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Artikel „Gull, Josef“ von Friedrich Schuller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 775–776, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gull,_Josef&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 22:53 Uhr UTC)
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Gull *): Josef G. wurde am 5. December 1820 in Schäßburg geboren und starb daselbst am 23. Juni 1899. Nach Vollendung seiner Gymnasialstudien in seiner Vaterstadt begab er sich nach Neumarkt (Maros-Vásárhely), um sich dem Rechtsstudium zu widmen. Im Jahre 1844 legte er zunächst in Neumarkt vor der kgl. Tafel und bald darauf auch vor der sächsischen Nationsuniversität in Hermannstadt die Advocatenprüfung ab. Vorläufig übte er jedoch nicht die Advocatur aus, sondern trat als Honorärsecretär bei dem Stadt- und Stuhlsmagistrate seiner Vaterstadt in den Dienst. Nach bemerkenswerther publicistischer Thätigkeit besuchte er den 1848er Klausenburger Landtag als gewählter Stellvertreter des Abgeordneten des Schäßburger Stuhles Karl Gooß d. Ae. (siehe S. 684). Mit diesem und dem Abgeordneten der Stadt Schäßburg, dem späteren Bischof der evangelischen Landeskirche in Siebenbürgen G. D. Teutsch (s. A. D. B. XXXVII, 618), erklärte sich G. für die bedingte Union Siebenbürgens mit Ungarn und begleitete Gooß und Teutsch in gleicher Eigenschaft als gewählter Stellvertreter auf den Landtag nach Pest. Mit den anderen sächsischen Abgeordneten verließ G., da der Landtag in die von den Sachsen in Bezug auf die Durchführung der Union gestellten Forderungen nicht eingehen wollte, Pest und trat mit Beginn des Bürgerkrieges in die auf kaiserlicher Seite stehende Schäßburger Bürgerwehr ein. Als Adjutant des Commandanten derselben hat er an der Schlacht bei Elisabethstadt Theil genommen. Die Absicht Gull’s, St. L. Roth (A. D. B. XXIX, 341), als dieser gefesselt durch Schäßburg dem sicheren Tode zu nach Klausenburg geführt wurde, zu befreien, scheiterte an der Erklärung Roth’s, er fliehe nicht. Nach Abschluß der Revolution führte G. zunächst sein Amt im Schäßburger Magistrate weiter, legte dasselbe jedoch aus Anlaß der neuen Verwaltungsorganisation durch den Absolutismus im J. 1851 nieder und übte die nächsten zehn Jahre hindurch die Advocatur in Schäßburg aus. Mit der Wiederherstellung der sächsischen Verfassung im J. 1861 wurde G. zum Senator und Stadthann und 1866 zum Bürgermeister in Schäßburg gewählt. Als solcher wirkte er bis zu seinem freiwilligen Amtsaustritte im J. 1881. In hervorragender Weise ist er in dieser Zeit für das Wohl seiner Vaterstadt thätig gewesen. Die Ordnung der städtischen Wirthschaft und die Ueberführung der Verwaltung in moderne Bahnen ist vor allem Gull’s Werk. Doch damit ist Gull’s Arbeitskraft keineswegs erschöpft gewesen; ein großer Theil derselben ist auch dem politischen Leben seines Volkes gewidmet worden. Von 1861 bis 1891 hat es kaum [776] eine politisch wichtige Verhandlung im Leben des sächsischen Volkes gegeben, an der G. nicht Antheil genommen hätte. Bemerkenswerth ist da zunächst seine Thätigkeit in der sächsischen Nationsuniversität, der er von 1861–1875 als Vertreter Schäßburgs angehörte. Dieser obersten, politischen, sächsischen Behörde war am Anfange der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die wichtige Aufgabe zugefallen, eine neue Organisation des Sachsenlandes anzubahnen. Für die neu zusammengetretene Nationsuniversität schuf G. die Geschäftsordnung, in deren Einleitung er den sächsischen „Rechtsstandpunkt“ darlegte. (Verhandlungen der sächs. Nationsuniversität. Hermannstadt 1861.) Sicherung einer nationalen Entwicklung des sächsischen Volkes war das Ziel, das G. in der Universität wie auf dem Landtag (1863–64) und im Reichsrath in Wien (1863–65) anstrebte. Ueberall trat er jetzt als ausgesprochener Anhänger eines einheitlichen Gesammtösterreich und entschiedener Gegner der Union Siebenbürgens mit Ungarn auf. Auf dem Klausenburger Landtage des Jahres 1865 suchte er zum mindesten feste Unionsbedingungen im sächsischen Interesse zu erwirken. Alle Mühe ist bekanntlich umsonst gewesen. Der Ausgleich zwischen Oesterreich und Ungarn wurde geschlossen, die Union Siebenbürgens mit Ungarn kam zu Stande, ohne jene Bedingungen, die die Sachsen gefordert hatten, die sächsischen Deputirten wurden auf den Reichstag nach Pest gerufen. Auch G. fehlte hier nicht. Mit kurzer Unterbrechung hat er ihm bis 1895 angehört. Immer wieder ist er hier mannhaft für sein Volk eingetreten, insbesondere als es sich um die Zertrümmerung des Königsbodens (1874) und um ein neues Mittelschulgesetz (1883) im Reichstage handelte. Der Kampf war um so ehrenvoller, als er aussichtslos war. Neben die Thätigkeit Gull’s im wirthschaftlichen Leben seines Volkes tritt in ebenbürtiger Weise seine Arbeit im Dienste der evangelisch-sächsischen Kirche. Er ist ein eifriger Mitarbeiter und Förderer der neuen Kirchenverfassung gewesen, wie er kaum in einer Landeskirchenversammlung gefehlt hat. Die dritte Landeskirchenversammlung wählte ihn 1865 in das Landesconsistorium, dem er bis zu seinem Tode angehörte. Dabei war er auch Mitglied des Schäßburger Bezirksconsistoriums und Bezirkskirchencurator, sowie Mitglied des Hauptvorstandes des siebenb. Gustav Adolf-Vereins. G. war seit 1896 von einem Schlagflusse gelähmt.

G. hat für den ersten Band des Urkundenbuches der evangelischen Landeskirche von G. D. Teutsch die Uebersetzung der ungarischen Stücke besorgt. Seine Reden in der sächsischen Nationsuniversität, in Land- und Reichstagen und die von ihm in seiner Eigenschaft als Abgeordneter dieser Vertretungskörper entworfenen sonstigen Schriftstücke sind, insbesondere was zwingende juristische Darlegung anbelangt, von litterarischer Bedeutung.

Karl Hoch, Die Entwicklung unserer Politik seit 1848 im Rahmen eines politischen Lebensbildes Josef Gull’s. Schäßburg 1899. – Fr. Teutsch, Josef Gull, im Kalender des Siebenbürger Volksfreundes für das Jahr 1900. 31. Jahrgang. Hermannstadt. – Fr. Schuller, Schriftstellerlexikon der Siebenbürger Deutschen. 4. Bd.; daselbst auch ein Verzeichniß der Land- und Reichstagsreden Gull’s.

[775] *) Zu S. 623 oben.