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Artikel „Hauer, Franz von“ von August Rothpletz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 64–66, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hauer,_Franz_Ritter_von&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 02:17 Uhr UTC)
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Hauer: Franz von H., geboren am 30. Januar 1822 in Wien, † ebendort am 22. März 1899, wurde schon als Knabe durch seinen Vater (s. A. D. B. XI, 45), der zwar ein höherer Beamter im Berg- und Münzwesen war, sich aber mit Vorliebe und nicht unbedeutendem Erfolge mit Versteinerungen beschäftigte, mit dem Gegenstande bekannt, dem er später sein langes Leben ausschließlich gewidmet hat. Nachdem er sich infolge dieser Anregung in Schemnitz zum Montanisten ausgebildet hatte, begann er 1843 als solcher seine Laufbahn, die jedoch durch seine Beziehungen zu W. Haidinger alsbald ihre besondere Richtung erhielt. Auf dessen Veranlassung ward er 1846 Assistent am montanistischen Museum in Wien, nachdem er dort schon 1844 Vorlesungen über Paläontologie zu halten begonnen hatte. In Haidinger hatte er nicht nur einen vorzüglichen Vorgesetzten, sondern auch einen wahrhaft väterlichen Freund, der seine Begabung schnell erkannt hatte und nicht eher ruhte, bis er ihm eine seiner Veranlagung entsprechende officielle Stellung verschafft hatte. Dies gelang zwar nicht sogleich, aber gleichwol wurde die Zeit von 1844 bis 1849 für H. eine Periode freudigen und erfolgreichen Schaffens. Es gelang ihm in den österreichischen Alpen das Silur, die Trias und das Neocom nachzuweisen, sowie das Eocän von den älteren Gosauschichten und dem jüngeren Miocän abzutrennen. Zugleich veröffentlichte er mehrere größere rein paläontologische Arbeiten, unter denen die Cephalopoden des Salzkammergutes 1846, die Cephalopoden des Muschelmarmors von Bleiberg in Kärnthen 1846, die Cephalopoden von Roßfeld 1847 und Neue Cephalopoden aus dem rothen Marmor von Aussee 1847 u. 49 als die wichtigsten zu nennen sind.

Die jugendliche Kraftfülle „des im strengsten Sinne unentbehrlichen“ Hauer war damit keineswegs erschöpft. Er betheiligte sich eifrig an der allgemeinen Hebung naturwissenschaftlicher Forschung, die damals in Oesterreich noch arg darniederlag, und von ihm ging die Anregung aus, welche 1845 zur Gründung des Vereines der „Freunde der Naturwissenschaften“ führte und womit allen ähnlich Strebenden endlich ein centraler Stützpunkt gegeben war. Bezeichnend für die Bedeutung, die der erst 26jährige schon damals hatte, ist es, daß er 1848 als correspondirendeis Mitglied in die im Jahr vorher gegründete Akademie der Wissenschaften gewählt wurde. Aber noch immer fehlte es ihm an einer Stellung, in der er seine fast ausschließlich auf die stratigraphische Geologie und Paläontologie gerichtete Arbeitskraft frei entfalten konnte. Diese erhielt er endlich 1849, als er mit der Gründung der geologischen Reichsanstalt unter der Direction W. Haidinger’s deren erster Geologe mit dem Titel Bergrath wurde. Hiermit begann für ihn ein neuer Lebensabschnitt, in welchem er seine bedeutendsten wissenschaftlichen Werke vollendete. Zwar folgten sich dieselben nicht mehr in so raschem Tempo aufeinander wie bisher, aber das lag daran, daß er „die rechte Hand des Directors“ war und eine Fülle von Verwaltungsarbeiten und praktischen Aufgaben zu bewältigen hatte. Hemmend wirkte anfangs auch der lange Kampf, den von 1853 bis 1861 das neu gegründete Institut mit der Akademie der Wissenschaften um seine Selbständigkeit zu führen hatte. Als diese endlich definitiv errungen war, wurde H. 1862 zum ordentlichen Mitglied der Akademie ernannt. Auch an der Weiterentwicklung des naturwissenschaftlichen Lebens in [65] Wien nahm er fortgesetzt regen Antheil. Er gehörte zu den Begründern der Geographischen Gesellschaft 1855, des Vereines zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntniß 1861 und des Oesterreichischen Alpenvereins 1862. Zahlreich sind seine Veröffentlichungen während dieser 17jährigen Periode, von denen vielleicht als die bedeutendsten gelten dürfen: „Ueber die von Bergrath Fuchs in den Venetianer Alpen gesammelten Fossilien“ 1850; „Ueber die Gliederung der Trias-, Lias- und Juragebilde in den nordöstlichen Alpen“ 1853; „Beiträge zur Kenntniß der Heterophyllen der österr. Alpen und Beiträge zur Kenntniß der Capricornier der österr. Alpen“ 1854; „Ueber die Cephalopoden aus dem Lias der nordöstlichen Alpen“ 1856; „Ein geologischer Durchschnitt durch die Alpen von Passau bis Duino“ 1857; „Ein Beitrag zur Kenntniß der Fauna der Raibler Schichten“ 1857; „Erläuterungen zu einer geologischen Uebersichtskarte der Schichtgebilde der Lombardei“ 1858; „Nachträge zur Kenntniß der Cephalopoden-Faunen der Hallstätter Schichten“ 1860; „Ueber die Petrefacten der Kreideformation des Bakonyer Waldes“ 1861; „Geologie Siebenbürgens“ 1863 (gemeinsam mit Stache); „Die Cephalopoden der unteren Trias der Alpen“ 1865; „Choristoceras, eine neue Cephalopoden-Sippe aus den Koessener Schichten“ 1865 und „Neue Cephalopoden aus den Gosaugebilden der Alpen“ 1866.

Als 1867 Haidinger von der Direction der Reichsanstalt zurücktrat, wurde H. sein Nachfolger, und diese neue Periode dauerte für ihn 19 Jahre. Für die Anstalt bedeutete sie eine Zeit höchster Blüthe und erfolgreicher Entfaltung, für H. einen Zuwachs an organisatorischer Arbeit, die der Unermüdliche zwar voll Freude bewältigte, die ihm aber doch in der Inangriffnahme eigner größerer wissenschaftlicher Werke eine wesentliche Beschränkung auferlegte. Gleichwol hat er durch die Herausgabe der geologischen Uebersichtskarte der österreichischen Monarchie, in 12 Blättern (1867–71) und durch „Die Geologie und ihre Ausdehnung auf die Kenntniß der Bodenbeschaffenheit der österr.-ungar. Monarchie“ 1875, II. Aufl. 1878, zwei monumentale Werke geschaffen, die mit derselben Gründlichkeit und Uebersichtlichkeit damals kein Anderer wie er hätte zu Wege bringen können. Der didaktische Zweck war vollkommen erreicht und wir können daraus den Erfolg errathen, den H. gehabt hätte, wenn Haidinger’s Plan im J. 1849 in Erfüllung gegangen und H. als Professor in die akademische Laufbahn gekommen wäre. Seinen Beruf hat er freilich auch so nicht verfehlt.

Mit 64 Jahren trat er von der Direction der Reichsanstalt zurück, aber nicht schon in den wohlverdienten Ruhestand. Dazu war der lebhafte Mann noch zu thatenkräftig, und als Leiter des naturhistorischen Hofmuseums hat er nochmals seine organisatorische Begabung während zehn Jahren bethätigt. Seine alte Liebe zu den Trias-Cephalopoden, die ihn schon 1846 beschäftigten, erwachte von neuem, und so hat er 1887 die Cephalopoden des bosnischen Muschelkalkes, 1892 und 1896 die Cephalopoden aus der Trias von Bosnien bearbeitet.

Man kann das wissenschaftliche Leben und Wirken Hauer’s nicht verstehen ohne Kenntniß seines jüngeren Zwillingsbruders. Das glückliche Oesterreich hatte den Vorzug, zum Beginne des vorigen Jahrhunderts ein Doppelgestirn am geologischen Horizont aufgehen zu sehen. Das eine ist nun nach 77jährigem Leuchten untergegangen, das andere, welches neun Jahre später aufgegangen war, leuchtet noch immer mit unverminderter Kraft. Freundlich zogen beide Sterne nebeneinander her ohne sich gegenseitig zu verdunkeln, und jeder der Beiden hat auf seine Art zur Aufhellung der Geologie beigetragen. Erst in späterer Zeit hat sich ein gewisser Gegensatz herausgebildet, aber er bezog sich [66] nicht sowol auf diese beiden führenden Geister als vielmehr auf ihr Gefolge – die Schule Sueß und die Partei Hauer. Wenn auch das Ringen dieser Gegensätze um den Vorrang der Entwicklung der geologischen Wissenschaft mancherlei Vortheile gebracht hat, so berührt es doch nicht so sympathisch als das freundschaftliche Nebeneinanderhergehen der beiden Führer während mehr als einem halben Jahrhundert. Beider Naturen waren verschieden veranlagt und bebauten auch verschiedene Arbeitsfelder. In der Paläontologie wurden hier die Cephalopoden dort die Brachiopoden bevorzugt, hier förderte man die Stratigraphie dort die Tektonik, hier fanden praktische, dort speculative Fragen das meiste Gehör, Hauer’s größte Freude lag in der Feststellung neuer Beobachtungsthatsachen, während Sueß höchste Befriedigung in weitausschauenden Hypothesen und Ideen fand. So konnten beide friedliebende Naturen nebeneinander herschreiten ohne sich zu stören und ergänzten und unterstützten sich dabei sogar gegenseitig. Für die Gefolgschaft Beider traf dies natürlich nicht in gleicher Weise zu, und nachdem H. die Direction der Reichsanstalt niedergelegt hatte, schien es sogar eine Zeitlang als ob hier unversöhnliche Gegensätze beständen. In der Erinnerung jüngerer Geologen wird gleichwol Hauer’s Bild als das eines ehrwürdigen Greises fortleben, der seine Liebe zur Wissenschaft auch Anderen zu gute kommen ließ und ihnen damit den Muth zu persönlichem Anschluß gab. Die Neigung des Greisenalters, sich abzuschließen und neuen Strömungen unzugänglich zu werden, hat er verstanden zu überwinden und so ist er inmitten der nachwachsenden Generation jung geblieben. Was er in seiner Jugend mit Feuereifer angestrebt hatte, die Entwicklung der Pflege der Naturwissenschaften, das sah er während seines langen Lebens glänzend in Erfüllung gehen, und so konnte er schließlich mit innerster Befriedigung sich im Schatten der Bäume zur Ruhe legen, die er selbst gepflanzt und gehegt hatte.

Nähere Angaben findet man besonders in: Franz von Hauer, sein Lebensgang und seine wissenschaftliche Thätigkeit, von E. Tietze (Jahrbuch d. geologischen Reichsanstalt, Bd. 49, 1899).