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Artikel „Hanf, Blasius“ von Franz Ilwof in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 755–757, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hanf,_Blasius&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 21:09 Uhr UTC)
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Hanf: Blasius H., Ornitholog, geboren am 30. October 1808 zu St. Lambrecht in Obersteiermark. Nach zurückgelegten Gymnasialstudien entschloß er sich, Priester zu werden und trat in das Benedictinerstift St. Lambrecht ein, bei welcher Gelegenheit er den Taufnamen Karl mit dem Ordenssnamen Blasius vertauschte. 1833 wurde er Caplan in Mariahof, 1843 Curat in Zeitschach und 1853 Pfarrer in Mariahof, wo er bis an sein Lebensende verblieb. Mariahof liegt am Westabhang des Zirbitzkogels, in der Einsenkung der kärntnisch-steierischen Alpen zwischen den Thälern der Mur und der Gurk, welche der Neumarkter Sattel heißt; es ist die tiefste Einsenkung (890 m) der Centralalpen vom Mittelmeere bis zum Murdurchbruch bei Bruck, eine lange, schmale Hochebene, umrandet im Westen von den Abhängen des Kalkberges und der Grebenzenalpe, im Osten bis an das Kreuzeck und die Ausläufer des Zirbitzkogels reichend. Dieser Paß, dieser Sattel ist auch historisch bemerkeneswerth; 113 v. Chr. zogen höchst wahrscheinlich die Kimbern, als sie durch Pannonien und Norikum nach Italien wanderten und bei Noreja das [756] Römerheer unter Cnejus Papirius Carbo vernichteten, über diese Einsenkung; nachdem die Ostalpenländer der Herrschaft Roms unterworfen waren, überschritt die Straße von Aquileja nach Ovilava (Wels) an dieser Stelle die Kette der Centralalpen; im Mittelalter und bis ins 18. Jahrhundert ging der wichtigste Handelsweg von der Donau an die Adria, von Wien nach Venedig über den Neumarkter Sattel und wie anderwärts suchte in unseren Tagen auch die Eisenbahn hier die alte Verkehrslinie auf, um entlang derselben ihre Länder und Völker verbindenden Stränge zu legen. Diese Einsenkung ist auch einer der Wege, den die Wandervögel auf ihrem Zuge von Norden nach Süden und umgekehrt zweimal im Jahre benützen, wobei sie an dem auf dieser Hochebene gelegenen Furtteiche und bei der kleineren Hungerlacke Rast halten. H. war von Jugend auf ein großer Vogelfreund, später ein eifriger Jäger und trefflicher Schütze; dies und sein Aufenthalt zu Mariahof, auf jener durch Vogelzüge belebten Gebirgslücke und unfern dem Furtteiche, machten ihn zum Ornithologen. Er schoß zahlreiche Vogelarten, darunter manche ihm unbekannte, und das veranlaßte ihn, von Jahr zu Jahr tiefer in das Studium der Ornithologie einzudringen. Ihm war es aber nicht bloß um das Erlegen der Vögel zu thun, er studirte auch die Eigenthümlichkeiten, die Lebensweise und die durch Alter und Geschlecht bedingten Veränderungen des Gefieders der verschiedenen Arten, und da er großes Geschick im Ausstopfen der Vogelbälge besaß, so gelang es ihm, bald eine reiche ornithologische Sammlung zusammen zu stellen, welche seinen Pfarrhof zierte und jetzt eine der Sehenswürdigkeiten des Stiftes St. Lambrecht ist. All seine freie Zeit neben der Seelsorge, der er eifrigst oblag, widmete er der Ornithologie. Obwol er in dieser seiner Thätigkeit sich nur auf die nähere und weitere Umgebung seines Wohnortes beschränkte, so lieferte er doch den Beweis, daß eine sorgfältige Beobachtung auch auf local beschränktem Raume höchst Verdienstliches zu leisten vermag. Er war ein trefflicher Präparator und verstand es, in die oft sehr ansehnlichen Suiten, welche er von vielen Arten besaß, durch abwechselnde, der Natur abgelauschte Stellungen Leben zu bringen. Nicht museumsartig einen Vogel neben den anderen gestellt, sondern zu Gruppen vereinigt, hatte er auf an den Wänden angebrachten Baumästen, auf dem Boden auf imitirtem Felsgestein, neben welchem kleine Moos-, Gras- und Schilfpartien angelegt waren, seine Schätze aufgestellt und so ein sehr hübsches Bild der Mariahofer Ornis geschaffen, das nicht nur den Forscher durch die darin enthaltenen Seltenheiten und großen Reihen, sondern auch dem Laien durch die lebensvollen Stellungen und die natürliche Gruppirung der schönen Objecte Beifall abrang. Seine Sammlung umfaßte circa 234 Arten in ungefähr 2000 Exemplaren; sie war reich an speciellen Seltenheiten und enthielt Exemplare mit bemerkenswerthen Farbenaberrationen. Auf der Wiener Weltausstellung erhielt er den Hamburger Preis für seine taxidermistischen Leistungen. Mit den bedeutendsten Ornithologen seiner Zeit und vielen Freunden der Vogelwelt war er theils in persönlichem, theils in schriftlichem Verkehr, so mit Rudolf und Wilhelm Blasius, Alfred Brehm, Julius Finger, Alexander und Eugen v. Homeyer, Baron Ludwig Lazarini, August v. Mojsisovics, Othmar Reiser, Josef Talsky, Baron Stefan Washington, Baron Ferdinand v. Droste-Hülshoff, August Koch, Baron v. König-Warthausen, August v. Pelzeln, Eduard Seidenrauscher, Victor Ritter v. Tschusi zu Schmidhoffen.

Seine wissenschaftlichen Verdienste wurden durch die Ernennung zum Ehrenmitgliede des ornithologischen Vereins in Wien, der naturwissenschaftlichen Vereine zu Graz und zu Salzburg und vom Kaiser durch Verleihung des goldenen Verdienstkreuzes mit der Krone anerkannt.

[757] H. war ein kleiner, unansehnlicher Mann von rührender Bescheidenheit; seine Verdienste um die Ornithologie wurden von ihm selbst am allerwenigsten gewürdigt. Der Verfasser dieser Skizze erinnert sich sehr wohl einer Scene, die sich in Graz bei der Versammlung der deutschen Naturforscher und Aerzte 1875 abspielte; H. war zu derselben erschienen, hielt sich in seinem schlichten, abgetragenen Priesterkleide ganz im Hintergrunde, ohne sich zu erkennen zu geben; da bemerkte ihn ein Freund und rief aus: „Hanf ist auch hier“; alle Ornithologen und viele Zoologen stürzten auf ihn zu und begrüßten ihn, er stand verlegen und verschämt da, als ob er auf einer üblen That wäre ergriffen worden. Mich erinnerte jener Vorgang an einen andern historisch berühmten, der sich vor etwa 130 Jahren in der Hofburg zu Wien abgespielt hat. Maria Theresia gab ein großes Fest, Feldmarschall Laudon, der berühmte Feldherr, der auch ein Feind jeder öffentlichen Ehrenbezeigung war, verbarg sich dabei förmlich hinter einem Thürflügel; die Kaiserin bemerkte es, trat auf ihn zu, und führte ihn an ihre Seite mit den Worten: „Sehen Sie, meine Herren, Laudon schämt sich seiner Verdienste.“ –

Die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Forschungen veröffentlichte er in folgenden Zeitschriften: Sitzungsberichte des zoologisch-botanischen Vereins in Wien, 1854, S. 18, 120, 122; 1856, S. 91–92; Verhandlungen desselben Vereins: 1856, S. 671–700; 1858, S. 529–548; 1868, S. 961–970; 1871, S. 87–98; 1872, S. 399–404; 1873, S. 469–474; 1874, S. 211 bis 216; 1877, S. 235–240; 1878, S. 11–14; 1880, S. 42. – Mittheilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark, 1863, S. 32 bis 36; 1864, S. 50–56; 1865, S. 32–38; 1875, S. 159–166; 1878, S. 50–56; 1882, S. 1–102; 1883, S. 3–94; 1886, S. 69–73; 1887, S. 101–116. – „Waidmannsheil“, 1892, S. 25–28. – Ornithologisches Centralblatt, 1880, S. 113–114 und 148–149. – Mittheilungen des ornithologischen Vereins in Wien, 1882, S. 71–72; 1886, S. 181–182, 313 bis 314. – Carinthia, 1882, S. 252, 296. –

Außerdem lieferte er ausführliche Zugsbeobachtungen 1882 allein, von 1883–1888 mit P. Roman Baumgartner für die von dem Kronprinzen Erzherzog Rudolf ins Leben gerufenen ornithologischen Beobachtungesstationen in Oesterreich-Ungarn, deren erster Jahresbericht vom „Ornithologischen Vereine“ in Wien, die übrigen vom „Permanenten internat. ornithol. Comité“ in der „Ornis“ veröffentlicht wurden. H. starb am 2. Januar 1892 zu Maria Hof.

R. Wild in „Mittheilungen des ornithol. Vereins“ in Wien, XVI, 1892, S. 15–17. – R. Waizer in „Waidmannsheil“ XII, 1892, S. 15–28. – P. P. in der „Ornithol. Monatsschrift“, XVII, 1892, S. 45–46; in der „Gefiederten Welt“, XXI, 1892, S. 57. – Kriso in der „Grazer Tagespost“ vom 5. u. 6. Jan. 1892; in „St. Hubert“ X, 1892, S. 184. – v. Tschusi Ritter zu Schmidhoffen im „Ornitholog. Jahrbuch“ 1892, S. 87–97. – Schaffer, Bl. Hanf als Ornitholog. St. Lambrecht 1904.