ADB:Gooß, Karl (evangelischer Theologe)
**): Karl G. der Aeltere war am 30. Januar 1814 in Schäßburg geboren und starb am 29. December 1848 als Pfarrer von Denndorf. Der geistig hochbegabte und zu großen Hoffnungen berechtigende Jüngling verließ 1831 das evang. Gymnasium seiner Vaterstadt. Er begab sich zunächst nach Klausenburg, um hier bei Huber politische und staatswissenschaftliche und bei Sebestyen Vorlesungen über vaterländisches Recht zu hören. In den beiden folgenden Jahren studirte G., da wegen des noch immer geltenden Verbotes der deutschen Universitäten, von einer deutschen Hochschule abgegangen werden mußte, in Wien Theologie an der protestantisch-theologischen Facultät. Seit dem Sommer 1834 betrieb er eifrig antiquarische, philologische und geschichtliche Privatstudien und besuchte fleißig die kaiserliche Hofbibliothek. Ende August 1835 erhielt er, in seine Vaterstadt zurückgekehrt, eine Lehrerstelle am ev. Gymnasium; fünf Jahre darauf wurde er Conrector und 1842 im Alter von 28 Jahren Director dieses Gymnasiums. G. hat als Lehrer wie als Director eine rühmliche Thätigkeit entfaltet, insbesondere hat er seine Aufmerksamkeit auch der Sammlung und Vermehrung der Lehrmittel zugewendet. Die Bibliothek des ev. Gymnasiums in Schäßburg hat geradezu durch ihn erst einen wirklich wissenschaftlichen Charakter erhalten.
GooßNach nur dreijähriger Wirksamkeit als Director traf G. die ehrenvolle Wahl zum Pfarrer in Denndorf. Er folgte dem Rufe, obgleich man ihn gerne in Schäßburg zurückgehalten hätte. Gar bald aber wurde er aus der stillen Arbeit seines friedlichen Amtes herausgerissen. Die unheilvollen Wirren des Jahres 1848 kamen auch über Siebenbürgen, wo zunächst die Frage aufgewickelt wurde, ob Siebenbürgen mit Ungarn durch die Union verbunden werden solle. Da ist nun G. mit der ganzen Gewalt seiner gewaltigen Beredtsamkeit, in ehrlichem Idealismus für die Union, eingetreten. Der Geist bürgerlicher, vernünftiger Freiheit habe in Ungarn gesiegt, erklärt G. u. a. einmal. Das sei eine Bürgschaft auch für die Freiheit der Sachsen. Sei die Union durchgeführt, dann sei das unaufschiebbare Werk der Neugestaltung des sächsischen Volks- und Gemeindelebens auf freisinnigsten Grundsätzen aufzunehmen. Auch in Schäßburg, wie im ganzen Sachsenlande, gab es genug Stimmen, die sich ganz entschieden gegen die Union aussprachen, die in jeder Union eine Uebergabe auf Gnade und Ungnade sahen. G., der entschiedene Führer der Schäßburger Deputirten auf dem Landtag des Jahres 1848 in Klausenburg, blieb ein eifriger Befürworter der Union. Allerdings gestand [685] auch er diese nur unter der Voraussetzung genau formulirter, die sächsischen Rechte sichernder, Bedingungen zu. In diesem Sinne stellte G. in der letzten Versammlung der sächsischen Abgeordneten, die kurz vor der Sitzung des Landtages abgehalten wurde, die über die Unionsfrage entschied, den Antrag, es solle sächsischerseits im Landtag erklärt werden, daß die sächsische Nation der Union beitreten werde, in der zuversichtlichen Hoffnung, daß den Sachsen die ihnen nach dem Naturrecht und den positiven Gesetzen zustehenden nationalen und municipalen Rechte ungeschmälert gelassen würden. So haben die Sachsen zum Theil freiwillig zum Theil gedrängt durch die Umstände die Union zwischen Siebenbürgen und Ungarn angenommen. Es kam von nun an alles darauf an, ob der Reichstag in Pest die Bedingungen der Sachsen annehmen würde. Da hat nun G., der als Abgeordneter von Schäßburg ebenfalls auf dem Reichstag erschienen war, gar bald die üble Erfahrung machen müssen, daß der Reichstag nicht geneigt war, auf die sächsischen Wünsche einzugehen. Daher kam seine Warnung, die er einem durch Pest heimreisenden sächsischen Hochschüler mitgab: „Sagen sie unsern Leuten, sie sollen Pulver und Gewehre kaufen und sich rüsten, denn man hintergeht uns“. Was kommen mußte, kam. G. hatte längst erkannt, daß es nichts Gutes sein könne. Am 12. September 1848 wurde dem Reichstag in Pest der Gesetzentwurf zur Durchführung der Union vorgelegt. Von einer Gewährleistung der sächsischen Rechte war darin keine Rede. Was dann weiter in Pest geschah, gehört nicht hierher. G. kam im Herbst in die Heimath zurück. Krank an Leib und Seele lebte er die nächsten Monate in stiller Zurückgezogenheit auf seinem Pfarrhof. Und als nun der Bürgerkrieg auch nach Siebenbürgen kam, da verdüsterte sich von Stunde zu Stunde sein Gemüth. Ueberwältigt von dem Schmerz über das Unglück seines Volkes bereitete er seinem Leben selbst das Ende. Kurz vor seinem Tode hatte er seine litterarischen Arbeiten verbrannt.
- Eugen v. Friedenfels, Joseph Bedeus v. Scharberg, Beiträge zur Zeitgeschichte Siebenbürgens im 19. Jahrhundert, II. Theil, Wien 1877.
[684] **) Zu S. 454.