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Artikel „Grotefend, Karl Ludwig“ von Hermann Grotefend in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 765–766, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Grotefend,_Karl&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 17:18 Uhr UTC)
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Band 9 (1879), S. 765–766 (Quelle).
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Grotefend: Karl Ludwig G., ältester Sohn des Georg Friedrich G., am 22. December 1807 zu Frankfurt a. M. geboren, besuchte zunächst daselbst das Gymnasium, seit dem Ueberzuge des Vaters nach Hannover im J. 1821 das dortige Lyceum, das er im Herbste 1825 verließ, um die Universität Göttingen zu beziehen. Schon seine Abgangspreisarbeit als Primaner über die Geschichte der römischen Legionen zeigt uns ihn als Liebhaber römischer Alterthümer; das Studium der classischen Alterthumswissenschaften war es auch, das neben dem der orientalischen Sprachen ihn vorwiegend auf der Universität beschäftigte. Im April 1829 promovirte er auf Grund einer Dissertation „De demis sive pagis Atticae disquisitio“ zum Doctor der Philosophie und erhielt im Sommer desselben Jahres seine erste Anstellung am Gymnasium Andreanum zu Hildesheim. 1833 vertauschte er diese mit einer Collaboratur am Lyceum zu Hannover, wo er bis zum Subconrector und Ordinarius der Untersecunda aufstieg. Als solcher trat er im J. 1853 aus dem Lehrerstande aus, um sich, zunächst als erster Archivsecretär am königlichen Archive zu Hannover, der archivalischen Laufbahn zu widmen. Grotefend’s Studien bis zu diesem bedeutungsvollen Wechsel des Berufes lagen vornehmlich auf dem Gebiete der classischen Alterthumswissenschaften. Seine schon als Schüler betriebenen Forschungen über römische Legionen hatte er eifrigst fortgesetzt; im J. 1840 veröffentlichte er in Zimmermann’s Zeitschrift für Alterthumswissenschaft Nr. 79 ff. eine „Uebersicht der Geschichte der römischen Legionen von Cäsar bis Gallienus“, die dann überarbeitet in Pauly’s Realencyklopädie überging. Ein größeres hinterlassenes Werk über Legionsgeschichte harrt noch der Veröffentlichung. Im J. 1836 erschien auch in Zimmermann’s Zeitschrift Nr. 114 ff. eine andere epigraphische Arbeit von ihm: „Die römischen Tribus in historischer Beziehung“. Sie ist als Grundlage eines im J. 1863 erschienenen Werkchens: „Imperium Romanum tributim descriptum, die geographische Vertheilung der römischen Reiche“ hervorzuheben. Als tüchtigen Epigraphiker zeigen ihn uns auch seine meist im Philologus erschienenen Arbeiten über „die Stempel römischer Augenärzte“, welche in einem so betitelten selbständigen Werkchen (1867) ihren Abschluß fanden. Die Frage des gefälschten Sanchuniathon, für welchen sein Vater G. F. G. durch Uebernahme der Vorrede zur Herausgabe, Partei nahm, half der jüngere G. durch ein Schriftchen: „Die Sanchuniathonische Streitfrage nach ungedruckten Briefen gewürdigt“ (1836) von dem Standpunkte der äußeren Kritik aus gegen die Aechtheit der angeblichen Handschrift entscheiden. Von seinen numismatischen Veröffentlichungen ist neben zahlreichen Abhandlungen in Zeitschriften besonders hervorzuheben die 1839 erschienene Schrift: „Die Münzen der griechischen, parthischen und indoscythischen Könige von Baktrien“, für die Geschichte Baktriens und der Indusländer von Epoche machender Bedeutung. 1864 begrüßte er die Philologenversammlung zu Hannover mit: „Unedirte griechische und römische Münzen“, und 1872 gab er seine letzte numismatische Arbeit: „Chronologische Anordnung der athenischen Silbermünzen“ heraus, eine gegen Beulé’s Aufstellungen gerichtete Schrift. Das Gutenbergfest 1840 wurde für G. die Veranlassung zur Herausgabe seiner ersten Publikation auf dem Gebiete der niedersächsischen Specialgeschichte, der „Geschichte der Buchdruckereien in den hannoverschen und braunschweigschen Landen“. Ihr folgte das „Verzeichniß der Handschriften und Incunabeln der Stadtbibliothek zu Hannover“ (1844), der „Briefwechsel zwischen Leibniz, Arnauld und dem Landgrafen Ernst [766] von Hessen-Rheinfels“ und das „Leibniz-Album“, beide 1846. Seit dem J. 1851 leitete G. die Publicationen des historischen Vereins für Niedersachsen, in dessen Zeitschrift mancher Aufsatz von ihm erschien. 1860 gab er mit Amtsrichter Fiedeler zusammen das „Urkundenbuch der Stadt Hannover bis 1369“ heraus und schrieb zu dessen Einführung: „Die Entwickelung der Stadt Hannover bis zum J. 1369“. Zehn Jahre später folgte in der Zeitschrift ein Nachtrag zu diesem Urkundenbuche. Sieben Jahre hindurch redigirte G. auch das Correspondenzblatt der deutschen Geschichtsvereine. Erwähnt werden muß noch Grotefend’s Thätigkeit bei der Herausgabe der „Monumenta Germaniae historica“, deren langjähriger sicherer Corrector er war, seine Theilnahme an der Leitung des germanischen Museums in Nürnberg und des römisch-germanischen Centralmuseums zu Mainz, bei deren Verwaltung er ein besonderes organisatorisches Talent zeigte. Die jährlichen Versammlungen der Philologen und Schulmänner und des Gesammtvereins der deutschen Geschichtsvereine hatten an ihm einen regelmäßigen Gast und gaben ihm Gelegenheit, seine liebenswürdige Persönlichkeit zur Geltung zu bringen, die eine der Hauptfactoren seines nicht unbedeutenden Einflusses in deutschen Gelehrtenkreisen war. Im J. 1862 rückte G. vom Archivsecretär zum Archivrathe vor, im J. 1867 wurde ihm, nach Schaumann’s Abgange vom Archive zu Hannover, provisorisch die Leitung desselben übertragen, bis im J. 1868 seine definitive Ernennung zum Staatsarchivar erfolgte. 1871 wurde er durch die Ernennung zum Geheimen Archivrathe ausgezeichnet. Nach kurzem Kranksein verstarb G. im 67. Lebensjahre am 27. October 1874 zu Hannover.