieser aber nicht nur die grammatikalische, sondern auch die dichterische und künstlerische Seite kennen und schätzen gelernt; so kam er mit philologischer, ästhetischer und historischer Bildung ausgestattet, auf die Universität und so zog ihn dann auch die historische Seite der medicinischen Wissenschaft vorzugsweise an. Einen Beweis, wie erfolgreich er sich schon während seiner Universitätsjahre mit diesem Gegenstande beschäftigt hatte, hat H. mit der Veröffentlichung seiner Inaugural-Dissertation und Habilitationsschrift gegeben, seine Bedeutung als selbständiger und geistreicher Forscher auf dem Gebiete der Geschichte der Medicin aber documentirte er fünf Jahre später (1822) mit der Herausgabe des ersten Bandes seiner „Geschichte der Heilkunde“. Nun folgten in kurzen Zwischenräumen eine Reihe größerer und kleinerer Arbeiten, die ihm alsbald einen ersten Platz unter den medicinischen Gelehrten seiner Zeit sicherten und mit denen er nach einer Seite hin – der historischen Pathologie – bahnbrechend geworden ist: ohne die Leistungen seiner Vorgänger, eines Hensler, Gruber[WS 1], Sprengel, zu unterschätzen, wird man H. doch als den eigentlichen Begründer der „historischen Pathologie“ bezeichnen müssen. – Seine erste bedeutende Arbeit auf diesem Gebiete war „Der schwarze Tod im 14. Jahrhundert“, 1832, und damit im Zusammenhange stehend, „Die Tanzwuth, eine Volkskrankheit im Mittelalter“, 1832 (beide Schriften sind ins Englische, die letzte auch ins Französische und Italienische übersetzt); zwei Jahre später veröffentlichte er „Der englische Schweiß. Ein ärztlicher Beitrag zur Geschichte des 15. und 16. Jahrhunderts“, sodann eine kleine Arbeit, „De peste Antoniniana“, 1835 (wahrscheinlich eine Blatternepidemie), und in einer „Geschichte der neueren Heilkunde“, 1829, in welcher er eine meisterhafte Schilderung der alten Wiener Schule gegeben hat, eine historisch-pathologische Darstellung der Volkskrankheiten [212] in den J. 1770–72, mit einem Rückblicke auf die Geschichte der betreffenden Krankheitsformen in vergangenen Zeiten. Den Schluß dieser Arbeiten bildeten die kleineren Schriften über „Die Kinderfahrten. Eine historisch-pathologische Skizze“, 1845, daran sich schließend „Ueber Sympathieen“, 1846, und endlich „Ueber Visionen“, 1848, eine psychologische Studie zur Geschichte der Jeanne d’Arc. – H. hat in diesen Schriften den von Hensler (vgl. die Biographie desselben) angedeuteten Gedanken einer „historischen Pathologie“ zuerst ausgeführt; er ist der erste gewesen, der seinen Blick über die engen Grenzen dessen, was man bis dahin „Geschichte der Krankheiten“ genannt hatte, erhoben, der aus den bisherigen Untersuchungen, welche sich in dem beschränkten Kreise des pathologischen Geschehens und Werdens bewegten, herausgetreten, der die Beziehungen dieser einen – pathologischen – Seite des Lebens zu dem ganzen Leben der Menschheit und zu der ihn umgebenden Natur ins Auge gefaßt, und der somit die Volkskrankheiten als das Product einer zahlreichen Reihe von Factoren aufzufassen gelehrt hat, welche ebenso in den wechselnden physischen und psychischen Stimmungen des Menschen selbst, wie in den wechselnden Gestaltungen des politischen und socialen Lebens, in dem Einflusse atmosphärischer und tellurischer Bewegungen gegeben sind. – Die zur Geschichte der Krankheiten des Mittelalters gehörigen obengenannten Schriften Hecker’s sind von dem Unterzeichneten gesammelt und in erweiterter Bearbeitung unter dem Titel: Die großen Volkskrankheiten des Mittelalters. Berlin 1865, herausgegeben worden. – Unter den die Geschichte der medicinischen Wissenschaft behandelnden Arbeiten Hecker’s nehmen die „Geschichte der Heilkunde“, deren zweiter Band 1829 erschienen ist, und welche die Geschichte der griechisch-römischen Medicin bis zum Ausgange des Mittelalters umfaßt, und die oben genannte „Geschichte der neueren Heilkunde“ die erste Stelle ein. Außerdem hat er einige Artikel aus der Medicin des Alterthums, welche später in dem allgemeinen Werke Aufnahme gefunden haben, und aus der Geschichte der neueren Zeit veröffentlicht, mehrere medicinisch-ethische und -hodegetische Arbeiten (meist Gelegenheitsschriften), einige Arbeiten aus dem Gebiete der practischen Medicin publicirt, die Herausgabe älterer Werke (Hippocratis Aphorismi. Griechisch-lateinisch. 1822. Burserii de Kanilfeld Institutiones medicae practicae. 4 Bde. 1825. 26, und Caji Britanni de ephemera britannica liber. 1833) besorgt, eine große Zahl von, meist historischen, Artikeln in dem von der medicinischen Facultät zu Berlin herausgegebenen Wörterbuche der medicinischen Wissenschaften und in Rust’s Handbuch der Chirurgie bearbeitet und die „Litterarischen Annalen der gesammten Heilkunde“, 1825–36 in 33 Bänden, ein für seine Zeit werthvolles kritisches Journal herausgegeben, auch die Redaction der ersten fünf Jahrgänge (1832–36) der von dem Vereine für Heilkunde in Preußen veröffentlichten medicinischen Zeitung besorgt. – Alle Arbeiten Hecker’s tragen den Stempel der Gründlichkeit, namentlich gilt dies von seinen historischen Schriften, welche auch durch die elegante Darstellung und die classisch-schöne Sprache fesseln, und wenn man sich auch mit manchen in denselben niedergelegten Gedanken und Reflexionen heute nicht mehr befreunden kann, so ist ihnen doch in dem Geiste, der sie durchweht, in dem positiven Gewinn der Erkenntniß, den sie geschaffen, ein dauernder Werth gesichert. – In seiner akademischen Thätigkeit hat es H. verstanden, wissenschaftlichen Ernst und ansprechende Form in der glücklichsten Weise zu vereinigen und seine Schüler, die mit Verehrung an ihm hingen, durch das freundlichste, liebevollste Entgegenkommen an sich zu fesseln. – An äußerer Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen hat es H. nicht gefehlt; vom Könige von Preußen ist er zum Geheimen Medicinalrathe ernannt und mit dem rothen Adlerorden III. Classe mit der Schleife decorirt worden, vom Könige von Würtemberg hat er die goldene [213] Verdienstmedaille, vom Kaiser von Rußland den St. Wladimirorden und den Stanislausorden II. Classe, vom Könige von Belgien den Leopoldorden erhalten.

Ein vollständiges Verzeichniß der Schriften Hecker’s bis zum J. 1839 findet sich in Callisen, Med. Schriftstellerlexikon, Bd. VIII. S. 235 und Bd. XXVIII. S. 424, die späteren Schriften sind in Engelmann, Bibliotheca med.-chir. 1848, S. 231 und 1868, S. 100 genannt. – Ueber sein Leben vgl. Gedike in Preuß. med. Vereins-Zeitung 1853, Nr. 37 ff. u. P(osner) in Allgem. med. Central-Zeitung 1850, Nr. 50, S. 406.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gemeint ist Gruner.