ADB:Havenreuter, Johann Ludwig (2. Artikel)

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Artikel „Havenreuter, Johann Ludwig“ von Jakob Freudenthal in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 115–117, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Havenreuter,_Johann_Ludwig_(2._Artikel)&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 15:23 Uhr UTC)
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Havenreuter: Johann Ludwig H.[WS 1], Philosoph und Arzt, am 1. August 1548 in Straßburg geboren, gestorben daselbst am 1. October 1618. Einziger Sohn angesehener Eltern (sein Vater Sebaldus war Professor der Ethik und Dialektik in Tübingen und später der Medicin in Straßburg) genoß er die sorgfältigste Erziehung und den Unterricht vortrefflicher Lehrer, unter denen Andreas Planer, Valentin Erythräus in Straßburg und Hieronymus Wolff in Augsburg genannt werden. Den größten Einfluß aber übte der berühmte Johannes Sturm auf ihn aus, der bis zu seinem Tode als Lehrer, Gönner und väterlicher Freund ihm zur Seite gestanden hat. Die besten Schriften Havenreuter’s sind auf [116] Sturm’s Rath und zum Theil nach seiner Anleitung gearbeitet. – 1574 wurde er Magister der Philosophie, aetate quidem adolescens, eruditione autem vir, wie Erythräus von ihm sagte. Kurz vorher war ihm die Professur der Philosophie übertragen worden; 1585 ward er zum Professor der Medicin ernannt, während er zum Magister der Medicin erst 1586 in Tübingen promovirt ward. Seit 1577 war er zugleich Mitglied des St. Thomasstiftes in Straßburg, 1611 ward er Dechant, 1614 Probst desselben, 1589 übernahm er auf den Wunsch des akademischen Senates, statt der medicinischen Professur die der Physik, Metaphysik und Logik. Da er aber außerdem eine ausgedehnte ärztliche Thätigkeit ausübte und nicht der besten Gesundheit sich erfreute, gab er nach einigen Jahren diese ihn erdrückenden akademischen Aemter zum Theil wieder auf und behielt von 1596 an nur noch die Professur der Physik bei. – Unermüdlich thätig als Lehrer, Schriftsteller und Arzt, ein Freund der Armen, ein guter Bürger und trefflicher Familienvater, ein bescheidener, redlicher und streng religiöser Mann, sammelte er eine große Zahl von Schülern um sich und stand in hohem Ansehen bei seinen Mitbürgern und gelehrten Zeitgenossen. – Universal gebildet wie so viele Gelehrten seiner Zeit, wußte er sich doch in seinen schriftstellerischen Arbeiten weise zu beschränken. Außer einer Sammlung von lateinischen und griechischen Sprichwörtern und Redensarten (Adagia classica, Argentor. 1573), einigen unbedeutenden medicinischen Schriften und einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Theses, die von ihm zum Behufe von Disputationen über verschiedenartige Materien aus platonischen und hauptsächlich aus aristotelischen Werken zusammengetragen worden sind, hat er ein Compendium naturwissenschaftlicher Schriften des Aristoteles, nämlich der Physik, der Schriften de coelo, de gener. et corrupt., der Meteorologie und Psychologie, und Commentare zu denselben Schriften, den parva naturalia, und zur Metaphysik hinterlassen. Alle diese Compendien und Commentare sind zuerst gegen seinen Willen und ohne sein Wissen nach Collegienheften seiner Schüler veröffentlicht worden: die Compendien in Einem Bande Argent. 1589, die Commentare zu Aristoteles’ Physik und Metaphysik Francof. 1604, zu de coelo, de gener. et corrupt., de anima, parva naturalia und der Meteorologie sämmtlich Francof. 1605. Diesen unrechtmäßigen und fehlerhaften Drucken – er nennt sie manca atque depravata in der praef. des Commentars zur Physik – ließ er nun selbst vielfach verbesserte Ausgaben folgen, so von seinen Compendien (Argent. 1593 und 1600), von den Erklärungen zur Physik (Argent. 1605), zu de coelo, de ortu et interitu (Argent. 1606). Aber auch diese Ausgaben thun H. nicht Genüge: seine große ärztliche Praxis hat ihn, wie er in der genannten Vorrede sagt, verhindert, die letzte Hand an sie zu legen. Trotzdem darf man seine Commentare zu den besseren Erklärungsschriften rechnen, die über Aristoteles in dieser Zeit verfaßt worden sind, wenn sie auch den Arbeiten eines Giphanius oder Julius Pacius nicht an die Seite gestellt werden dürfen. Sie zeugen von dem gesunden nüchternen Urtheil und der großen Belesenheit ihres Verfassers und halten sich frei von dem Citatenwust, der andere Commentare verunziert. Obgleich der H. fast gänzlich mangelnde Sinn für Kritik und sein Respect vor der oft unerträglichen Vulgata ihrem Werthe Eintrag thut, haben sie doch im 17. Jahrhundert warme Anerkennung und große Verbreitung gefunden, und noch heute wird man einen großen Theil derselben nicht ohne Nutzen für die Erklärung des Aristotelischen Textes verwenden können.

Marc. Florus, Oratio parentalis de vita et obitu … Joh. Lud. Havenreuteri, Argent. 1618. – Joh. Monachus, Christliche Leichenpredigt bei der Begräbniß … Joh. Lud. Havenreuteri, Straßburg 1619. – Melch. Adamus, [117] Vitae German. medic. p. 443 s. – Seine wenigen medicinischen Arbeiten werden genannt: Lindenius renovatus I, p. 631; die philosophischen Schriften sind nirgends genau oder vollständig aufgezählt worden.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Über diese Person existiert im selben Band ein weiterer Artikel.