ADB:Gruß, Johann
Franz Kadlik, der ebenfalls von der Theologie zur Kunst übergegangen war, ließ den Ausweg finden. Herzhaften Entschlusses betrieb kurz danach G. Nachstudien an der Akademie und suchte hierauf noch durch Copiren von Meisterwerken der Prager und Dresdener Galerie seine Farbentechnik zu rectificiren. Fortan darf seinem weiteren Wirken, zunächst in Warnsdorf, entschieden kunstgeschichtliche Bedeutung beigemessen werden. Hurtiger Hand versah er von hier aus die Mehrzahl der umliegenden Pfarrkirchen mit guten Bildern; sicherte auch in der wegen ihrer industriellen Leistungstüchtigkeit jüngst zur Stadt erhobenen Ortschaft der Kunst eine bleibende Stätte. Den allerdings vorzeitigen Abschluß seines dortigen Wirkens gab ein für ihn erschütternder Unglücksfall: ein in seinem Hause ausbrechendes Feuer zerstörte ihm die gesammte Habe. Hiernach zwar bettlerarm geworden, wandte er sich an einen auswärtigen Gönner, an den durch Werke der Wohlthätigkeit und Kunstfreundlichkeit ausgezeichneten Leitmeritzer Bischof Milde. Sofort auch dorthin eingeladen, bezog G. den nächst der bischöflichen Residenz gelegenen alten Wallthurm, wo er ein großartiges Atelier einrichten und erst so recht nach Herzenslust auch in großen Aufträgen sich ergehen konnte. Einer der ersten war das umfang- und figurenreiche Hochaltargemälde für die Stadtkirche in Reichstadt. Der wohlwollende Bischof benützte diese Gelegenheit übrigens noch dahin, daß er durch G. sämmtliche alten theils schadhaften Gemälde der Domkirche – meist von Carl Screta – renoviren ließ; ihn auch beauftragte Umschau zu halten in der Diöcese nach den vorzüglichsten, [68] durch Renovirung noch zu erhaltenden Gemälden. Wirklich wurden die besten Bilder aufgesucht und viele davon dem Untergang entrissen. So namentlich das Raphael’s würdige Gemälde St. Matthäus von Screta in Kresic (Krscheschitz) – in der Kirche mit der traditionellen hölzernen Thürklinke – bei Leitmeritz; von welchem auf Gruß’ Veranlassung auch von Joh. Wiese eine recht gute Nachbildung in Kupfer gestochen wurde. Hiermit auf Jahre hinaus in zusagender Thätigkeit gehalten, nebenbei noch zum Wiedergewinne eines eigenen Hauses gelangt, verband sich denn auch für alle Folge der Name G. mit Leitmeritz. Mit ungewöhnlichem Fleiße, vom Morgen bis zum Abende am Werke, schuf er neben unzähligen Restaurationsarbeiten fort und fort neue Bilder für den Umkreis von Leitmeritz; zwischenher immer auch noch einige für die Prager und Dresdener Ausstellung. Im Besitze einer anmuthigen, mit schönen Gesichtsformen begabten Tochter wußte er diese gelegenheitlich solcher Ausstellungsbilder meist trefflich zu verwerthen, sei es als Type für Madonnen, für St. Philomena und St. Cäcilia. (Nach letzterer kam ein durch Mayer in Nürnberg besorgter Stich zu großer Verbreitung.) Nach Darstellungsform, möglichst auch im Colorit, folgte G. seinem Freunde Kadlik. Seit seinen akademischen Nachstudien mit demselben in brieflichem Verkehre, dabei unausgesetzt bemüht Gemälde desselben in seinen Gesichtskreis zu ziehen, wie ihm dieses bereits für die Kirchen in Warnsdorf und Schönlinde gelungen war (vgl. Kadlik), benutzte er diese Bilder zu fast stetigen Studienobjecten für sich und seine Schüler. Die besten seiner Leistungen datiren überdies aus dem Jahre, in welchem Kadlik – zum Director der Prager Akademie berufen – in der Nähe weilte, G. also kurzen Weges sich mit ihm verständigen konnte. Doch wie homogen nach der künstlerischen Außenseite, unterschieden sie sich dennoch ziemlich scharf im Gefüge ihres Inneren. Beide zwar von Jugend an von der josephinisch freigeistigen Studienrichtung imprägnirt, wandte sich Kadlik später – in Rom – wieder entschieden der positiv kirchlichen Anschauung zu, während G., entsprechend seinem elastischen Wesen, jener Richtung anhängig blieb und später seine Anschauungen mit denen Bolzano’s vollständig identificirte. Doch gegenseitig wohlerprobt und erkannt in der Lauterkeit ihres Wollens und Wirkens, ließen sie sich durch diese Verschiedenheit, die doch mehr nur einen Unterschied des Grades bildete, in ihrer Freundschaft nicht stören. Anders stand es mit G. den klerikalen Kreisen gegenüber, wie sie sich nach Abgang Milde’s auf den erzbischöflichen Sitz nach Wien in Leitmeritz zusammengezogen hatten. Wegen seiner offenkundigen Anhänglichkeit an Bolzano jetzt dort scheel angesehen, verbitterte sich sein humanistischer Eifer zu einer Ausdrucksschärfe folgenschwersten Widerhalls. – Gramgebeugt, gelähmt im Schaffen, begrüßte der lebensmüd gemachte Künstler den Tod mit Freude und heiteren Antlitzes. Leitmeritz verdankt G. Vieles. Was seither an humanistischen Institutionen dort ins Leben trat, dafür wirkte er schon vorlängst. Er war es, der unter Anderen den Anstoß gab für eine zeitgemäße Fortbildung der Lehrlinge und Gesellen zu künftig tüchtigen Meistern. Mit größter Opferwilligkeit errichtete er eine Privatschule für sie und oblag wahren Feuereifers der damit sich selbst gestellten Aufgabe als Lehrer. Ihm ist es nebenbei zu danken, daß die vielen historisch schätzbaren Denkwürdigkeiten der Stadt erhalten und der Publikation zugänglich wurden. Schüler von ihm sind der später als Schüler der Wiener Akademie zu gutem Rufe gelangte, 1841 im 30. Lebensjahre verstorbene Anton Czisch, sein eigner, als tüchtiger Landschaftsmaler 1870 in Teplitz verstorbener Sohn Julius und der wackere Porträtmaler Franz Thomas in Warnsdorf.
Gruß: Johann G., Maler, geb. am 22. November 1790 zu Schaab, † am 8. Aug. 1855 zu Leitmeritz. Vom Gymnasium freiwillig in das Priesterseminar zu Prag eingetreten, überkamen G. erst kurz vor der letzten Weihe Berufsbedenken, deren loszuwerden ihm der Rector einen längeren Urlaub zugestand, den er als Correpetitor der Söhne des Notars Richter in Warnsdorf verbringen sollte, um nach Jahresfrist sich entweder für die Primiz oder für den definitiven Austritt aus dem Priesterstande zu entscheiden. Er hatte bald über den engeren Kreis der Richter’schen Familie hinaus einen Anhang von Freunden gewonnen, die ihn geradezu absperrten von der Rückkehr ins Seminar, den durch Lehrtalent und vortheilhafte äußere Erscheinung hervorragenden Mann vielmehr bewogen, eine förmliche Schule vom Charakter eines Convictoriums einzurichten für die seinem Anhängerkreise zugehörigen Sprossen. Dem dabei eingeführten höchst idealen Lehrplane war aber auch die „bildende Kunst“ einverleibt. Aber je mehr von anderer Seite Gewicht darauf gelegt zu werden schien, um so nothdürftiger erkannte sich G. für den Kunstlehrer ausgestattet. Blos oberflächlich bei zeitweiligem Akademiebesuche mit dem Elementaren der Bildkunst bekannt geworden (die akademische Matrik führt G. 1806 als „Rhetoriker“ an, d. i. als Studiosen des 4. Jahrganges der philosophischen Facultät) lag er nun zwangsweise, mehr zur Qual als zur Selbstbefriedigung, dem Zeichnen, Malen und Modelliren ob. Erst allmählich mit schwindender Ungelenkigkeit hob sich die Lust zum künstlerischen Schaffen, sank merkwürdigerweise aber auch in gleichem Grade die Neigung zur Schulmeisterei. Doch bevor diese Wandlung nach Außen allgemein kund werden und zum Abbruche der guten Beziehungen führen konnte, hatte G. bereits die Rehabilitirungsformel gefunden. Stillen Zuges gingen nämlich inzwischen schon von Haus zu Haus ganz frappant getroffene kleine Porträts seiner vertrauten Freunde und bereiteten im Stillen auf den aus seiner Zurückgezogenheit endlich wieder vortretenden Maler G. vor. Was ihm zur Abrechnung mit seinem Gemüthe dann noch fehlte, das holte er sich 1819 am Traualtare. Aber noch war immer blos der Dilettant und noch lange nicht der Künstler fertig, wie sich bald zeigte, als er mit mehreren allzukühn übernommenen Aufträgen ins Unwegsame festgefahren war. Ein zufälliges Wiederbegegnen mit dem Studiengenossen