ADB:Gugenmus, Stephan
[94] Anverwandten, welche in ihm eine vorzügliche geistige Befähigung erkannten, zum Studium der Theologie bewogen. In seinem 18. Lebensjahre bezog er die Universität Marburg, wo er sich zwei Jahre hindurch diesem nicht aus innerem Antriebe gewählten Studium widmete. Während dieser Zeit mußte er jedoch die Ueberzeugung gewinnen, daß es ihm sehr schwer werden sollte, sich für den geistlichen Beruf gegen seine Neigung vorzubereiten; er benutzte deshalb gerne einen mit dem Ausbruch kriegerischer Unruhen gegebenen Anlaß, um Marburg zu verlassen und nach Jena zu gehen, damit er hier in größerer Ungebundenheit statt der ihn durchaus nicht mehr ansprechenden theologischen nunmehr philosophische, naturwissenschaftliche und nationalökonomische Studien betreiben könne. Als er die freieste Beschäftigung mit diesen Wissenschaften drei Jahre lang durchgesetzt hatte, sah er sich gleichwol genöthigt zur Erlangung eines Haltes für seine zukünftige Existenz noch einmal zu den theologischen Studien zurückzukehren und deren Vollendung in Heidelberg zu bewirken. Nachdem er 1762 dort als Candidat für das geistliche Amt qualificirt war, verfolgte er seine hiermit erworbenen Ansprüche auf Anstellung nicht weiter, sondern begab sich zunächst auf eine Instructionsreise in die Schweiz und wandte sich dem Gedanken zu, seiner ursprünglichen Neigung gehorchend, auf dem Gebiete der Landwirthschaft sich eine Berufsaufgabe zu suchen. Mit neuen Anschauungen bereichert und von dem Drange getrieben, sein umfassendes Wissen zum Nutzen der Landwirthschaft zu verwerthen, kehrte er aus der Schweiz zurück, nahm die Leitung des Betriebes auf dem väterlichen Erbgute in die Hand und pachtete von 1765 an nach einander drei Güter in der badischen Pfalz, unter welchen besonders das Gut Handschuchsheim bei Heidelberg zu nennen ist. Hier ging er mit einer völligen Wirthschaftsreform im Betriebe des Feldbaues und der Viehzucht vor, führte den Handelsgewächsbau in Gestalt von Krapp-, Hopfen- und Gemüsekulturen ein, schuf gewissermaßen eine neue Basis für den Kleebau, gab der Viehzucht bei rationeller Einrichtung und Haltung eine zweckentsprechende Verbindung mit dem Ackerbau und erzielte dabei in beiden Richtungen so glänzende Erfolge, daß sein Ruf als intelligenter tüchtiger Oekonom bald weit über die Grenzen der Pfalz hinausdrang. Obschon seine Neuerungen von vielen Seiten angefochten wurden, so bekämpfte er doch die ihm entgegentretenden Hindernisse mit Erfolg und überwand selbst durch Anbahnung gesetzlicher Reformen gewisse von Alter her bestandene Schranken in der Benutzung der Felder und Wiesen. G. führte einen regen schriftlichen Verkehr mit den ersten Berufsgenossen seiner Zeit, mit Kameralisten und Freunden der Landwirthschaft; Männer, wie Graf Einsiedel in Kursachsen, Hofrath Schubart v. Kleefeld in Würchwitz, Pfarrer Mayer in Kupferzell (Franken) und andere Personen von Distinction begehrten öfters in wirthschaftlichen Angelegenheiten von ihm Rath und Aufklärung, womit zu dienen er nach Kräften gerne bereit war. Als Mitglied der kurpfälzischen ökonomischen Gesellschaft schrieb G. mehrere lehrreiche Abhandlungen, von welchen besonders folgende zu nennen sind: „Abhandlung von einigen wichtigen Hindernissen einer blühenden Landwirthschaft“, 1769 u. 70. Er geißelte in dieser Schrift die mangelhafte Erziehung und Vorbildung des Landmannes, die hinter Kalenderregeln sich verbergende crasse Unkenntniß der meisten praktischen Landwirthe, deckte die Blößen bei der von in Thorheit befangenen Dorfältesten geführten Gemeindeverwaltung auf, that die Mängel an den Institutionen der bestehenden ökonomischen Gesellschaften und die Bedingungen einer erfolgreichen Wirksamkeit derselben dar, wies die verbreitetsten Irrungen in der zu jener Zeit herrschenden politischen Oekonomie nach, forderte eine gerechte Vertheilung der Abgaben und Lasten, sowie mehr Achtung für den Beruf der Landwirthe von anderen Klassen der Gesellschaft und mehr Hingabe an denselben von den einflußreicheren Grundbesitzern [95] selbst. Zu den wirthschaftlichen Verhältnissen des Landbaues sich wendend, kennzeichnete er den Flurzwang, die lästige Beschränkung in der Benutzung des Grundeigenthums und die Weideservituten mit ihren gemeinschädlichen Folgen, die Macht des Herkommens in der Wahl der Productionsweisen und die gänzliche Verkennung der Beziehungen zwischen Ackerbau und Viehzucht oder der Bedingungen für ihre Prosperität als weitere Hindernisse, welche einer blühenden Entfaltung der Landwirthschaft entgegenständen. Nicht minder beachtenswerth waren seine 1771 erschienenen „Betrachtungen über die wichtigsten Grundsätze des Ackerbaues. Diesen Arbeiten folgten 1773 zwei kleinere Abhandlungen: „Praktischer Beweis der Unfruchtbarkeit jeder Erdart und ihrer Verbesserungen“, ferner seine „Untersuchung und Berechnung, welche Bauart für den gemeinen Mann die nützlichste sei“; war die erstere von beiden nicht frei von einseitiger Auffassung und irrthümlichen Interpretationen, so zeugte die letztere wiederum von großer Umsicht und aufgeklärtem Urtheil. In den J. 1776 und 77 schrieb er noch eine Schilderung vom Ackerbau des Dorfes Handschuchsheim und seine Abhandlung über den Krappbau. Alle diese Schriften sind in den kurpfälzischen Bemerkungen veröffentlicht worden. G. stand auf der Höhe seines thatenreichen Wirkens, als ihn eine zum Tode führende Krankheit befiel; er starb in dem Hause seines Freundes und Pachtherrn, des Geheimraths v. Mauboisson zu Mannheim. Seine Lebensweise war stets eine einfache und regelmäßige gewesen, doch wurde er nicht müde zu arbeiten, wenn er vor der Lösung schwieriger Aufgaben stand; er ging stets prüfend zu Werke und ließ sich mehr von den besten Absichten für das Gemeinwohl, mehr von uneigennützigen Motiven leiten, als es seinem eigenen Interesse entsprochen hätte; er war ein Mann von offenem, ehrenhaftem Charakter, ein wahrer Menschenfreund und ächt patriotischer Bürger. Die kurpfälzische Gesellschaft schrieb von ihm: „Einen Verlust haben wir in diesem Jahre 1778 erlitten, der uns nothwendig schmerzhaft sein mußte. Der Tod raffte einen unserer würdigsten Männer in der Blüthe seiner Jahre dahin, von dessen wahrem Genie und großem Forschungsblick nicht wir allein, sondern die ganze Pfalz die herrlichsten Früchte noch erwarten konnten. Unsere Schriften enthalten redende Beweise seiner Einsichten, noch mehr aber bezeugen es seine Handlungen, die nun schon seinem Vaterlande Früchte reifen. Er war es, der die Pfalz auf den Kleebau und den Gypsgebrauch aufmerksam machte, der den Krapp- und Hopfenbau den Landeserzeugungen einfügte, der alles Das, was zur Einführung einer besseren Landescultur beschwerlich ist, mit Manneskraft überstand, nicht Wetterhähnen gleich durch Hindernisse sich abschrecken ließ, sondern mit Beharrlichkeit der einmal erkannten Wahrheit anhing.“
Gugenmus: Stephan G., anfangs Theolog, später ausübender Landwirth in der Kurpfalz und landwirthschaftlicher Schriftsteller, Mitglied der kurpfälzischen ökonomischen Societät, gest. im Februar 1778 zu Mannheim. Er war zu Bretten, einem pfälzischen Landstädtchen unweit Bruchsal, im J. 1740 geboren und fand schon während seiner Kinderjahre vielfach Gelegenheit sich mit den Verhältnissen der Oekonomie auf dem väterlichen Gute vertraut zu machen. Dabei folgte er theils dem Wunsche seines Vaters, theils seiner eigenen im Keime schon beim Knaben sich regenden Neigung. Früh verwaiset wurde G. indeß durch seine- Vgl. Georg Stumpf, Sämmtliche ökonomische Schriften von Stephan Gugenmus, Jena 1789. E. Langethal, Geschichte der deutschen Landwirthschaft, Jena 1840.